Essen/Moers. Cristina Fernández García-Moser und Ana Maria Delgado sind als Kinder von Spanien nach Deutschland gekommen. Welche Mannschaft feuern sie an?

Am Freitag treffen im EM-Viertelfinale Deutschland und Spanien aufeinander. Doch mit wem fiebern eigentlich Spanier mit, die seit ihrer Kindheit in Deutschland leben?

Cristina Fernández García-Moser war noch ein Kind, als sie von Spanien nach Deutschland gezogen ist. Während ihre Eltern bereits Anfang der 60er-Jahre auswanderten, blieb sie zuerst noch mit ihrer Schwester in Spanien bei ihrer Tante. 1966 verließ dann auch die damals 7-Jährige ihre Heimat, um zu ihren Eltern nach Deutschland zu ziehen. Aber warum hat ihre Familie Spanien überhaupt verlassen?

Im Zuge des Abwanderungsabkommens 1960 sind zahlreiche Spanier nach Deutschland gekommen

„Mein Vater war Bergmann unter Tage. Bei einer Arztuntersuchung wurde festgestellt, dass er eine Staublunge hatte“, so García-Moser, die heute auch Vorsitzende vom spanischen Elternverein Essen ist. Dadurch konnte er nur noch über Tage arbeiten. „Da hat er aber weniger verdient.“ Um eine besser bezahlte Arbeit zu finden und seine Familie versorgen zu können, ist er schließlich als einer der ersten Gastarbeiter im Januar 1961 nach Deutschland gekommen. Zuvor wurde im März 1960 das Abwanderungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien unterzeichnet, was zum Beginn der spanischen Einwanderung führte.

Cristina Fernández García-Moser ist Vorsitzende des Spanischen Elternvereins Essen. Sie folgte ihrem Vater 1966 nach Deutschland. Sie ist sowohl Essenerin als auch Spanierin.
Cristina Fernández García-Moser ist Vorsitzende des Spanischen Elternvereins Essen. Sie folgte ihrem Vater 1966 nach Deutschland. Sie ist sowohl Essenerin als auch Spanierin. © Essen | Kerstin Kokoska

Seit ihrer Ankunft in Deutschland lebt García-Moser, die heute 65 Jahre alt ist, in Essen. Doch ihre Heimat – Spanien – hat sie nie vergessen. „Ich hatte auch mal überlegt, zurückzuziehen.“ Und damit ist sie nicht alleine. Nach ihrer Erfahrung entscheiden sich einige Spanier dazu, zurückzugehen, wenn sie dort wieder eine Arbeit gefunden haben.

„Ich habe mich schließlich der Liebe willen dagegen entschieden, weil ich hier in Essen meinen Mann kennengelernt habe. Wir haben hier Wurzeln geschlagen und auch unsere Kinder sind hier in Essen geboren.“ Auch heute kann sie sich einen Umzug nicht mehr vorstellen. „Ich bin in Essen verliebt und fühle mich auch als Essenerin.“ Gleichzeitig ist García-Moser aber auch stolze Spanierin. „Man kann einfach nicht verleugnen, wo man herkommt.“

Die Spanierin Ana Maria Delgado fing in Deutschland nochmal völlig von vorne an

Auch Ana Maria Delgado ist als Kind nach Deutschland gekommen. Mit gerade einmal acht Jahren kam sie zusammen mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter am 5. November 1965 nach Repelen. Ihr Vater war bereits 1963 nach Deutschland gekommen. „Ich stamme ursprünglich aus Andalusien. Da wo ich herkomme, haben die Männer früher auf dem Land gearbeitet“, erinnert sich die 67-Jährige. Ihr Vater hatte zwar eine Arbeit, doch viel verdient hat er nicht.

Als die Deutschen Anfang der 60er-Jahre Zechenarbeiter gesucht haben, ist ihr Vater 1963 dem Ruf gefolgt. Obwohl Delgado in Spanien bereits die vierte Klasse absolviert hatte, fing sie in Deutschland nochmal völlig von vorne an. „Ich wurde wieder in die erste Klasse geschickt, weil ich kein Deutsch sprechen konnte.“ Damals habe es noch nicht so viele Deutschkurse für immigrierte Spanier gegeben. „Wir haben damals in einer Zechensiedlung gewohnt. Eine Nachbarin hat meiner Mutter die Sprache beigebracht. Auch gab es dort einen kleinen Einkaufsladen, der Bücher in verschiedenen Sprachen hatte. Darin waren die Lebensmittel auf Deutsch und Spanisch aufgeführt.“

„Ich habe mal darüber nachgedacht, zurückzugehen. Ich habe aber schnell festgestellt, dass das für mich nicht mehr infrage kommt. Ich bin einfach ein Stückchen Moers.“

Ana Maria Delgado
Sie gibt Spanisch-Kurse an der VHS Moers

Delgado ist in Repelen aufgewachsen, hat eine kaufmännische Ausbildung absolviert und später auch ihre eigene Familie in Moers gegründet. Seit 1978 unterrichtet sie zudem Spanisch an der Volkshochschule in Moers und gibt Flamenco-Unterricht. Vor rund 33 Jahren sind ihre Eltern dann zurück nach Spanien gezogen. „Viele aus der Generation meiner Eltern haben sich dazu entschieden, nach ihrem Renteneintritt wieder nach Spanien zurückzugehen“, so die 67-Jährige. Für sie kam der Schritt jedoch nicht infrage. „Mein Mann meinte mal, dass sobald er Rente bezieht, wir mehrere Monate in Spanien verbringen könnten. Da habe ich tatsächlich dann mal drüber nachgedacht, zurückzugehen. Ich habe aber schnell festgestellt, dass das für mich auf Dauer nicht mehr infrage kommt. Ich bin einfach ein Stückchen Moers.“

Laut den beiden Frauen würden sich auch heute noch viele Spanier dazu entscheiden, nach Deutschland zu kommen – auch hochqualifizierte und studierte Fachkräfte. Grund sei weiterhin der finanzielle Aspekt sowie die Korruption im Land. Zum anderen aber auch, weil die medizinische Versorgung hier besser ist. Viele würden bereits mit einem Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen, so García-Moser. „Was ich allerdings kritisiere ist, dass viele keine Deutschkenntnisse benötigen. In den Firmen, in denen sie angestellt werden, wird oft Englisch gesprochen.“ Nach einer acht Stunden Schicht müsse man sich dann erst noch aufraffen, um an einem Deutschkurs teilzunehmen. Genügend Angebote gebe es jedoch, betont Delgado. „Man muss die Sprache aber lernen wollen.“

Wem drücken die beiden Frauen aus Spanien die Daumen im EM-Viertelfinale?

Nun kämpfen Deutschland und Spanien im EM-Viertelfinale um den Einzug ins Halbfinale. Mit wem fiebern die beiden Spanierinnen, die jedoch seit Jahrzehnten fest in Deutschland verwurzelt sind, mit? García-Moser drückt der spanischen Mannschaft die Daumen. Normalerweise schaut sie die Spiele in der spanischen Kommission in Essen, wo in den vergangenen Jahren – sofern die spanische Nationalmannschaft erfolgreich bei der jeweiligen Europa- oder Weltmeisterschaft war – Public Viewings stattgefunden haben. Dieses Jahr jedoch nicht. „Dieses Jahr sind viele der Organisatoren in Spanien, ich selbst bin auch nicht da.“

Sie werde sich das Spiel aber natürlich nicht entgehen lassen und hofft, dass die spanische Mannschaft die Partie gewinnt und den Meisterschafts-Titel holt. Doch bei der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft wolle man wieder ein Public Viewing in der spanischen Kommission veranstalten. „Wir haben dort immer gemeinsam Spiel für Spiel zusammen gezittert und die Siege der Mannschaft gefeiert“, erinnert sich die 65-Jährige. Vor allem 2008 (EM), 2010 (WM) und 2012 (EM), als die spanische Mannschaft die Meisterschaften gewonnen hat. „Vielleicht gelingt der spanischen Mannschaft wieder so ein Erfolg.“

Und auch Ana Maria Delgado wird sich das Spiel anschauen. „Bei mir ist es eigentlich so: Spielt Deutschland, dann bin ich auch für Deutschland. Spielt Spanien, bin ich für Spanien.“ Dass nun ausgerechnet beide Mannschaften aufeinandertreffen ist etwas, was sie sich normalerweise nicht wünscht. „Ich habe aber ja zum Glück zwei Daumen“, betont die 67-Jährige. „So kann ich einen für die deutsche Mannschaft drücken und den anderen für die spanische Mannschaft.“