Lelystad. In Marker Wadden soll sich Natur ungestört entwickeln. Viele Tiere finden dort einen geschützten Raum, manche sind nicht willkommen.
Ben Vivienn ist froh, endlich hat er freie Sicht auf seinen Schatz. „Sonst ist hier immer alles voll mit Schiffen und Booten“, stöhnt der Projektentwickler. Jetzt ist Herbst – und die Hochsaison mit den vielen Ausflüglern vorbei. Die Besucherinnen und Besucher, die sonst hierherkommen, wollen einen Flecken Erde sehen, der fast unberührte Natur verspricht, jedoch von Menschenhand gemacht wurde. „In den Ferien 800 bis 1000 täglich“, verrät Ben Vivienn.
Fähre von Lelystad
Die Rede ist von Marker Wadden, einer kleinen Inselgruppe in Flevoland, der jüngsten der zwölf Provinzen der Niederlande. Nur eine der Inseln im Nationalpark Nieuw Land, dem jüngsten seiner Art in den Niederlanden, ist bewohnt. Nur sechs Häuser stehen dort, die zu mieten sind. Außerdem gibt es ein Restaurant, das für seine moderne Architektur ausgezeichnet wurde, mit einem kleinen Shop. Wenn im Sommer stündlich die Fähren von Lelystad aus den kleinen Hafen anfahren, wird es ein bisschen trubelig. Ansonsten ist Marker Wadden ein ruhiges Plätzchen, wo sich die Natur in Ruhe entfalten kann.
Es ist erst sechs Jahre her, dass dieser Teil des Markermeers aus Sand, Lehm und Schlick trockengelegt wurde. Früher war mal angedacht, dem Markermeer neben dem bis heute ländlich geprägten Noordoostpolder und dem mit Almere, Lelystad, Zeewolde und Dronten recht dicht besiedelten Flevopolder eine weitere Halbinsel abzugewinnen. Dieses Vorhaben aber wurde verworfen, bis schließlich der Plan reifte, hier der Natur mehr Freiraum zu gestatten.
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Marker Wadden ist zu einem Paradies für Fische und Vögel. geworden, daran können auch die zahlreichen Tagesausflügler in den Sommermonaten nichts ändern. Manche Tiere aber sind auf dem streng geschützten Gebiet nicht gerne gesehen. „Vor einigen Jahren hatten wir einen strengen Winter, da war das Wasser zwischen dem Festland und den Marker Wadden zugefroren“, erinnert sich Ben Vivienn. „Das hat ein Fuchs genutzt und ist rübergelaufen, um sich ein paar Enten oder Gänse zu holen, die hier brüten. Das konnten wir nicht zulassen, wir mussten ihn einfangen und wieder an Land bringen.“
Der Bestand an Vögeln und Fischen soll sich in Ruhe entwickeln, ein Wildtier wie der Fuchs würde das sensible Gleichgewicht der Natur durcheinanderbringen.
Im Jahr 1976 wurde das Markermeer durch den Houtribdijk vom IJsselmeer abgetrennt. Was die Planer damals allerdings nicht auf dem Schirm hatten: Der natürlich Wasserfluss nahm dramatisch ab, was zu einer Sedimentablagerung und einem starken Rückgang der Wasserqualität führte. Viele Fische, Vögel und andere Wasserlebewesen verloren ihren natürlichen Lebensraum.
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Mit dem Anlegen der künstlichen Inseln Marker Wadden konnte das Problem gelöst werden. Nun ist das Nass wieder klar, Wasserpflanzen wachsen gut, sodass sich der Fischbestand schnell erholen konnte, auch Hechte und Barsche sind hier zu sehen. Seevögel wie der Säbelschnäbler, die Flusssee- und die Brandseeschwalbe haben sich angesiedelt, und Zugvögel nutzen die saftigen Wiesen, um zu brüten.
Forschung und Innovation
Marker Wadden dient als „lebendes Labor“ für ökologische Forschung. Forscher von insgesamt sieben Hochschulen, darunter die Universität Groningen und die Radboud-Universität, untersuchen hier die Entwicklung neuer Ökosysteme, die Besiedlung von Arten und die Bildung von Nahrungsnetzen. „Es ist schön geworden“, nickt Ben Vivienn. Er genießt den Blick auf den gerade von Fähren freien Hafen, weiß aber auch: Die Touristen bringen das für die weitere Entwicklung des Projekts notwendige Geld mit.
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Biobasiertes Bauen in Flevoland
Flevoland will weiter wachsen. Aktuell wohnen gut 400.000 Menschen in der jüngsten der zwölf niederländischen Provinzen. „Bis 2050 könnten es 100.000 mehr werden“, meint Mark Spetter von der Provinzverwaltung.
Neue Häuser sollen nach den strengen Kriterien biobasierten Bauens errichtet werden. Das Projekt heißt „Van Polder tot Pand“ und beinhaltet: Materialien aus der Region zu verwenden wie Stroh, Hanf oder Schilf zum Dämmen. Die Produktion soll nachhaltig sein, möglichst alle Materialien sollen später wieder recycelt werden können. Dieser Lieferkette haben sich alle teilnehmenden Unternehmen, Bauern, Baufirmen und Handwerker, verpflichtet.
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