Essen. Schon jetzt beziehen fast fünf Millionen Menschen Arbeitslosengeld II. Zwei Millionen leben von Sozialgeld. Die Zahlen werden drastisch zunehmen, befürchten Experten. Das wird Milliardenlöcher in den Bundeshaushalt reißen und alarmiert die Städte und Gemeinden.

Im Schatten der Wirtschaftskrise rollt auf die Arbeitsverwaltungen und die Städte eine Lawine zu: In den nächsten Monaten wird die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II sprunghaft ansteigen, befürchten Arbeitsmarktexperten. Für den Bundeshaushalt und die kommunalen Kassen bedeutet das zusätzliche Milliardenausgaben.

4,94 Millionen Bezieher

4,94 Millionen Menschen bezogen im vergangenen Monat Arbeitslosengeld II. Lediglich 43 Prozent waren als arbeitslos registriert, die anderen erhielten als Geringverdiener aufstockende Leistungen, waren in Qualifizierungsmaßnahmen, gingen noch zur Schule oder betreuten Angehörige. Dazu lebten 1,82 Millionen Menschen, meistens Kinder, von Sozialgeld. Während die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen im April im Vergleich zum März leicht sank, stieg die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld.

Dass diese Zahlen steigen werden, hat zwei wesentliche Gründe: Erstens stellen Unternehmen in einer Rezession kaum noch ein. Wer jetzt langzeitarbeitslos ist, hat noch weniger Chancen, einen Job zu bekommen, als vor der Krise. Zweitens nimmt die Zahl der Arbeitslosen zu. Aktuell sind es 3,5 Millionen, im nächsten Jahr werden es allen Prognosen zufolge zwischen 4,4 und 4,8 Millionen sein. Die neuen Arbeitslosen beziehen zwar zunächst für bis zu zwölf Monate Arbeitslosengeld, viele von ihnen werden aber dann ins Arbeitslosengeld II abrutschen. Da viele von ihnen Familien haben, steigt dann die Zahl der Leistungsempfänger.

„Das dicke Ende kommt zeitverzögert”, sagt Ulrich Walwei vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Alexander Herzog-Stein, Referatsleiter beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung drückt es drastischer aus: „Da tickt eine Zeitbombe.”

Geht diese Bombe hoch, bekommt der Bundeshaushalt ein Problem. Schon im Dezember vergangenen Jahres, als die Zahl der Arbeitslosengeld II-Bezieher um mehr als 200 000 niedriger lag als im April, flossen fast drei Milliarden Euro Steuermittel an die Bundesagentur.

Kürzung des Regelsatzes so gut wie ausgeschlossen

Eine Kürzung des Regelsatzes ist aber nach Angaben des Bundessozialministeriums so gut wie ausgeschlossen. Der Satz orientiert sich am Rentenwert. Bundessozialminister Olaf Scholz (SPD) will bekanntlich pünktlich zur Bundestagswahl Rentenkürzungen für alle Zeit gesetzlich ausschließen. „Man wird die Gruppe der Regelsatzempfänger davon nicht ausnehmen”, so eine Sprecherin seines Ministeriums.

Den Kommunen, die für die Energie- und Unterkunftskosten der Arbeitslosengeld II-Bezieher zuständig sind, graut vor dem, was da auf sie zukommt. Schon für dieses Jahr erwarten sie im Sozialbereich Mehrkosten von zwei Milliarden Euro, sagt Uwe Lübking, Beigeordneter des Städte- und Gemeindebundes. „Unser eigentliches Problem beginnt aber 2010. Dann wird es langsam dramatisch.”

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