Berlin. Nach dem ersten Tod einer US-Amerikanerin durch die Suizidkapsel „Sarco“ bleibt der Chef der Selbsthilfeorganisation in Haft. War es Mord?

Seit fünf Wochen sitzt der deutsche Chef der Schweizer Sterbehilfe-Organisation „The Last Resort“, Florian Willet, in U-Haft. Der Grund: Er war der Einzige, der zusah, wie sich eine Frau in der ersten Suizidkapsel in einem Schweizer Wald das Leben nahm. Die Polizei verhaftete ihn noch vor Ort – zusammen mit zwei Anwälten und einem „Volkskrant“-Fotografen, die erst nach dem Suizid am Standort eintrafen. Während die drei anderen nach 48 Stunden freikamen, blieb Willet in Haft.

Im Zentrum der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Schaffhausen stehen nun der Verdacht auf „Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord“ sowie mögliche Verstöße gegen das „Produktesicherheitsgesetz“ und das „Chemikaliengesetz“. Laut der niederländischen Tageszeitung „de Volkskrant“ wird von Seiten der Staatsanwaltschaft auch eine „vorsätzliche Tötung“ nicht ausgeschlossen. Die Zeitung hatte die Sterbehilfe über Monate hinweg eng begleitet.

Frau möglichwerweise erwürgt: Staatsanwaltschaft erfährt von schweren Halsverletzungen

Laut der Zeitung wird der Verdacht vor Gericht dadurch untermauert, dass die Frau möglicherweise erwürgt wurde. Diese Vermutung basiert auf einer „Telefonnotiz“ nur wenige Stunden nach ihrem Tod. In diesem Gespräch informierte der Gerichtsmediziner den Staatsanwalt darüber, dass die Frau schwere Halsverletzungen aufwies. Der Obduktionsbericht läge nach fünf Wochen allerdings noch nicht vor, berichtet „de Volkskrant“. Dies sei ungewöhnlich für ein Strafverfahren.

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Entlasten könnten Willet zwei Videoaufnahmen, die während des Suizids aufgenommen und von „de Volkskrant“ protokolliert wurden. Eine Kamera zeichnete den Kontrollknopf in der Kapsel auf, während eine andere Kamera an einem Baum installiert war. Allerdings weisen die Aufnahmen Lücken auf, da sie nur bei Bewegungen aktiv werden. Der Australier Philip Nitschke (77), der die Suizid-Kapsel erfunden hat, lebt in den Niederlanden. Dem Bericht zufolge beobachtete er die Amerikanerin während ihres Sterbeprozesses über eine Videoverbindung. Doch auch habe es keine durchgehende Übertragung gegeben aufgrund von Schwierigkeiten bei der Übertragung.

Erste US-Bürgerin nutzt Suizidkapsel „Sarco“: Mediziner sind skeptisch

Am 23. September 2024 nahm sich eine 64-jährige US-Bürgerin in der Schweiz als erste Person das Leben mit einer sogenannten Suizidkapsel. Bei dem Gerät zur Sterbehilfe handelt es sich laut Hersteller „Last Resort“ um eine 3D-gedruckte Kapsel namens „Sarco“, in der die Luft schnell durch reinen Stickstoff ersetzt wird. „Der Anwender stirbt schnell und friedlich“, heißt es von Seiten der Sterbehilfeorganisation „Last Resort“. Die Frau war in die Schweiz gereist, da sie an einer unheilbaren Immunschwäche-Krankheit litt und die Schmerzen nicht mehr länger ertragen wollte.

Mediziner stehen dem Verfahren skeptisch gegenüber, denn sie befürchten, dass der Tod bis zu 30 Minuten dauern könnte. Auch wenn assistierter Suizid in der Schweiz seit 1942 grundsätzlich erlaubt ist, wurde die Sterbehilfe durch die Suizidkapsel „Sarco“ von den Schweizer Behörden für rechtswidrig erklärt.

Anmerkung der Redaktion

Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über (mögliche) Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen.

Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.