Kreis Wesel/Bottrop. Die EU will den Schutzstatus von Wölfen senken, was heißt das für das Wolfsgebiet am Niederrhein? Reaktionen aus dem Kreis Wesel und Bottrop.
Die hochemotionale Debatte um den Wolf dürfte nach dieser Ankündigung erneut an Fahrt aufnehmen: Vertreter der EU-Staaten haben in dieser Woche für einen abgesenkten Schutz des Raubtieres gestimmt. Damit wurde in Brüssel der Weg für ein Verfahren freigemacht, um den Bestand des Wolfs strenger regulieren zu können – am Ende soll vor allem der Umgang mit problematischen Wölfen rechtlich besser abgesichert werden. Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt auf geschützt gesenkt werden soll.
Alle Beteiligten und Betroffenen im Kreis Wesel und in Bottrop werden diese Ankündigung auf europäischer Ebene mit großem Interesse verfolgt haben, könnte dieser Kurswechsel doch massive Auswirkungen vor Ort haben. Bundesumweltministerin Steffi Lemke betonte, dass eine Reduzierung des Schutzstatus dem Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität im Umgang mit problematischen Wölfen geben könne, sie sei aber kein Freifahrtschein für ungeregelte Abschüsse. Und: „Der Wolf ist und bleibt eine geschützte Art, sein guter Erhaltungszustand das Ziel.“
Wird der Abschuss von Gloria erleichtert?
Erst Anfang des Jahres war bekanntlich der Kreis Wesel vor Gericht gescheitert, eine Allgemeinverfügung zum Abschuss der Wölfin Gloria wurde juristisch einkassiert. Die Kreisverwaltung begrüßt daher die Entscheidung der EU-Staaten. „Nun ist eine schnelle Umsetzung in europäisches Recht und danach in nationales Recht notwendig, um aus Sicht der Kreisverwaltung zu einem rechtssicheren und pragmatischen Umgang mit problembehafteten Wölfen zu kommen“, heißt es auf Anfrage der Redaktion.
Dies sei drängend für die niederrheinische Landwirtschaft und insbesondere die Weidetierhaltung, aber auch wichtig, um eine grundsätzliche gesellschaftliche Akzeptanz für die Rückkehr des Wolfes in der Bevölkerung beizubehalten, so der Kreis weiter. Zuletzt hatte sich der Kreis noch skeptisch gezeigt, was einen Abschuss der Wölfin Gloria in der Zukunft angeht. Welche praktischen Auswirkungen die geplanten Änderungen auf EU-Ebene für einen Abschuss wirklich haben, lässt sich derzeit noch nicht mit Gewissheit sagen, weil Details unklar sind. Erwartet wird allerdings, dass Problemwölfe künftig leichter abgeschossen werden können.
Ein langer Weg
Die Planungen auf EU-Ebene steht noch ganz am Anfang, es folgt nun ein längerer Prozess. Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.
Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich. Anschließend müssen sich auch die Bundes- und die Landesregierung damit beschäftigen, erst dann kann ein möglicher Abschuss geprüft werden.
Umweltverbände sehen die Pläne erwartungsgemäß kritisch. Selbst wenn Tötungen von Wölfen rechtlich möglich würden, machten sie nicht wirklich Sinn, sagt Rolf Fricke vom Bottroper Naturschutzbund Nabu, der zusammen mit den Nabus im Kreis Wesel und im Kreis Borken eine Arbeitsgemeinschaft zum Wolf bildet: „Es wären auch danach weiterhin Wölfe vor Ort, die nach Tötung eines jagderfahrenen Alttiers unter größerem Druck stünden. Außerdem könnte jederzeit ein Wanderwolf das Gebiet durchlaufen und sich über mangelhaft geschützte Schafe freuen.“
Nabu im Kreis Wesel hat noch Hoffnung auf Änderung
Fricke wiederholt die Einschätzung der Nabu-Vorsitzenden im Wolfsgebiet: Nur guter Herdenschutz helfe. „Bis zu drei Viertel aller Nutztierrisse finden laut Dokumentationsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hinter mangelhaften Zäunen statt. Rund um Schermbeck dürfte der Prozentsatz noch höher liegen“, meint Fricke. „Und so lange das so bleibt, wird es keinen Frieden mit dem Wolf in der Region geben. Denn erst die Gelegenheit macht hier zu oft die Diebe.“
„Ich würde mir wünschen, dass sich die Entscheidungsträger nicht ständig vor sich hertreiben lassen würden“
Sein Nabu-Kollege Frank Bosserhoff aus dem Kreis Wesel hegt die Hoffnung, dass der EU-Vorstoß auf dem langen Weg durch die behördlichen Instanzen noch scheitert. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Entscheidungsträger nicht ständig vor sich hertreiben lassen würden“, sagt er mit Blick auf Forderungen aus der Landwirtschaft und der Jägerschaft, den Abschuss des Wolfes zu erleichtern. Aus Sicht des Nabu gebe es unter den Mitgliedsstaaten der Berner Konventionen (siehe Box) derzeit keine Mehrheit für den EU-Vorschlag und auch weitere Details müssten auf EU-Ebene einstimmig beschlossen werden. „Dies dürfte aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedsstaaten in der EU sehr unwahrscheinlich sein“, schreibt die Wolfs-AG das Nabu in einer Pressemitteilung.
Die Weseler Kreisjägerschaft will nun erstmal abwarten, wie sich die Prozesse auf politischer und rechtlicher Ebene entwickeln. „Das ist weiterhin eine juristische Frage, der Wolf ist nicht im Jagdrecht“, sagt der Vorsitzende Markus Ermen-Zielonka. Das heißt konkret: Auch bei einer Herabsetzung des Schutzstatus dürften die Raubtiere nicht einfach abgeschossen werden. Es wäre weiterhin eine behördliche Verfügung notwendig.
Das sagt Umweltminister Krischer zu den EU-Plänen
Sascha van Beek, designierter Bundestagskandidat und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Wesel, begrüßt die positiven Entwicklungen auf europäischer Ebene hinsichtlich des Wolfsmanagements. Die wachsenden Wolfspopulationen stellten eine immer größere Herausforderung dar, besonders für Landwirte und Schäfer in unserer Region. Die Pläne zur Herabsetzung des Schutzstatus sei ein entscheidender Schritt, der das Wolfsmanagement auf regionaler Ebene erleichtern werde. „Die ersten Schritte wurden auf europäischer Ebene gemacht, aber die Bundesregierung darf jetzt nicht zögern. Wir brauchen klare und praktikable Regelungen für die Zukunft unserer Weidetierhalter“, so van Beek.
Auf Anfrage der Redaktion äußerte sich auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) positiv zu den EU-Plänen. „Das wird uns in Zukunft helfen, Wölfe, die erhebliche Schäden verursachen, entnehmen zu können. Das ist derzeit nach zahlreichen Gerichtsurteilen auf allen Ebenen nahezu unmöglich.“