Düsseldorf. Nicht mehr lange, dann starten die Weihnachtsmärkte. Für Taschendiebe ein Fest. Wie kann man sich vor ihnen schützen? Ein Selbstversuch.

Die Sonne scheint auf den Marktplatz in Düsseldorf-Oberkassel, meine kleine schwarze Tasche habe ich an diesem Freitagmorgen quer über den Oberkörper geworfen. Langsam beuge ich mich vor und greife zu den orangen Blumen, die mich schon beim ersten Blick auf den Blumenstand begeistert haben. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Frau in heller Jeansjacke und mit blonden, zusammengebundenen Haaren, die schnellen Schrittes an mir vorbeizieht. Mein Blick schweift auf ihre Hände. Darin sehe ich die Geldbörse, die bis vor wenigen Momenten noch in meiner Tasche steckte – gemerkt habe ich von dem Diebstahl nichts.

Schnell dreht sie sich um und kommt mit dem Portemonnaie zurück. Die 45-Jährige ist nämlich keine Taschendiebin, sondern Kriminalhauptkommissarin Martina Sandfort. Im Düsseldorfer Polizeipräsidium arbeitet sie in der Kriminalprävention und kennt jeden Trick der Taschendiebe. „Das Problem ist, dass viele Menschen ihr Geld so offensichtlich verstaut haben und sich keine Gedanken darüber machen, dass sie beklaut werden können“, erklärt die Polizistin.

„Schützen kann man sich, wenn man seine Wertgegenstände eng am Körper trägt“

Zugegeben: Wenn ich das Haus verlasse, ist die Umhängetasche mein ständiger Begleiter. Handy, Portemonnaie, Wohnungs- und Autoschlüssel stecke ich schon ganz automatisch in den kleinen Beutel, dessen Gurt ich dann routinemäßig über die Schulter werfe. Wenn ich mich in den vergangenen Jahren an den Buden der Weihnachtsmärkte vorbeischlängelt habe, habe ich die Tasche auch häufig auf den Rücken geschwungen. Über die Möglichkeit, beklaut zu werden, machte ich mir in diesen Momenten keine Gedanken.

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Taschendiebe haben laut Sandfort einen besonderen Blick dafür, wo ihre Opfer die Wertgegenstände mit sich herumtragen. „Die schauen eine Millisekunde und ahnen sofort, wo das Portemonnaie ist“, so die Düsseldorferin. „Schützen kann man sich, wenn man seine Wertgegenstände eng am Körper trägt, und zwar dort, wo die Täter sie nicht vermuten oder im Zweifel nicht herankommen.“ Dafür empfiehlt Sandfort beispielsweise eine Gürteltasche, „oder man steckt sich das kleine Portemonnaie vorne in die Hosentasche, wo die Diebe es nicht vermuten“.

Taschendiebstähle in NRW: Diese perfiden Tricks nutzen Täter

Viel Trickserei musste die Kriminalistin bei mir nicht anwenden. Ein klassischer Fall von „Gelegenheit macht Diebe“. Bei echten Taschendieb-Profis hätten meine Chancen wohl noch schlechter gestanden: „Meistens sind sie zu zweit oder sogar mit mehreren unterwegs.“ Wenn bald wieder die Weihnachtsmärkte mit Glühwein und Crêpe locken, müsse man besonders aufmerksam sein. „Das Prinzip ist immer dasselbe. Einer lenkt ab, der andere greift zu“, so Sandfort. Dabei geht es laut der 45-Jährigen um wenige Sekunden.

Zahl der Taschendiebstähle in NRW gestiegen: Weitere Tipps

Im vergangenen Jahr wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 39.519 Taschendiebstähle laut polizeilicher Kriminalstatistik erfasst – eine Zunahme von 5,89 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Um sich vor einem Taschendiebstahl zu schützen, rät das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen dazu, Handtaschen dicht am Körper zu tragen. „Wer seine Tasche mit lockerer Hand über der Schulter trägt, macht es Taschendieben leicht, unbemerkt zuzugreifen.“

Besser sei: festhalten, beziehungsweise auf der Körpervorderseite tragen und im Blick behalten. Außerdem sollten Wertsachen in den Innentaschen verstaut werden und Ablenkungsmanöver der Diebe erkannt werden. „Ein vermeintlich versehentliches Anrempeln oder der Hinweis auf den ‚Schmutz‘ an der Jacke sind klassische Tricks, um abzulenken“, so das LKA. Sollte doch mal etwas passieren, sollte man den Vorfall umgehend bei der Polizei melden. Weitere Infos finden Sie hier.

Aufpassen müsse man beispielsweise bei sogenannten „Stau-Erzeugern“, die eine Rolltreppe blockieren und das Opfer sowie weitere Personen auflaufen lassen. „Während die Opfer nach vorne blicken, kann der Komplize oder die Komplizin in die Tasche des Opfers greifen“, erklärt Sandfort. Ähnlich unverdächtig verhalten sich die „Blumenschenker“. Die Diebe begrüßten ihre Opfer freundschaftlich, ganz überschwänglich. Während diese verdutzt reagieren und möglicherweise abgelenkt sind, verschwindet ihr Portemonnaie.

„Falscher Fan“ und „Anrempler“

Und wer am Essensstand „versehentlich“ vom Stehnachbarn bekleckert wird, solle ebenso aufmerksam werden: Der Trick des „Beschmutzers“ sehe vor, das Opfer so stark abzulenken, dass die Geldbörse beim Reinigungsversuch plötzlich verschwindet. „Auch der Trick des ‚Anremplers‘ funktioniert so. Die Diebe stoßen das Opfer im Gedränge an und sobald das Opfer abgelenkt ist, schnappen sie zu.“ Besonders perfide scheint ein weiterer Trick zu sein – der „falsche Fan“. Vermeintliche Fans fragen zum Beispiel nach dem Weg zum Stadion und halten dem Opfer einen Stadtplan vor. Während es versucht, die Karte in die Hände zu nehmen, greifen die Diebe in die Handtasche. „Das geht auf dem Weihnachtsmarkt genauso, wenn die Taschendiebe zum Beispiel nach dem Weg zum Bratwurststand fragen.“

Martina Sandfort ist Kriminalhauptkommissarin im Düsseldorfer Polizeipräsidium.
Martina Sandfort ist Kriminalhauptkommissarin im Düsseldorfer Polizeipräsidium. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Sollte es zu verdächtigen Situationen kommen, solle man nicht vor Angst erstarren. „Es kann ja auch jemand sein, der wirklich nach dem Weg fragt.“ Stattdessen ist es laut Sandfort wichtig, der ganzen Szene selbstbewusst und aufmerksam zu begegnen. „Das A und O ist, dass man seine Wertsachen eben nicht wie einen ‚Tresor‘ frei zugänglich vor oder neben sich her trägt. Wenn das Portemonnaie in einer Innentasche oder in der vorderen Hosentasche verstaut ist, können die Diebe noch so in die Handtasche greifen und finden vielleicht am Ende dann nur eine Bürste, aber eben nicht die Geldbörse.“

Düsseldorfer Kriminalhauptkommissarin rät: Falsche Geldbörse einstecken

Wer Diebe vollends verwirren möchte – so rät die 45-Jährige –, könne in die Handtasche ein altes, leeres Portemonnaie stecken, das richtige aber nah am Körper tragen. Besonders Menschen mit Rollatoren rät die Kriminalhauptkommissarin, ein falsches Portemonnaie vorne in der Gehhilfe bei sich zu führen. „Die Täter sollen ruhig einen vermeintlichen Erfolg haben. Finden sie ein Portemonnaie, hauen sie ab. Auffallen wollen Taschendiebe nämlich auf keinen Fall.“ 

Ob auch ich jetzt anfange, ein falsches Portemonnaie in meiner Tasche durch die Gegend zu tragen, weiß ich nicht. Aber klar ist: Meine richtige Geldbörse wird nun häufiger in Hosen- oder Jackentasche verschwinden. Und wenn ich es doch mal – gewohnheitsmäßig – in meine Umhängetasche stecke, werde ich sie zwischen Glühwein, Kakao und gebrannten Mandeln ganz sicher nicht unbeaufsichtigt auf meinem Rücken hängen lassen.