Essen/Soest. Frank Jäschke wechselte vom gut bezahlten Schlossermeister-Job an die Berufsschule. Er unterrichtet gerne – ein paar Dinge stören ihn trotzdem.

Sobald Frank Jäschke die schulinterne Werkstatt betritt, ist er voll und ganz in seinem Element. Dort unterrichtet er Schülerinnen und Schüler im Fach Metallbau, lässt sie eigene Arbeiten anfertigen, gibt ihnen aber auch Wissen mit auf den Weg, um sie auf das Berufsleben vorzubereiten. Um am Berufskolleg unterrichten zu können, hat der gelernte Betriebsschlosser seine Stelle in einer metallverarbeitenden Firma aufgegeben – und das, obwohl er in seinem alten Beruf sogar mehr verdient hat. Dafür macht er heute jedoch genau das, was er schon immer machen wollte: junge Menschen ausbilden.

„Wir Werkstattlehrkräfte sind mit Ausbildern in Betrieben zu vergleichen“, erklärt Jäschke. Als eigentliche Lehrer gelten sie laut Schulgesetz nicht, weil sie kein Studium abgeschlossen haben. „Die meisten von uns haben eine handwerkliche Ausbildung gemacht und später dann noch einen Meister“, so der 59-Jährige. So auch Jäschke, der selbst 25 Jahre lang in einer metallverarbeitenden Firma tätig war. „Das war ein Bombenjob, gar keine Frage“, betont Jäschke.

Werkstattlehrkräfte vermitteln den Schülern praktische Fertigkeiten

Doch bei einem Tag der offenen Tür des Börde-Berufskollegs in Soest, wo auch seine Frau arbeitet, hatte er seinen alten Berufsschullehrer wiedergetroffen. „Der meinte zu mir, dass es gut wäre, wenn ich an die Schule kommen würde, um Schüler in der Werkstatt auszubilden.“ 2008 hat er sich dann auch auf eine Stelle als Werkstattlehrkraft beworben – mit Erfolg.

2008 hat sich Frank Jäschke am Börde-Berufskolleg in Soest beworben und arbeitet dort seither als Werkstattlehrkraft.
2008 hat sich Frank Jäschke am Börde-Berufskolleg in Soest beworben und arbeitet dort seither als Werkstattlehrkraft. © NRZ | Janine Tiesler

Die Klassen, die er unterrichtet, haben einen deutlich höheren praktischen Anteil. So unterrichtet er die Berufsfachschulklassen im Bereich Metalltechnik, bei dem die Schüler auch ihren Hauptschul- oder Realschulabschluss mit Qualifikation nachholen können. Zudem unterrichtet er sogenannte AV-Klassen, in denen Schüler sitzen, die nach der 9. Klasse abgegangen sind. Neben dem Vermitteln von praktischen Fertigkeiten, um die Schüler auf einen Beruf vorzubereiten, gehört auch etwas Theorieunterricht dazu. „Die Schüler müssen schließlich verstehen, was sie da machen. Auch bringe ich ihnen was zum Arbeits- und Brandschutz bei und gebe Einweisungen für unsere Maschinen und Geräte“, so Jäschke. „Es ist eine abwechslungsreiche Tätigkeit.“

Werkstattlehrkräfte werden deutlich schlechter bezahlt

Doch obwohl ihm die Arbeit viel Freude bereitet, gibt es auch einige massive Unterschiede im Vergleich zu seinen Theoriekollegen. So beispielsweise bei der Arbeitszeit. „Wir Werkstattlehrkräfte müssen 30 Stunden die Woche unterrichten. Die Theoriekollegen hingegen 25,5 Stunden“, so Jäschke. Zwar habe der 59-Jährige keine Klausuren zu korrigieren, doch geht seine Arbeit nach dem Unterricht ebenso weiter. „Ich habe Vor- und Nachbereitungen, die ich machen muss, oder schaue mir die Arbeiten der Schüler an, um sie zu bewerten.“

Doch nicht nur bei den Arbeitszeiten gibt es Diskrepanzen. Werkstattlehrkräfte werden im Vergleich zu den Theoriekollegen auch deutlich schlechter bezahlt. Lehrkräfte der Sekundarstufe II gehören, sofern sie verbeamtet werden, der Besoldungsgruppe A 13 an. „Werkstattlehrkräfte werden hingegen im Einstiegsamt A 9 eingestellt. Und dann auch nur, wenn man verbeamtet ist. Ich bin beispielsweise nur angestellt und werde daher nach EG 9 vergütet“, so Jäschke.

Bezahlung von Werkstattlehrkräften im Vergleich zu Theoriekollegen

Schaut man sich die Besoldungstabelle der Finanzverwaltung des Landes NRW für Beamte an – die im Internet unter www.finanzverwaltung.nrw.de abrufbar ist – wird deutlich, welche massiven Unterschiede es in der Bezahlung von Werkstattlehrkräften und Theoriekollegen gibt. Lehrkräfte der Sekundarstufe II, die der Besoldungsgruppe A 13 angehören, verdienen monatlich 4588,38 Euro brutto (zu Beginn in Erfahrungsstufe 5). Werkstattlehrkräfte bekommen hingegen anfangs nur 2953,03 Euro brutto (zu Beginn in Erfahrungsstufe 3).

Selbst in gleicher Erfahrungsstufe verdienen Werkstattlehrkräfte weniger als die Theoriekollegen zu Beginn ihrer Tätigkeit. In Erfahrungsstufe 5 verdienen sie nämlich nur 3185,96 Euro brutto. Kommt zudem hinzu, dass eine Werkstattlehrkraft nicht verbeamtet ist, wird man nach EG 9 bezahlt. Das entspricht laut Jäschke nochmal rund 300 bis 400 Euro weniger, als verbeamtete Werkstattlehrkräfte verdienen.

„Es läuft letztendlich immer wieder darauf zurück, dass wir nicht studiert haben. Dabei haben wir einen Beruf gelernt, den Meister gemacht und Erfahrungen in Betrieben gesammelt. Aber der Meister wird eben nicht so angesehen, wie ein abgeschlossenes Studium“, ärgert sich Jäschke. Im Betrieb habe er deutlich mehr verdient. „Ich habe auch mal darüber nachgedacht, in meinen Beruf zurückzukehren.“

Arbeitsplatzbeschreibung der Werkstattlehrkräfte stammt noch von 1969

Hinzu komme zudem, dass Werkstattlehrkräfte keine wirklichen Aufstiegsmöglichkeiten haben, es sei denn, sie holen ein Studium nach. „Auch bekommen Beamte eine Pension, die rund 70 Prozent ihrer letzten Bezüge entspricht. Ich hingegen bekommen mit Glück 48 Prozent meiner letzten Bezüge als Rente“, so Jäschke. „Auch falle ich nach sechs Wochen ins Krankengeld, die verbeamteten Kollegen nicht.“

Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs in NRW kritisiert zudem, dass die Arbeitsplatzbeschreibung der Werkstattlehrkräfte noch von 1969 stammt. Sprecher Frank Hoppen betont: „Die Werkstattlehrkraft, die in der ursprünglich aus dem Jahr 1969 stammenden Arbeitsplatzbeschreibung beschrieben wird, gibt es in der Schulrealität nicht mehr. Sie mussten sich genau wie ihre Theoriekollegen allen Herausforderungen wie der Digitalisierung, dem sprachsensiblen Unterricht oder der Inklusion stellen.“

Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs fordert die Reformierung der Ausbildung für Werkstattlehrkräfte

Des Weiteren würden Werkstattlehrkräfte ebenso völlig eigenständig unterrichten, ihren fachpraktischen Unterricht vorbereiten und fester Bestandteil der pädagogisch-didaktischen Arbeit im Bildungsgangteam sein. „Somit sind Werkstattlehrkräfte häufig in einer richtigen Zwickmühle. Beschränken die Werkstattlehrkräfte ihre Tätigkeiten auf den erlasskonformen Umfang und Einsatz, (keine Klassenlehrertätigkeit, keine Mitarbeit in der Bildungsgangarbeit, kein Theorieunterricht), geraten diese häufig mit ihren Schulleitungen und Theoriekollegen aneinander.“

Ebenso bezeichnet es Hoppen als „skandalös“, dass die Ausbildungsverordnung für Werkstattlehrkräfte noch aus dem Jahr 1973 stammt und seither nicht reformiert wurde. „Wenn man bedenkt, dass die Kultusministerkonferenz in regelmäßigen Abständen die Standards für die Theorielehrkräfte in den Bereichen Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren an die vielfältigen neuen Herausforderungen der modernen Schulwelt anpasst, wundert es einen um so mehr, dass sie sich so gar nicht um die Reformierung der Ausbildung der Lehrkräfte für Fachpraxis bemüht.“

GEW NRW fordert eine faire Bezahlung für Werkstattlehrkräfte

Und auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht Handlungsbedarf, um die Situation für Werkstattlehrkräfte zu verbessern, denn: „Mit ihrer Expertise sind sie nicht nur in Zeiten von Lehrkräftemangel eine bedeutende Säule, wenn es um die Absicherung von guter berufspraktischer Ausbildung geht“, so Martin Berns, kommissarischer Geschäftsführer der GEW NRW. Daher fordert die GEW für Werkstattlehrkräfte „eine Eingangsbesoldung (A 10), die der ausgeübten Tätigkeit entspricht und auch dafür sorgt, dass diese Beschäftigten am Berufskolleg bleiben oder aber von der freien Wirtschaft zum Berufskolleg wechseln.“ Neben der fairen Bezahlung sollten laut GEW auch Weiterqualifizierungsmaßnahmen für Werkstattlehrkräfte unter dem Aspekt der Attraktivitätssteigerung eingeführt werden.

Trotz aller Diskrepanzen würde sich Frank Jäschke dennoch immer wieder für die Laufbahn als Werkstattlehrkraft entscheiden. „Wenn ich ehemalige Schüler treffe und sie mir sagen, dass sie ohne mich nicht da wären, wo sie heute sind, weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.“