An Rhein und Ruhr. Künftig bekommen Schweine mehr Platz und Bio-Produkte werden zusätzlich markiert. Das sagen Schweinebauern und Tierschützer zu dem neuen Label.
Mehr Platz, mehr Auslauf – Verbraucher sollen mit dem neuen staatlichen Tierhaltungs-Label künftig noch genauer erkennen können, woher das Fleisch kommt, das sie kaufen, und wie die Tiere gehalten wurden. Verpflichtend ist dieses Label ab August 2025, jedoch erst einmal nur bei Frischfleisch von Schweinen. Die Verbraucherzentrale informiert über die Haltungsstufen. Schweinehalter ärgern sich indes über die geringen Unterschiede zu anderen Kennzeichnungen.
Verbraucherschützer erklären Haltungsformen
Das neue Label in schlichtem Schwarz und Weiß ergänzt das große Angebot an Lebensmittelkennzeichnungen. Bei Fleisch ist vielen Verbrauchern das 2019 vom Handel entwickelte Label „Haltungsform“ bekannt. Es hat vier Stufen, die in den Farben rot, blau, orange und grün dargestellt sind.
Das Label „Haltungsform“
Das alte Label „Haltungsform“ hat vier Stufen. Die Verbraucherzentrale fasst diese auf einer Infoseite zusammen: Stufe 1 ist die Stallhaltung und entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, der bei Schweinen 0,75 Quadratmeter Platz pro Tier vorsieht. Stufe 2, die „StallhaltungPlus“ bietet 10 Prozent mehr Platz im Vergleich zum Mindeststandard und Beschäftigungsmaterial für die Tiere. Stufe 3, der „Frischluftstall“, bietet den Tieren 40 Prozent mehr Platz und eine nach außen offene Stallseite oder in einem überdachten Außenbereich am Stall.
Stufe 4, „Premium“, muss 100 Prozent mehr sowie einen tatsächlichen Auslauf im Freien bieten.
Das neue, staatliche Label hat dagegen fünf Stufen. Die erste Stufe des neuen Labels entspricht weiterhin dem Mindeststandard. Stufe 2 sieht nun 12,5 Prozent mehr Platz pro Tier vor sowie eine bessere Strukturierung der Ställe, heißt es in der Erklärung der Verbraucherzentrale. So können den Tieren „unterschiedliche Funktionsbereiche angeboten werden für Ruhen, Aktivitäten, Fressen und Koten.“
Stufe 3 bietet 45 Prozent mehr Platz und Kontakt mit dem Außenklima. In Stufe 4 gibt es 100 Prozent mehr Platz „und den Schweinen steht ganztägig ein Auslauf im Freien zur Verfügung. Alternativ können die Tiere im Freiland gehalten werden“, heißt es bei der Verbraucherzentrale. Stufe 5 ist schließlich die Bio-Haltung. Diese entspreche mindestens den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. „Dazu kommt unter anderem die Verpflichtung, mit Öko-Futter zu füttern.“
Erste Auswirkungen des neuen Labels sind bereits jetzt im Supermarkt zu sehen: Denn das privatwirtschatliche, „alte“ Label hat in Anlehnung an die staatliche Vorlage nun auch eine fünfte Stufe bekommen, die Bio-Produkte kennzeichnet.
Schweinehalter ärgert sich über minimale Unterschiede
Die Landwirtschaftskammer NRW sieht eher geringe Auswirkungen auf die Schweinehalter, wie ein Sprecher sagt. „Es geht darum, dass jeder Betrieb melden muss, welcher Haltungsstufe jeder einzelne Stall zugeordnet wird. Dabei geht es um Transparenz, damit ersichtlich ist, wo das Fleisch herkommt. Es kann auch sein, dass ein Halter mehrere Ställe hat, die unterschiedlichen Haltungsstufen entsprechen.“
Doch die neue Kennzeichnung sorgt wegen geringer Unterschiede auch für Ärger: „Das neue Label hat aus der Sicht von uns Erzeugern viel Verwirrung verursacht“, klagt Schweinehalter Wilhelm Hellmanns aus Rheurdt. Er hält seine Sauen und Mastschweine in der Haltungsform 2 des alten Labels. „Dafür bekomme ich pro Tier am Schlachthof 5,36 Euro mehr als auf Stufe 1. Wenn ich jetzt 2 Prozent mehr Platz bieten soll, um Stufe 2 weiter zu bedienen, finde ich das lächerlich“, sagt Hellmanns. „Dafür muss dann ein Schwein aus dem Stall raus und die anderen bekommen ein bisschen mehr Platz als vorher.“
Auch interessant
In der Tat ist der Unterschied im Stall am Ende verschwindend gering. Bisher mussten auf Stufe 2 einem Schwein mindestens 0,825 Quadratmeter Fläche zustehen, mit dem neuen Label sind es 0,84 Quadratmeter. Der Unterschied entspricht etwas mehr als der Hälfte der Fläche eines DIN A5 Blattes.
Landwirt: „So was nervt uns total“
Das sorgt für Unverständnis bei Landwirt Hellmanns. Denn auch die Erzeuger seien bei der Entwicklung des privatwirtschaftlichen Labels „Haltungsform“ beteiligt gewesen. „Da bemühen wir uns, ein eigenes Label zu entwickeln und dann ist das nicht gut genug und es müssen nochmal zwei Prozent mehr sein. So was nervt uns total. Aber das ist die Art und Weise, wie in den letzten zehn Jahren immer wieder von allen Seiten von uns mehr Leistung gefordert wird. Zähneknirschend macht man das mit, aber dafür geben immer mehr Betriebe die Schweinehaltung auf.“
Auch interessant
Das Label „Haltungsform“ habe bereits einen hohen Stellenwert, sagt Hellmanns. Damit könne man die Verbraucher bereits gut über die Haltung informieren. „Jetzt haben wir das Gefühl, dass von der Politik ein gut laufendes System vereinnahmt werden soll und man dem seinen Stempel aufdrücken will.“
Umweltverband BUND begrüßt neues Logo
Deutlich positiver haben Tier- und Umweltschützer das neue Label aufgenommen. „Wir haben jahrelang ein einheitliches, staatliches Label gefordert“, sagt.Patrick Müller, Referent für Agrarpolitik beim Umweltverband BUND. „Diese Forderung wurde mit dieser Kennzeichnung eingeführt, was uns prinzipiell sehr freut.“ Andererseits sei es erst ein Anfang. „Das Label gilt nur für Schweinehaltung und auch nur für frisches Fleisch. Da muss noch sehr viel getan werden, damit es ein Erfolg werden kann“, so Müller. „Es muss zum Beispiel auf die anderen Tierarten sowie auf Restaurants und Kantinen, zusammengesetzte und tiefgefrorene Produkte ausgeweitet werden.“
Auf dem Markt gebe es eine Flut an Labels und Kennzeichnungen, bei denen niemand mehr durchblicken könne. „Es gibt etwa 200 verschiedenen Kennzeichnungen und das ist schon eine Form von Verbrauchertäuschung, weil man sich da kaum einlesen kann“, meint Müller. „Deswegen braucht es etwas staatliches.“