An Rhein und Ruhr. Um die Personalnot zu lindern, plant die Bundesregierung eine Verkürzung der Isolationszeit. Der Vorstoß geht einigen Experten nicht weit genug.

Die hohen Infektionszahlen fachen die Diskussion um gelockerte Quarantäne-Regeln weiter an. Zahlreiche Krankenhäuser in NRW arbeiten derzeit im Notfallbetrieb. Das St.-Antonius-Hospital Kleve musste Ende März wegen corona-bedingter Ausfälle sogar seinen Kreißsaal für einige Tage schließen. Auch in Emmerich, Essen und anderen Städten klagen Kliniken über Personalmangel. Planbare OPs werden verschoben, Patienten wieder weggeschickt.

Doch nicht nur im Gesundheitswesen hat die Zahl der Personalausfälle in den vergangenen Wochen spürbar zugenommen: „Zuletzt waren 1.268 Mitarbeitende erkrankt“, sagt Essens Stadtsprecherin Silke Lenz. Das seien rund 12,3 Prozent der Belegschaft. Im Außendienst liege die Ausfallquote in der Essener Verwaltung sogar bei knapp über 20 Prozent. „Es gibt derzeit natürlich entsprechend personelle Engpässe in einigen Bereichen, die so gut es geht, kompensiert werden“, so Lenz.

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In der Oberhausener Verwaltung sei die Personalsituation durch den erhöhten Krankenstand angespannt. Im Einwohnermeldeamt gebe es „erhebliche Einschränkungen, sodass derzeit Wartezeiten auf Termine entstehen“, so Stadtsprecher Martin Berger. „Ansonsten können alle Dienstleistungen der Stadtverwaltung uneingeschränkt sichergestellt werden.“ Die Mitarbeiter würden die Ausfälle so gut es geht kompensieren. Dies führe zu einer „zusätzlichen Belastung in allen Bereichen“.

Lungenarzt Voshaar: „Die Infektionen brennen sich durch die Bevölkerung“

Auch in Emmerich sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren. „Aktuell befinden sich überdurchschnittlich viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung wegen eines positiven Corona-Tests in häuslicher Quarantäne“, sagt Stadtsprecher Tim Terhorst. „Jedoch sind relativ wenige von ihnen erkrankt.“ Der Moerser Lungenarzt Dr. Thomas Voshaar fordert deshalb, für symptomfreie Infizierte und deren Kontaktpersonen die Quarantäne-Pflicht aufzuheben: „Es reicht, wenn die eine Maske tragen.“

Aktuell seien so viele Infektionen im Umlauf, dass sich Bürgerinnen und Bürger ohnehin anstecken würden. „Die Infektionen brennen sich durch die Bevölkerung“, so Voshaar. „Wir wissen, dass etwa 50 Prozent der Infizierten gar nicht bemerken, dass sie sich infiziert haben. Wenn wir endlich aufhören, alle Infizierten und Kontaktpersonen in Quarantäne zu stecken, haben wir auch wieder mehr Menschen, die auf der Arbeit sind.“

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Der Lungenarzt ist mit seiner Forderung nicht allein: Auch Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hatte jüngst das Ende der Isolationspflicht für symptomfrei infizierte Personen gefordert. So ließe sich die Personalsituation in den Krankenhäusern entschärfen. Und auch Christof Rasche, FDP-Fraktionschef im NRW-Landtag, sprach sich am Freitag für weitergehende Lockerungen aus: „Ich würde mir persönlich noch mehr Mut wünschen“, so Rasche auf NRZ-Anfrage. „Wer symptomfrei ist, sollte sich bereits nach drei Tagen freitesten können.“

Quarantäne-Lockerungen: Bundesregierung plant eine Fünf-Tage-Regel

Die Forderungen von Medizinern, Verbänden und Politikern fallen in eine Zeit, in der die Bundesregierung und Experten ohnehin über eine Anpassung der Quarantäne-Regeln diskutieren. Bislang müssen sich Infizierte und deren Kontaktpersonen für zehn Tage isolieren – es sei denn, sie testen sich nach frühestens sieben Tagen frei. Ausgenommen von der Quarantänepflicht sind geimpfte oder genesene Kontaktpersonen.

Ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert Koch-Instituts (RKI) sieht vor, die Isolierung auf fünf Tage zu reduzieren und sich anschließend täglich zu testen. Zudem soll es sich künftig um eine „freiwillige“ Quarantäne handeln. Das bedeutet laut Informationen der Deutschen-Presse-Agentur, dass die formelle Anordnung des Gesundheitsamtes, die häufig jetzt schon nicht mehr erfolge, in Zukunft entfallen könnte. Infizierte und deren Kontaktpersonen müssten dann künftig eigenverantwortlich die Quarantäne-Regelungen umsetzen.

Eine Drei-Tage-Quarantäne für symptomfreie Infizierte oder gar eine von Voshaar und Kassenärzte-Chef Gassen geforderte Befreiung symptomfreier Personen von der Isolationspflicht sind derzeit allerdings nicht geplant.