Berlin. Nach einem Gespräch fragen sich viele, ob sie einen guten Eindruck hinterlassen haben. Doch eine neue Studie überrascht.

Ob beim Flirten, während einem Abendessen mit Freunden oder bei einem Video-Call im Büro – nach fast jeder sozialen Interaktion kommen viele Menschen ins Grübeln. Habe ich einen guten Eindruck hinterlassen? War ich zu nervös oder vielleicht zu schüchtern? Hätte ich schlagfertiger reagieren können? Solche Fragen lassen Menschen an sich selbst zweifeln. Doch was, wenn diese Selbstkritik völlig unbegründet ist?

Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im Fachblatt „Computers in Human Behavior Reports“ zeigt, dass wir in der Wahrnehmung anderer oft viel sympathischer wirken, als wir selbst annehmen. Das gilt sowohl für persönliche als auch für digitale Kommunikation.

Sympathielücke: Einschätzungen in persönlicher und digitaler Kommunikation klafft auseinander

Wissenschaftler aus den USA bestätigen, dass Menschen in sozialen Begegnungen tendenziell ihre Wirkung auf andere unterschätzen. Diesen psychologischen Effekt nennt man die „Sympathielücke“ – im Englischen auch „liking gap“ genannt. Die Forschung dazu ist nicht neu: Bereits 2018 fanden Forscher heraus, dass Menschen sich nach ersten Treffen oft selbst als weniger freundlich empfinden, als sie tatsächlich wahrgenommen werden. Dies bleibt häufig über längere Zeit bestehen, auch wenn sich die Beziehung inzwischen deutlich verbessert hat.

Dafür beschäftigten sich Forscher in der aktuellen Untersuchung mit der Frage, wie sich die „Sympathielücke“ in digitalen Gesprächen zeigt. Sie baten rund 260 Teilnehmer, in kurzen Chats oder Videoanrufen mit Fremden über ein unverfängliches Thema wie Lieblingsfilme zu sprechen. Im Anschluss sollten die Probanden angeben, wie sehr sie ihren Gesprächspartner mochten und wie sehr sie glaubten, dass dieser sie mag. Das Ergebnis: Die Einschätzungen klafften weit auseinander – in den meisten Fällen unterschätzten die Teilnehmer, wie sympathisch sie beim anderen ankamen.

Warum wir uns selbst unterschätzen: Psychologen nicht ganz einig

Doch was genau führt dazu, dass Menschen sich selbst so negativ bewerten? Darüber sind sich Psychologen nicht ganz einig. Die Theorie, dass Menschen häufig höhere Ansprüche an sich selbst stellen als an andere, könnte eine Rolle spielen. Während wir unsere Gesprächsführung mit einem idealisierten Bild von uns vergleichen – was wir hätten besser machen können –, haben andere keine Kenntnis von diesem inneren Maßstab. Sie beurteilen uns lediglich nach dem, was wir tatsächlich tun und sagen, nicht nach dem, was wir hätten tun können.

Zudem neigen wir in sozialen Interaktionen dazu, unser Verhalten kritisch zu hinterfragen und unterschätzen, wie wir auf andere wirken. Dieser Effekt könnte auch erklären, warum wir uns nach einem Gespräch häufig als weniger charmant oder eloquent empfinden, als es tatsächlich der Fall war. In einer Welt, die von ständiger Selbstoptimierung geprägt ist, fällt es vielen schwer, sich die eigenen Stärken einzugestehen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf vermeintliche Schwächen und Fehler, die anderen oft gar nicht auffallen.