An Rhein und Ruhr. In Wesel dürfen Asylsuchende arbeiten. Das zuständige Integrationsministerium hält dies nicht für nachhaltig. Arbeitsminister widerspricht.
In Wesel sollen künftig bestimmte Flüchtlinge arbeiten, die dies bisher nicht durften. Das entschied der Stadtrat am Dienstagabend. Die Ratsmitglieder erhoffen sich dadurch, die Integration der Menschen fördern zu können. Diesen Effekt jedoch zweifelt das Flucht- und Integrationsministerium an. Ministerin Josefine Paul (Grüne) spricht sich besonders gegen eine Arbeitspflicht aus. Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dagegen begrüßt die Entscheidung und sieht Chancen, lehnt eine Pflicht aber ebenfalls ab.
Integrations- und Arbeitsministerium mit unterschiedlicher Bewertung
„Arbeitsmarkt- und sozialpolitisch ist es zu begrüßen, wenn die Menschen, die in dieses Land kommen, so schnell wie möglich eine sinnvolle Aufgabe haben und in geregelte Tagesabläufe kommen“, sagt Arbeitsminister Laumann der NRZ. Arbeitsgelegenheiten seien nicht zuletzt im Interesse der geflüchteten Menschen selbst. „Besonders außerhalb der Einrichtungen bieten sie viele Chancen: für die Integration, für den Spracherwerb, um Einheimische kennenzulernen. Ich bin mir sehr sicher, dass die allermeisten Menschen, die nach Deutschland kommen, auch arbeiten wollen.“
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Das Flucht- und Integrationsministerium teilt dagegen mit, dass bei Arbeitsgelegenheiten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes ein beschäftigender Aspekt im Vordergrund stehe. „Sie sind überwiegend kein Instrument erfolgreicher Arbeitsmarktintegration“, so eine Sprecherin. Diese Annahme werde durch eine Studie der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung gestützt. Demnach wirken sich „Arbeitsgelegenheiten langfristig nicht positiv auf die Aufnahme einer regulären Beschäftigung und das Verlassen der Grundsicherung aus“, sagt die Sprecherin weiter.
Flüchtlinge übernehmen Arbeiten in den Unterkünften
Ministerin Josefine Paul betont, dass „der Fokus auf einem schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt liegen muss, insbesondere, wenn die Menschen Kommunen zugewiesen sind.“ Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten können die Kommunen Arbeitsgelegenheiten anbieten. „Insbesondere in den Unterkünften des Landes wird davon Gebrauch gemacht und von den Geflüchteten auch sehr gerne angenommen“, erklärt Paul der NRZ.
Eine solche Gelegenheit bietet die Caritas in Dinslaken und Wesel demnächst an, wie Direktor Michael van Meerbeck berichtet: Die Häuser des Caritas-Übergangswohnheims „An der Fliehburg“ in Dinslaken sollen von den Geflüchteten selbst neu angestrichen werden. „Wir erleben die Menschen als bereitwillig, auch Verantwortung für ihr eigenes Umfeld zu übernehmen“, so van Meerbeck. „Die Menschen wollen arbeiten. Die meisten, denen wir begegnen sind ehrlich, redlich und bemühen sich.“ Ein Zwang, wie er nach der Gesetzeslage möglich wäre, sei daher nicht nötig, so der Caritasdirektor.
Wer arbeiten darf und wie bezahlt wird
Zielgruppe der Ratsentscheidung in Wesel sind Geflüchtete, die eine Leistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sich also in der Regel im Asylverfahren befinden. Außerdem müssen sie mindestens 18 Jahre alt und gesund sein, dürfen weder anderweitig arbeiten noch zur Schule gehen oder studieren. Zudem gehen Sprach- und Integrationskurse immer vor. Rund 140 Asylsuchende sind nach Angaben der Stadt potenzielle Kandidaten, davon müssten jedoch noch Schüler oder Studenten, Minijobber und Sprachkurs-Teilnehmer abgezogen werden. Danach seien es rund 50 Flüchtlinge, die in Frage kommen.
Vorgesehen ist pauschale Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde, mehr als 20 Stunden pro Wochen dürfen von einer Person nicht geleistet werden. Die Stadt Wesel rechnet deshalb für das Jahr 2025 mit Kosten von 40.000 Euro für den Arbeitseinsatz sowie je 5000 Euro unter anderem für die persönliche Schutzausrüstung und die Materialbeschaffung.
NRW-Minister sprechen sich gegen Arbeitspflicht aus
Eine solche Pflicht wird derzeit in Essen diskutiert. Bereits im Februar hatte die Stadt angekündigt, prüfen zu lassen, ob Flüchtlinge für gemeinnützige Arbeiten verpflichtet werden können. Wie eine Sprecherin der NRZ nun sagt, dauern diese komplexen Prüfungen weiter an. „Dabei sind wir nicht nur im interkommunalen Austausch, sondern auch in Gesprächen auf Landes- und Bundesebene. Eine bundeseinheitliche Lösung wie in Wesel gefordert, wäre natürlich auch in Essen erwünscht“, so die Stadtsprecherin. „Vor allem vor dem Hintergrund, dass das Asylbewerberleistungsgesetz aktuell keine Finanzierungsmöglichkeiten hierfür abbildet.“
Auch Arbeitsminister Laumann sieht für eine solche Pflicht aber keinen Anlass, wie er sagt. Und Integrationsministerin Paul meint: „Eine generelle Pflicht für jeden Geflüchteten ist abzulehnen, auch weil es zu einem hohen Verwaltungsaufwand in den Kommunen führen würde.“
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Auch bei der Stadtreinigung können Asylsuchende eingesetzt werden
Im Weseler Stadtrat ging es schließlich eher um die Möglichkeit, dass Flüchtlinge arbeiten dürfen und weniger um Zwang. So sollen künftig „Arbeitsgelegenheiten“ für bestimmte Geflüchtete geschaffen werden, die bisher weitgehend nicht arbeiten dürfen. Der Stadtrat entschied sich mehrheitlich mit nur einer Gegenstimme von Die Partei dafür, dass Konzept schnellstmöglich umzusetzen.
Dabei geht es zum einen um Arbeiten, die direkt in den Unterkünften erledigt werden können, zum Beispiel das Putzen der Gemeinschaftsräume, die Kontrolle der Mülltrennung, die Verwaltung von Spielgeräten oder Dolmetschertätigkeiten. Aber auch bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern seien Arbeiten laut Gesetzeslage möglich. Wie die Weseler Verwaltung in ihrer Vorlage für die Ratssitzung erklärte, komme dafür insbesondere der städtische Entsorgungsbetrieb infrage.
Welche Jobs Asylsuchende nicht übernehmen dürfen
Nach der derzeitigen gesetzlichen Regelungen seien Tätigkeiten in der Privatwirtschaft auf dem freien Arbeitsmarkt nicht möglich, stellt eine Sprecherin des Integrationsministeriums klar. „Bei Arbeitsangelegenheiten bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern muss es sich um eine Tätigkeit handeln, welche die Kommune normalerweise nicht mit fest angestelltem Personal verrichten würde.“
Durch die Vorgabe der Trägerschaft und die stark einschränkende, zusätzliche Voraussetzung solle sichergestellt werden, dass die Arbeitsgelegenheiten nicht in Konkurrenz zu Beschäftigungsverhältnissen auf dem regulären Arbeitsmarkt entstehen, so die Sprecherin weiter. „Somit kommen beispielsweise Hausmeistertätigkeiten, für welche in der Regel eine entsprechende Planstelle ausgeschrieben wird, nicht in Betracht.“