Berlin. Der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern ist heute viel größer als noch vor 100 Jahren. Dafür gibt es eine spannende Erklärung.

Durch eine bessere Gesundheitsversorgung und genug Nahrung hat die Körpergröße der Menschen in den Industrieländern dramatisch zugelegt. Allein die Deutschen sind in den letzten 150 Jahren – trotz zweier Weltkriege – um durchschnittlich 15 Zentimeter gewachsen. Laut dem Statistischen Bundesamt erreicht der durchschnittliche Mann heute eine Körpergröße von etwa 1,79 Meter, Frauen bringen es auf 1,66 Meter.

Doch einer neuen Studie zufolge gibt es in dieser Entwicklung große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Daten aus der ganzen Welt zeigen, dass innerhalb des letzten Jahrhunderts die Körpergröße und das Gewicht von Männern doppelt so schnell wie bei Frauen anstieg. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Forschungsteam, das die Untersuchung in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ veröffentlichte.

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Körpergröße: Frauen sind heute seltener größer als Männer

Mithilfe von Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der britischen Behörden setzten die Forscher die Körpergröße in ein Verhältnis mit den Lebensbedingungen. Die werden vom „Index der menschlichen Entwicklung“ (HDI) zusammengefasst, einem Wohlstandsindex, der sich aus Lebenserwartung, Dauer der Ausbildung und das Bruttonationaleinkommen pro Kopf ergibt.

Anhand von Großbritannien ordnet der leitende Forscher, Professor Lewis Halsey, die gravierenden Unterschiede zwischen Frauen und Männern ein: „Etwa jede vierte Frau, die 1905 geboren wurde, war größer als der durchschnittliche Mann, der 1905 geboren wurde, während dieser Wert bei den 1958 geborenen Frauen auf etwa jede achte Frau sank“, erklärt er gegenüber dem „Guardian“.

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Forscher erklären sich Unterschiede mit sexuellem Wettbewerb

Eine Erklärung für den Unterschied der Geschlechter liefert das Team schon im Titel der Studie: „Der heiße und beeindruckende männliche Körper“. Denn Frauen würden größere und muskulösere Männer bevorzugen, im sexuellen Wettbewerb ziehen kleinere Männer tendenziell den Kürzeren, vermuten sie.

Statur und Körperbau seien die wichtigsten Indikatoren für Gesundheit und Vitalität, so Halsey. Evolutionär gesehen würden Männer begünstigt, die ihre Partner und Nachkommen besser vor anderen schützen und verteidigen können. „Wir sehen, wie sexuelle Selektion den männlichen und weiblichen Körper geformt hat und wie verbesserte Umgebungen in Bezug auf Ernährung und eine geringere Krankheitslast uns von unseren Fesseln befreit haben“, sagt Haley gegenüber dem „Guardian“.

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Große Männer haben erhöhtes Krebsrisiko

Der Ökonom Jörg Baten forscht an der Universität Tübingen ebenfalls zur geschichtlichen Entwicklung der Körpergröße. In der „Süddeutschen Zeitung“ kritisiert er die Schlussfolgerungen des Forschungsteams. So sei nicht die weibliche Präferenz für große Männer ausschlaggebend, sondern die biologischen Grenzen des weiblichen Körpers.

In Phasen der Unterversorgung würden sich die Körpergrößen von Männern und Frauen stark annähern. Weil aber der weibliche Körper nur bis zu einem gewissen Grad reduziert werden könne, schrumpfen Männer verhältnismäßig mehr. Frauen müssten Reserven und genügend große Organe für das Austragen von Kindern bereithalten, erklärt Baten. Wird die Versorgung wieder besser, wachse der Unterschied zwischen den Geschlechtern wieder.

Auch seien größere Männer nicht nur evolutionär im Vorteil, gibt auch das Team um Haley zu. So leiden große Männer häufiger an Rückenschmerzen und besitzen ein höheres Risiko, an Krebs zu erkranken – vermutlich weil sie schlicht mehr Körperzellen haben.

Überraschende Unterschiede zwischen deutschen Bundesländern

International steht Deutschland auf Platz 19 der größten Länder. Die größten Menschen kommen aus den Niederlanden, hier werden die Männer durchschnittlich 1,84 Meter, die Frauen gut 1,70 Meter groß.

In Deutschland gibt es selbst zwischen den Bundesländern bis zu 10 Zentimeter hohe Größenunterschiede. Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2007 leben die größten Deutschen in Hamburg. Hamburger Männer sind demnach durchschnittlich 1,83 Meter groß, Frauen erreichen eine Körpergröße von 1,68 Meter. Die kleinsten Männer und Frauen kommen mit 1,72 und 1,59 Meter aus Thüringen. Die ostdeutschen Bundesländer bilden die Schlusslichter.