An Rhein und Ruhr. Zäune reichen oft nicht mehr. Doch problematische Wölfe können nicht einfach getötet werden. Was das für Schäfer am Niederrhein bedeutet.

20.000 Euro habe er für den Herdenschutz erstattet bekommen. Investieren musste Erich Specht aber rund 50.000 Euro, um seine Schafe vor Wölfen zu schützen. Und auch die Instandhaltung koste ihn zwischen 3000 und 5000 Euro – pro Jahr. Und trotzdem gelingt es den Raubtieren immer wieder, die Zäune zu überwinden. Neun Schafe hat er in den vergangenen Monaten bereits verloren, sieben davon waren tragend. Dass Vertreter der EU-Staaten in der vergangenen Woche nun für eine Absenkung des Wolfsschutzes gestimmt haben, halte der Schäfer aus Hünxe daher für den richtigen Schritt.

„Es sind mittlerweile Zustände erreicht, an denen Wölfe entnommen werden müssen. Das ist die einzige Möglichkeit“, sagt Specht im Gespräch mit der Redaktion. Die EU-Vertreter wollen mit der Abstimmung den Weg für eine strengere Reulierung des Wolfsbestands freimachen. Dafür soll der Schutzstatus des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt werden, was den Umgang mit problematischen Wölfen wiederum rechtlich besser absichern könnte. „Genau darum sollte es auch gehen“, findet der Schäfer, der keine große Wolfsjagd sehen will.

Welche Wölfe sollen entnommen werden?

„Es sollten nur die Wölfe entnommen werden, die problematisch sind und schon Herdenschutzmaßnahmen überwunden haben.“ Bei der Wölfin GW954f, am Niederrhein besser bekannt als Gloria, wurde bereits beobachtet, dass sie in der Lage ist, über die 1,20 Meter hohen Herdenschutzzäune zu springen. „Gloria hat ja auch schon Nachwuchs bekommen und kann dieses Wissen daher direkt weitergeben“, vermutet der Schäfer. Um die problematischen Wölfe dann aber auch tatsächlich zu finden, sei auch ein besseres Monitoring erforderlich.

Ein langer Weg

Die Planungen auf EU-Ebene steht noch ganz am Anfang, es folgt nun ein längerer Prozess. Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.

Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich. Anschließend müssen sich auch die Bundes- und die Landesregierung damit beschäftigen, erst dann kann ein möglicher Abschuss geprüft werden.

Würde die Berner Konvention wie gefordert geändert werden, wäre es dennoch ein langer Weg, bis sich auch auf Bundes- oder Landesebene etwas ändern könnte. Specht könne deshalb nicht bis zur Veränderung warten, seine Tiere brauchen den Schutz sofort. „Wir können die Schafe nachts einfach nicht mehr so draußen lassen wie bisher.“ Er habe deshalb einen Nachtferch mit hohem Zaun gebaut, damit die Tiere nachts sicherer sind. Der Kreis Wesel habe ihn dabei mit Materialien unterstützt.

Umweltminister befürwortet die Pläne

Auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) geht davon aus, „dass aufgurnd der langwierigen internationalen Prozesse bis zu einer Änderung der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie noch längere Zeit vergehen wird.“ Dennoch befürworte er die Pläne: „Ich begrüße, dass die EU den Schutzstatus des Wolfs anpassen will und setze darauf, dass jetzt schnell klare Regelungen getroffen werden. Das wird helfen, Wölfe, die erhebliche Schäden verursachen, entnehmen zu können“, heißt es auf Anfrage der NRZ. Bis es soweit ist, stünde Betroffenen bereits eine breite Unterstützung zur Verfügung. „Auch wenn bei uns in NRW derzeit nur etwa ein Prozent aller deutschen Wölfe lebt, ist es wichtig, Weidetiere zu schützen“, so Krischer.

Auch interessant

Werner Schulte, stellvertretender Vorsitzender der Kreisjägerschaft Wesel, erwartet eine Veränderung auf NRW-Ebene in etwa zwei Jahren. Eine lange Zeit, dennoch sei es „ein Schritt in die richtige Richtung. Der Wolf ist hochintelligent und lernfähig. Da können Herdenschutzzäune nicht die einzige Lösung sein.“ Wie genau mit problematischen Wölfen dann in Zukunft umgegangen werden soll, ist aktuell noch offen. Laut Schulte sei die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht aber unumgänglich, um die Lage am Niederrhein wieder in den Griff zu bekommen. Nur so sei es den Jägern ohne rechtliche Bedenken möglich, Wölfe zu entnehmen.

So könnte es in der Praxis ablaufen

Mit dem Jagdrecht ist auch die Pflicht zur Hege der Tiere verbunden. Die Jagd darf daher nur in abgegrenzten Jagdbezirken stattfinden und unterliegt einigen Regeln. Würde man Wölfe ins Jagdrecht aufnehmen, würde die zuständige Hegegemeinschaft in Zusammenarbeit mit der Jagdbehörde einen Abschussplan erstellen, der den aktuellen Bestand des Wolfs berücksichtigt. Das sei auch bei Wild so üblich, erklärt der Jäger.

Beim Wolf gehe es aber nun mal nicht nur um den Schutz dieser Rasse, sondern auch um den Schutz anderer Tiere. „Tierschutz ist wichtig, das gilt nicht nur für Wölfe. Man müsste den Bestand also mit einem säuberlich ausgearbeiteten Managementplan regulieren“, sagt Schulte. Dazu gehöre auch ein verbessertes Monitoring, dass den Jägern dabei helfen würde, die problematischen Wölfe zu identifizieren und zu lokalisieren.

„Mittlerweile ist einfach die Grenze überschritten“

Auch Michael Seegers, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Kleve, hält das für die richtige Vorgehensweise. „Auch Wölfe haben ihre Daseinsberechtigung. Es geht nicht darum, sie auszurotten. Aber mittlerweile ist einfach die Grenze überschritten“, sagt Seegers, der auch mit einigen Landwirten aus der Region Schermbeck in Kontakt steht. „Hier büchsen die Schafe schon aus, weil sie verängstigt sind. Allein mit Herdenschutzzäunen bekommt man das nicht wieder in Ordnung.“

Das sieht der Naturschutzbund Deutschland anders und plädiert für mehr Schutz der Weidetiere. „Den Schutzstatus der Wölfe zu senken, bringt den Weidetierhaltern keine Vorteile, könnte aber den Artenschutz generell enorm schwächen“, so Marie Neuwald, Wolfs- und Beweidungsreferentin des NABU. mit dpa