Rom. Ein kleines Bergdorf in Italien ächzt unter zehntausenden Touristen. Der Bürgermeister fordert nun Unterstützung von besonderer Stelle.
Ein charmantes Bergdorf in malerischer Naturkulisse, Anlaufpunkt für Wanderer im Sommer und Geheimtipp für Wintersportler in der kalten Jahreszeit – damit lockt das Bergdorf Roccaraso im Abruzzen-Nationalpark Majella. Auf 1.300 Metern gelegen, ist es im Winter vor allem als Skigebiet bekannt, eines der größten in Mittelitalien. Mit modernen Liftanlagen und über 100 Kilometern Piste zieht es sowohl Anfänger als auch erfahrene Skifahrer und Snowboarder an.
So auch in den vergangenen Tagen, das letzte Januar-Wochenende hatte alle Erwartungen übertroffen: Über 10.000 Besucher und 220 Reisebusse erreichten die 1.500-Seelen-Gemeinde in der Provinz L‘Aquila. Bestürmt wurde die Ortschaft vor allem von Tagesausflüglern aus Neapel und der Provinz. Doch anstatt sich an den Winterurlaubern zu erfreuen, schlägt der Bürgermeister der kleinen Ortschaft Alarm – und fordert den Einsatz des Heeres gegen die Touristenhorden.
Urlaub in Italien: Besucherandrang stürzt Dorf in Chaos
Was war passiert? Wegen des Busandrangs kam es zu einem Verkehrschaos, Tagesausflügler bestürmten die wenigen Bars der Gegend und hinterließen Müllberge. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Am Sonntag hatten wir wegen des Schnees mit vielen Besuchern gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß“, erzählt Tommaso Conte, Präsident des Snowboarder-Klubs ONE. „Die meisten Besucher tummelten sich im Dorf und haben die Skipisten erst gar nicht aufgesucht. Sie waren für den Schnee nicht einmal ausgerüstet.“
Roccaraso verfüge über viele Dienstleistungen und sei bereit, Menschen aufzunehmen. Für eine Ortschaft, in der normalerweise 1.000 Menschen leben, sei es aber nicht einfach, plötzlich mit 10.000 Touristen umzugehen. „Die Gemeinde und die Polizei waren ausgezeichnet. Es kam zwar zu Staus, aber die Polizisten haben so gearbeitet, dass ein totales Chaos vermieden werden konnte“, so Conte.
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Hinter dem unerwarteten Ansturm scheinen Berichten zufolge einige TikToker zu stecken, die Roccaraso in ihren Reels und Videos auf der Social-Media-Plattform angepriesen hatten und Tagesausflüge in die Ortschaft organisieren – ohne jedoch an die möglichen Konsequenzen zu denken. Bürgermeister Francesco Di Donato zeigt sich besorgt: „Wir sind eine gastfreundliche Gemeinde und heißen jeden willkommen, solange sich die Besucher anständig benehmen. Aber bei einem derartigen Besucheransturm brauchen wir die Unterstützung des Heeres“.
Anwohner beschweren sich über das Verhalten der Besucher
Einige Einwohner beschwerten sich in den sozialen Medien über das respektlose Verhalten der Besucher, die viel Müll auf den Straßen hinterlassen haben. Auch die Infrastruktur wurde auf die Probe gestellt: Zu wenige öffentliche Toiletten, überlastete Bars und organisatorische Unzulänglichkeiten machten der Gemeinde zu schaffen.
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Der Touristenansturm, durch soziale Medien angeheizt, nährt jetzt eine hitzige Debatte über den Billigtourismus. „Ohne eine angemessene Planung besteht die Gefahr, dass Tourismus zu einem Bumerang für die Berggemeinden wird“, sagte der Bürgermeister Roccarasos. Diskutiert wird auch über den zunehmenden Einfluss von Influencern, die inzwischen Millionen Reisende weltweit inspirieren und neue Trends setzen.
TikTok revolutioniert die Reisebranche, indem es oft eher unbekannte Orte binnen kürzester Zeit bekannt macht. Durch das Teilen von Urlaubserfahrungen in Echtzeit entstehen virale Trends, die die Wahrnehmung mancher Reiseziele nachhaltig verändert haben. Viele kleinere Ortschaften in Italien haben davon profitiert. Andere, wie beispielsweise die Gemeinden um den Pragser Wildsee, haben ihre Konsequenzen gezogen und den Zugang für Touristen eingeschränkt. In Roccaraso scheint man über ähnliche Schritte zumindest nachzudenken.
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