Berlin. Für seine „Traumschiff“-Rolle musste sich Kai Wiesinger mit einem ihm nicht unbekannten Schicksal auseinandersetzen: dem eines Mannes Ü-50.
Kai Wiesinger ist längst nicht nur als Schauspieler aktiv. Und so nutzte der 58-Jährige den Dreh zu seiner aktuellen „Traumschiff“-Folge (24. November, ZDF, 20.15 Uhr) auch, um sein nächstes Buch fertig zu stellen. Was ihm besonders gefiel an der Rolle: Er musste sich mit den Problemen eines Mannes um die fünfzig befassen.
Traumschiff“-Drehs gelten immer als halbe Urlaube. War das auch ein Grund, weshalb Sie dabei waren?
Kai Wiesinger: Das war einer der Aspekte. Ich hatte das große Vergnügen, eine komplette Atlantiküberquerung erleben zu dürfen, was ich jedem Menschen, der auch nur ein bisschen seefest ist, empfehlen möchte.
Das Gefühl, tagelang 4000 Meter Wasser unter mir und 1000 Kilometer zum nächsten Land zu haben und mit einer Nussschale auf dieser Urgewalt unterwegs zu sein, war wahnsinnig beeindruckend. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich habe in der Zeit mein neues Buch zu Ende geschrieben, habe gedreht und stundenlang aufs Meer geguckt.
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Ist es nicht langweilig, tagelang aufs Meer zu schauen?
Wiesinger: Das habe ich auch geglaubt. Ich hatte mal eine Lesereise nach New York angeboten bekommen, und dachte, die lange Überfahrt würde mich langweilen. Aber inzwischen weiß ich, dass Seetage das Tollste an der Reise sind, wenn man das mag. Es ist ein unglaublich beeindruckendes Erlebnis, die Urgewalt Wasser so lange und unmittelbar zu spüren.
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Sie könnten also auf Kapitän umschulen.
Wiesinger: Ich bin ja Kapitän. Ich habe einen Sportbootführerschein Binnen und See und hatte jahrelang ein Boot, das ich leider inzwischen aus Zeitmangel verkauft habe. Ich liebe Wasser.
Der Schauspieler über Männer Mitte fünfzig: Vieles funktioniert nicht mehr
Ein bisschen Schauspielen mussten Sie aber auch noch. Was meinen Sie denn zu Ihrer Rolle?
Wiesinger: Das „Traumschiff“ ist beste Familienunterhaltung. Und ich hatte eine großartige Zeit, weil ich mit guten Schauspielern drehen konnte. Meine Figur hat das, was viele Männer mit Mitte 50 erleben: Man merkt, dass manches nicht mehr so funktioniert wie früher.
Man braucht eine Brille, muss sich fit und das Fett in der Bauchgegend einigermaßen im Zaum halten. Und ich finde es interessant zu sehen, wie ein Vater damit umgeht, dass seine Tochter jemanden datet, der genauso alt ist wie er selbst. Seinen Kindern wünscht man ja so etwas nicht.
Sie haben mit dem Traumschiff nun ein paar Reiseziele inklusive Argentinien abgehakt. Gibt es noch weitere solcher Ideen oder Träume?
Wiesinger: Was ich nie getan habe und noch weniger tue, ist, Dinge zu verschieben. Es ist ganz wichtig, den Moment zu genießen und sich jeden Tag so zu gestalten, dass man sagt: Das ist das, was ich machen möchte, anstatt zu denken: „Eines Tages will ich.“ Wer weiß, ob ich das erlebe. Von daher bin ich dankbar über jeden Tag, den wir als Familie gesund erleben und in der Welt vorankommen.
Man sollte sich seine Träume schnellstmöglich erfüllen, solange es möglich ist. Reisen ist wichtig und öffnet den Horizont. Es ist schon herrlich, wenn man dem Alltag mit Müllherunterbringen, Steuererklärung und Aufräumen entfliehen kann. Andererseits sollte man sich diesen Alltag auch so schön einrichten, dass man zufrieden und glücklich ist.
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Was für einen Traum wollen Sie sich denn als nächstes erfüllen?
Wiesinger: Als Vater und freiberuflich arbeitender Mensch ist es mein Traum zu sagen: „Ich habe die Zeit, ein Buch in einem Stück durchzulesen.“ Normalerweise sitze ich nie herum und mache nichts. Aber ich möchte mal einen Tag haben, wo ich nicht das Gefühl habe, ich muss etwas arbeiten oder irgendwohin fahren oder etwas aufräumen.
Und welches Buch möchten Sie dann so schnell lesen wie möglich?
Wiesinger: Bei mir stapelt es sich überall, ich habe auch verschiedene Bücher neben meinem Bett stehen. Ich kann kein einzelnes nennen. Ich wollte in „Die Pest“ von Camus noch einmal hineinlesen. Ich habe immer wieder Bücher, die ich wegen eines Themas wieder gerne studieren möchte. Von Yuval Noah Harari sollte man alles gelesen haben.
Mich beglückt auch Sprache und oft reicht mir ein gut geschriebener Satz völlig, um eine ganze Woche davon zu zehren. Zum Beispiel fällt mir da Rodrigo Hasbúns „Die Affekte“ ein. Die Sprachgewalt erfüllt mich total und gibt mir viel Kraft und Lebensfreude.
Kai Wiesinger: Darum geht es in seinem neuen Buch
Was ist das Thema Ihres neuen Buches, das Sie während des „Traumschiff“-Drehs geschrieben haben?
Wiesinger: Das ist mein erster Roman, der nächstes Jahr erscheint – die Geschichte über eine Lebenslüge. Wenn man die eigene Wahrheit akzeptiert, hat man einen sehr viel größeren Vorteil, als wenn man versucht, sich etwas vorzumachen.
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Und Sie haben diese Wahrheit akzeptiert?
Wiesinger: Ehrlichkeit mir selbst gegenüber ist ein großes Thema. Ich versuche Lügen vollkommen von mir fernzuhalten Ich finde es unerträglich, wenn ich merke, dass mich jemand belügt. So gesehen ist mein Leben ein permanenter Versuch, Wahrheiten und Realitäten anzunehmen. Ich empfinde mein ganzes Leben als permanentes „Trial-and-Error“. Schließlich habe ich keine Ahnung, wie es funktioniert. Und das erklärt auch mein Bedürfnis, diese Geschichte zu erzählen.
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