Vught. Sohn des Ex-Anführers Ridouan Taghi verhaftet. Sein Nachfolger befindet sich auf der Flucht.

Die Zeiten sind vorbei, in denen der langjährige Staatsfeind Nummer eins das Land ungestraft in Angst versetzen konnte. Ridouan Taghi (47) sitzt längst im Knast, nun geht es auch seinem engsten Umfeld an den Kragen. Kommende Woche beginnt in Rotterdam ein Prozess gegen seine ehemalige Anwältin, weil sie Anweisungen ihres in Isolationshaft sitzenden Klienten an Mitglieder seiner Bande überbracht haben soll.

Taghi wiederum lamentiert aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Vught bei ’s-Hertogenbosch heraus, dass er sich um seinen Sohn sorge, der in Dubai verschollen sei.

Alles Wichtige zur Mocro-Mafia:

1. Wer ist dieser Ridouan Taghi?

Wenn Taghis Name in der Zeitung steht, geht es um Mord, Folter, jede Menge Drogen und viel Geld. Bis zu seiner Verurteilung war er ein ganz hohes Tier bei der Mocro-Mafia.

2. Warum ist der Drogenboss in Sorge?

Taghis Sohn ist ebenfalls Angehöriger des kriminellen Milieus. Der 22-jährige Adil Taghi war in der Wüstenstadt vor einigen Monaten wegen des Vorwurfs festgenommen worden, mit Drogen gehandelt zu haben. Er soll seitdem irgendwo in den Vereinigten Arabischen Emiraten gefangen gehalten werden – was den Vater umtreibt. Ridouan Taghi ließ seinen neuen Anwalt einen Brief ans Außen- und an das Justizministerium schicken. Darin fordert der Maastrichter Verteidiger Sjoerd van Berge Henegouwen die Regierung auf, „unverzüglich“ bei der Suche nach dem Sohn zu helfen. „Seit dem 7. November 2024 hat die Familie nichts mehr von Adil Taghi gehört“, schreibt der Jurist.

Fluchtpunkt Dubai: Auch Ridouan Taghi war dort im Dezember 2019 festgenommen worden. Ebenso ein weiterer Sohn, der 2023 eingebuchtet und mittlerweile nach Holland überstellt wurde.

Die glitzernde Wüstenmetropole Dubai ist ein Fluchtpunkt für Kriminelle aus Europa.
Die glitzernde Wüstenmetropole Dubai ist ein Fluchtpunkt für Kriminelle aus Europa. © AFP | FADEL SENNA

3. Wie wurde Ridouan Taghi zum gefürchteten Kriminellen?

Er ist ein Phantom, von dem kaum Fotos existieren. Was über ihn bekannt ist, hat die Öffentlichkeit überwiegend während des spektakulären Mammutprozesses erfahren, an dessen Ende Taghi im Februar 2024 für sechs Auftragsmorde und vier Versuche zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist: Geboren in Marokko, als er drei war, wanderten seine Eltern nach Holland aus. Der früh verstorbene Vater betrieb eine Halal-Metzgerei in Amsterdam, Ridouan wuchs in Utrecht auf.

Schon als Schüler verkaufte er Haschisch auf dem Schulhof, sein Spitzname seitdem: „De Kleine“. Anfang der 90er-Jahre schloss er sich einer Jugendgang an und übernahm nach und nach die Führungsrolle. Später organisierte er den Schmuggel von Marihuana aus Marokko über Spanien in die Niederlande. So stieg er auf zum Chef einer Gruppe, die in der Szene als „Todesengel“ bekannt war. Ermittler zählen sie zur Mocro-Mafia, diesem Sammelbecken niederländischer Unterweltgrößen. „Es geht hier um skrupellose und zersetzende Gewalt, bei der ein Menschenleben nichts wert ist“, stellten die Richter fest. „Die Gesellschaft muss maximal vor ihm geschützt werden.“

4. Wer waren Taghis Opfer?

Seit 2012 eine Drogenlieferung im Hafen von Antwerpen verschwand, wütet ein Krieg zwischen einzelnen Mocro-Banden. Taghi unterstand eine Einheit von Killerkommandos, die Rivalen, Überläufer und Spitzel aus dem Weg räumten. Wer auf der „Schwarzen Liste“ stand, wurde erschossen. Der Terror richtete sich auch gegen Anwälte, Richter sowie Journalisten. 2021 wurde der prominente Kriminalreporter Peter R. de Vries (†64), der am Taghi-Prozess teilgenommen hatte, auf offener Straße erschossen.

Der Kriminalreporter Peter R. de Vries 2021 auf dem Weg zum Taghi-Prozess. Vier Monate später wurde er ermordet.
Der Kriminalreporter Peter R. de Vries 2021 auf dem Weg zum Taghi-Prozess. Vier Monate später wurde er ermordet. © dpa | Robin Van Lonkhuijsen

5. Ist nach Taghis Verurteilung ein Machtvakuum entstanden?

Anscheinend nicht. Die Mocro-Mafia gleicht einer Hydra. Ihr Einfluss ist weiterhin groß, wie die Explosionen in NRW auf wortwörtlich erschütternde Weise zeigen. Als Taghis Nachfolger gilt Jos Leijdekkers (33) aus Breda. Interpol sucht nach ihm. Nach Informationen aus Polizeikreisen hält er sich mit gekauftem türkischen Pass am Bosporus auf. Dubai ist für die Mocro-Gangster nicht mehr sicher. Man pflege, teilt die niederländische Polizei mit, eine „intensive Zusammenarbeit“ mit den Kollegen in Dubai.