Rotterdam. Immer mehr Kokain gelangt über Rotterdam nach Europa. Der Cannabis-Anbau nimmt in den Niederlanden dagegen ab – aus diesem Grund.
Das Einfallstor der Drogenschmuggler liegt 40 Kilometer vom Rotterdamer Stadtzentrum entfernt. Kräne ragen in den Himmel, riesige Pötte fahren aus der Nordsee in die Containerterminals ein, Hafenschlepper sorgen dafür, dass beim Anlegen und Festmachen nichts schief geht. Sieben Becken umfasst das riesige Industrieareal namens Maasvlakte, pro Jahr laufen etwa 30.000 Seeschiffe den Rotterdamer Hafen an. Manche von ihnen bringen nicht nur Ananasse und Bananen nach Europa, sondern tonnenweise Rauschgift aus Südamerika.
In Europa wird heute mehr Kokain angeboten als je zuvor, und das liegt auch an der holländischen Verkehrsinfrastruktur. Sie ermöglicht es Kriminellen, Waren über Europas größten Hafen schnell weiterzuverteilen. In den Niederlanden wurden 2023 Behördenangaben zufolge fast 60 Tonnen Kokain beschlagnahmt, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Immer bedeutendere Drogenfunde auch in anderen europäischen Häfen deuten einem aktuellen niederländischen Polizeibericht zufolge darauf hin, dass der Kokain-Import zunimmt. Trotz großer Erfolge von Fahndern „bleiben die Niederlande ein wichtiger Knotenpunkt im weltweiten Drogenhandel“, heißt es in dem Bericht „Drogenkriminalität im Fokus“ zum Rauschgifthandel der vergangenen vier Jahre.
Kokain gelangt in Obstkisten nach Rotterdam
Das Kokain wird in der Regel in Seecontainern geschmuggelt, beispielsweise versteckt in Obstkisten. An den Containerhäfen von Rotterdam sowie im belgischen Antwerpen sind zwar Drogenspürhunde und Polizeitaucher im Einsatz. Die Behörden befürchten trotzdem, dass sie nur einen Bruchteil der illegalen Drogenliefrungen entdecken. „Nach unseren Interventionen werden Kriminelle immer nach neuen Möglichkeiten suchen, ihr Geschäft fortzuführen“, sagt der Leiter der Drogenfahndung, Willem Woelders.
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Rotterdam und die Niederlande gelten seit Jahren als Drehscheibe für den Handel mit Marihuana, Crack und eben Kokain. Laut der EU-Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) gehört das Land neben Spanien und Belgien zu den wichtigsten Importstaaten, in denen Kokain für den europäischen Markt ankommt. Die Marge bei Kokain ist laut Experten besonders hoch. Rund 2000 Euro kostet ein Kilogramm demnach in Lateinamerika – der Weiterverkaufswert in Europa liegt bei 30.000 Euro und mehr.
Rekordzahl von Drogenlaboren entdeckt
In den Niederlanden sind 2023 so viele Drogenlabore ausgehoben worden wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der aufgedeckten illegalen Produktionsstätten für Heroin, Kokain und synthetische Drogen um 44 Prozent auf 151 gestiegen, teilt die Polizei mit. So viele seien bislang noch nie binnen eines Jahres entdeckt worden. Vor allem die Zahl der Labore, in denen verschiedene synthetische Drogen produziert werden, stieg stark an. „Eine wichtige Erklärung für die steigende Zahl der ausgehobenen Labore ist die weltweit steigende Nachfrage nach Drogen“, sagt Woelders.
Dagegen nimmt der Cannabis-Anbau in den Niederlanden ab. Im vergangenen Jahr entdeckte die Polizei dem Bericht zufolge rund 1230 Hasch-Plantagen, das waren in den Vorjahren noch dreimal so viele. Die Polizei treffe aber zunehmend auf ausländische Cannabis-Produkte zum Beispiel aus Kanada. Dort ist der Anbau seit 2018 legal. Offensichtlich sei ein Teil der Produktion auch für den europäischen Markt bestimmt. Jahrzehntelang waren die Niederlande einer der größten Cannabis-Produzenten Europas. Durch die Legalisierung von Cannabis-Produkten in verschiedenen Ländern gehe die Nachfrage nach niederländischem Cannabis zurück, heißt es in dem Bericht.
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Dass die sogenannte Mocro-Mafia, ein loses Netzwerk von Drogenbanden in den Niederlanden, nun auch in Deutschland aktiv werden, hat nach Ansicht von Experten ebenfalls mit der hiesigen Cannabis-Legalisierung zu tun. Denn der legale Markt, etwa in Form lizensierter „Social Clubs“, befindet sich noch im Aufbau und kann den Bedarf nicht decken. „Der illegale Markt kann sich nun ausbreiten“, warnt der Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Niederländische Drogenpolitik als Ursache der Probleme
In den Niederlanden gilt die seit den 1970er-Jahren etablierte Drogenpolitik als eine Ursache für die Probleme. Zwar werden Verkauf, Kauf und Konsum geringer Mengen nicht verfolgt, doch die Produktion bleibt verboten. Dies schafft einen illegalen Markt mit enormen Gewinnmargen. Das erwirtschaftete Geld wird nicht selten in den Handel mit synthetischen Drogen oder Kokain investiert, wo die Gewinnmargen noch höher sind.
Eine, die den den Schwarzmarkt austrocknen und so die Gewaltspirale der Kartelle durchbrechen will, ist Amsterdams Bürgermeisterin Femke Halsema. Im Januar organisierte sie die Konferenz „Dealing with drugs – Städte und die Suche nach Regulierung“. Sie wolle eine „Koalition der Willigen“ schmieden, sagte sie, und Ansätze diskutieren, wie Bürger, Jugendliche und Konsumenten geschützt werden können. Sie macht sich Sorgen um den internaationalen Ruf ihres Landes. Sie sehe das Risiko, schrieb Halsema in einem Essay im britischen „Guardian“, dass die Niederlande „ein Narco-Staat werden“.