Almere. Ein Gelände an der Expo Floriade 2022 zeigt, wie nachhaltige Land- und Forstwirtschaft geht. Wir haben es uns vor Ort angesehen.
Xavier San Giorgi ist ein Realist. Utopisch sind seine Ideen nicht, im Gegenteil, sondern vielmehr am Puls der Zeit. Seit gut fünf Jahren forschen der gelernte Architekt und Agroforstwirtschaftler und seine Weerwoud Stiftung in Almere an einer nachhaltigen Landwirtschaft. Der letztgenannte Begriff ist allerdings ein wenig irreführend, zumindest dann, wenn man Landwirtschaft im herkömmlichen Sinne versteht.
Besuch vom Wiesel
Xavier San Giorgi hat einen ganz anderen Ansatz. Mit konsequenter Agroforstwirtschaft möchte er auf einer Insel gegenüber dem Zentrum der jüngsten Großstadt der Niederlande zeigen, wie der Umgang mit unserem Ökosystem schonend, nachhaltig und vor allem zukunftsfähig gestaltet werden kann. Der Ort, an dem das Ganze zu sehen, zu fühlen und zu schmecken ist, heißt: Utopia Island.
„Letztens ist ein Wiesel hierhergekommen. Das ist ein großes Kompliment für unsere Arbeit“, freut sich Xavier San Giorgi über den scheuen, vierbeinigen Besuch.
„Unsere derzeitige Art, mit der Welt umzugehen, ist nicht festgelegt. Es ist nur eine Geschichte, die wir uns immer wieder erzählen“, bemerkt der ambitionierte Wissenschaftler und appelliert: „Wir können diese Geschichte ändern. Das betonen wir auch auf Utopia Island. Nicht, dass wir genau wie Naturvölker leben müssen, sondern in Verbindung mit der Natur.“
Die Fläche, auf der er und sein Team von Freiwilligen arbeiten, ist nur ein paar Meter von der fortschrittlichen Hochschule Aeres entfernt. Studierende zum Beispiel der Fachrichtungen International Food Business, Agribusiness Development und Food Systems Innovation können auf Utopia Island Praxiserfahrungen sammeln. Die Expo Floriade 2022 war dann sozusagen der Türöffner, um für ein größeres Publikum zugänglich zu werden.
Das Areal besteht aus drei Abschnitten, der größte ist der Agroforstwirtschaft vorbehalten, außerdem gibt es einen Food Forest und einen Platz, auf dem Schülerinnen und Schüler den Umgang mit der Natur kennenlernen und besser verstehen können.
„Oft wird gesagt, wir sind ein Nahrungswald, aber das ist nicht unser erstes Interesse“, erklärt Xavier San Giorgi. „Ökologisch ist ein Food Forest nicht so wertvoll wie die Agroforstwirtschaft, die wir hier betreiben.“ Aber: „Wir legen Wert auf den Anbau von Nahrungsmitteln, weil wir darin unsere engste Beziehung zur Natur sehen.“
Hopfen für das Bier der lokalen Brauerei wächst auf Utopia Island neben Tomatenstauden, Bohnen und verschiedenen Kräutern. Auf einem Rundgang können an insgesamt fünf Stationen Informationen per QR-Code abgerufen werden, allerdings auf Niederländisch.
Kunst aus Schilf
Es gibt auch reichlich was fürs Auge: Künstler Will Beckers hat auf dem Areal verschiedene Skulpturen aus Schilf gebaut, die spektakulärste der Anordnungen bietet direkt am Wasser einen Blick auf das Zentrum von Almere mit seiner Skyline. „Hier sieht man besonders deutlich den Unterschied zwischen Stadt und Natur“, meint Xavier San Giorgi. „In Almere kannst du vom Zentrum auch direkt bis zum Wasser laufen, aber es gibt eine harte Steinkante vor dem Weerwater-See. Da wächst nichts. Hier, direkt gegenüber, lassen wir die Natur sich entfalten.“
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Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der vielleicht nur Menschen auffällt, die sich viel mit der Umwelt beschäftigen. Auf Utopia Island haben sie den Raum genau dafür.
Weitere Infos hier.
Geführte Touren und Workshops für Kids
Auf Utopia Island bieten Xavier San Giorgi und sein Team auf Anfrage auch geführte Touren an. Im kleinen Onlineshop sind außerdem Erzeugnisse aus dem Wäldchen im Angebot, zum Beispiel einen Wildkräuter-Tee sowie den Walnocello, einen biologischen Likör aus den Walnüssen, die auf dem Areal in Almere wachsen.