Hünxe. Am 30. März 1987 verunglückte ein britisches Kampfflugzeug in Hünxe. Mehrere Häuser wurden durch herumfliegende Trümmer beschädigt.
Es ist gegen 9 Uhr, im Haus von Helene Schweder klingelt das Telefon. Sie steht aus dem Sessel im Wohnzimmer auf, um den Anruf entgegen zu nehmen. Sie hat kaum das Zimmer verlassen, da bricht hinter ihr die Welt zusammen: Ein Metallteil durchschlägt das Dach und zerstört den Sessel, in dem sie kurz vorher noch gesessen hat. Es ist der 30. März 1987, ein Tag, der das Leben der Menschen am Waldheideweg verändert hat. Es ist der Tag, an dem unweit der Häuser ein Kampfflugzeug der Royal Air Force abgestürzt ist.
Erst ist eine Explosion zu hören, dann prasseln Trümmerteile auf die Häuser nieder, durchschlagen Wände, zerstören Fenster und Türen. Verwüstungen werden später an 30 bis 40 Häusern festgestellt. Im NRZ-Bericht über den Absturz wird ein Polizist zitiert: „Die Trümmer sind bei einigen bis ins Wohnzimmer geflogen.“ Der Sachschaden ist gewaltig.
Sie kommen von der linken Rheinseite herangeschossen
An diesem Morgen starten vier Kampfflugzeuge des Typs Tornado der britischen Armee vom Militärflugplatz in Brüggen. Ihr Ziel ist wie schon häufiger Hünxe. Sie kommen von der linken Rheinseite herangeschossen, die Piloten drücken dann die Maschinen in den Tiefflug. Sie orientieren sich bei diesen Übungsflügen an den Kaminen des Steag-Kraftwerks in Möllen, an dem Wesel-Datteln-Kanal und an der Lippe.
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Zur Übung nehmen sie die Schleuse Hünxe ins Visier, donnern über die Häuser hinweg und verschwinden über dem Dämmerwald. Zurück bleiben verschreckte Kinder, die panisch auf den Krach der Kampfflugzeuge reagieren, zurück bleiben Niederrheiner, die gegen die Tiefflüge protestieren. Die Bomber sollen nicht über Wohnhäuser und Industrieanlagen ihre Übungsrunden drehen. Bislang verhallt dieser Protest.
Anwohner hören lauten Knall
An diesem 30. März 1987 gerät der Übungsflug außer Kontrolle. Augenzeugen geben später an, dass der in einer Formation mit drei anderen Maschinen fliegende Tornado ins „Trudeln“ geriet. Die Piloten steigen über einem Wäldchen aus, retten sich mit dem Schleudersitz. Knapp 1000 Meter weiter streift die Maschine ein paar Baumkronen, explodiert und schlägt auf einen Acker am Südturmweg/Ecke Weseler Straße auf. „Es sah aus wie ein riesiger Feuerball“, wird im NRZ-Bericht über den Absturz ein Augenzeuge zitiert.
Mit der Nase nach unten bohrt sich die Maschine in die Erde. Und auf die Wohnhäuser prasseln die Trümmer. Für Hermann Hansen, der seit 1985 Gemeindedirektor in Hünxe ist, beginnt der 30. März 1987 mit einer Besprechung im Rathaus. Gegen 9 Uhr hören die Teilnehmer einen gewaltigen Knall. „Die Scheiben bewegten sich“, erinnert er sich.
Mehrere Häuser werden in Mitleidenschaft gezogen
Man habe sofort gewusst, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein muss, dass es sich um den Absturz eines Flugzeuges handeln muss. „Ich bin zur Waldheidesiedlung gefahren. Man glaubte, der Pilot sei noch in der Maschine“, so Hansen. Die Feuerwehr ist schon vor Ort. Der Leiter der Waldschule organisiert einen Bus, mit dem die Kinder nach Hause gebracht werden.
Die Schäden an den Häusern werden in Augenschein genommen, es wird geschaut, ob Personen zu Schaden gekommen sind, die Suche nach den Piloten beginnt. Die Sorge, dass sich scharfe Munition an Bord befand und vielleicht noch auf den Feldern und in den Gärten rund um die Absturzstelle liegen könnte, räumt ein Militär aus dem Weg.
Glück im Unglück: Beide Piloten konnten sich retten
Er versichert, dass an Bord nur vier drei Kilo schwere Übungsbomben gewesen seien. Die beiden Piloten, die in der abgestürzten Maschine saßen, konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Einer von ihnen muss aus einem Baum, in dem der mit seinem Fallschirm hängen blieb, gerettet werden. Weil keine Leiter ausreichend lang ist, warten die Rettungskräfte auf ein Hubschrauber, damit der Mann aus der misslichen Lage befreit werden kann. Er konnte sich selbst nicht befreien, weil er einen Armbruch erlitten hatte, hieß es damals in einem Bericht der NRZ.
Den Militärs ging es darum, die Wrackteile zu sichern, herauszufinden warum die Maschine abstürzte. Die Menschen, deren Häuser durch Trümmerteile beschädigt wurden, machten sich Sorgen, wer die Reparaturkosten übernehmen würde. Die von der Gemeinde angebotene Hilfe lehnen die britischen Soldaten ab, aber die Anwohner sind dankbar dafür. Ihnen wird bei der Dokumentation der Schäden geholfen, Kontakt mit einer Versicherung aufgenommen und Räume für Besprechungen zur Verfügung gestellt.
Gebrochener Bolzen war Ursache für Unfall
Rund um die Absturzstelle ist das Gebiet abgeriegelt, in der Waldschule beziehen die Briten ihr Quartier. „Es hätte auch anders ausgehen können, die Maschine hätte in die Raffinerie stürzen können, auf Häuser der Waldheidesiedlung, auf die Schule“, blickt Hermann Hansen zurück. Die Piloten konnten das noch verhindern. „Es grenzt an ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist“, fügt Hansen hinzu.
Als Ursache für den Absturz des Tornados wird ein gebrochener Bolzen ausgemacht. Dadurch konnte der Pilot den Düsenjet nicht mehr steuern. In den Tagen nach dem Unglück suchen Soldaten die Felder und die Gärten ab, sammeln die Trümmer auf. Erst einige Wochen später wird der Bolzen entdeckt. Die Schäden an den Häusern werden beseitigt, die Besitzer bleiben nicht auf den Kosten sitzen. Über die Düsenjets, die sehr tief geflogen seien, hätten sich damals alle aufgeregt, sagt Hermann Hansen.
Widerstand verschärfte sich nach Absturz
Nach dem Tornado-Absturz verschärft sich der Widerstand, die Forderung nach einem Verbot von Tiefflügen über Wohnorte und Industrieanlagen wird lauter. Und so kam es dann auch. Eine Vereinbarung mit den USA machte es möglich, dass Piloten nach Amerika fliegen mussten, um dort Tiefflüge üben zu können. Auf der Fläche, auf die das Flugzeug abstürzte, stehen heute einige Bäume. Es bleibt die Erinnerung an den Tag, an dem ein Tornado vom Himmel fiel.