Utrecht. Offenbar von Menschen angefütterter Wolf versetzt Holland-Provinz Utrecht in Schrecken. Behörde warnt vor Betreten eines Waldgebiets.

Hat es ein niederländischer Problemwolf gezielt auf Jungen und Mädchen abgesehen? Nach mehreren Zwischenfällen mit Kindern wächst die Sorge vor weiteren Angriffen. Die Behörden warnen vor dem Betreten eines Waldgebiets nahe der Stadt Utrecht. Die gleichnamige Provinz ruft „alle Besucher dazu auf, beim Besuch des Utrechtse-Heuvelrug-Gebiets äußerst vorsichtig zu sein“, heißt es in einer Erklärung. „Es wird dringend davon abgeraten, diese Wälder mit kleinen Kindern zu besuchen.“ Eine ungewöhnliche Mahnung, die eine seit Wochen laufende Diskussion befeuert.

Die Provinz zeigt sich alarmiert: Es sei zu einigen „beunruhigenden“ Vorfällen mit einem Wolf gekommen. Den Behördenangaben zufolge hatte am Mittwochmorgen ein „großes Tier“ – vermutlich ein Wolf – ein Kind in der Nähe des etwa 16 Kilometer östlich von Utrecht gelegenen Dorfs Austerlitz umgestoßen. Das Kind blieb demnach unverletzt. Erst anderthalb Wochen zuvor war in der gleichen Gegend ein junges Mädchen auf einem Ausflug gebissen und leicht verletzt worden. Ein DNA-Test ergab später, dass es sich bei dem Tier um einen Wolf handelte. Anfang Juli hatte zudem eine Spaziergängerin berichtet, ihr Pudel sei von einem Wolf getötet worden.

Niederländische Behörden wollen Wolf töten

Die Behörden „gehen ernsthaft davon aus, dass es sich um denselben Wolf handelt, der bereits in die Vorfälle mit dem anderen Mädchen und einem Hund verwickelt war“, heißt es. Nach Einschätzung von Wolfsexperten zeige das Tier ein „atypisches und beunruhigendes Verhalten“.

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Der dicht bewaldete Naturpark Utrechtse Heuvelrug liegt zwischen den Städten Utrecht und Amersfoort und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Dort leben nach Angaben von Fachleuten ein Wolfspaar mit fünf Welpen sowie ein einzelner junger Wolf. Schon als das Mädchen gebissen worden war, hatten umliegende Kommunen einen Teil des Naturparks für Besucher gesperrt. Die Provinz Utrecht will nun eine Genehmigung beantragen, den Wolf abzuschießen. Die Maßnahme ist bei Umweltschützern unpopulär und juristisch kompliziert. Die Tiere stehen unter Naturschutz und dürfen laut Europäischem Gerichtshof nicht getötet worden.

Der Wolfsexperte Jos de Bruin unterstützt den Abschussplan dennoch – betont aber, dass Menschen die Schuld am problematischen Verhalten des Raubtiers trügen. Der in Deutschland lebende Niederländer, Jahrgang 1964, ist Verhaltenstherapeut für Hunde und kennt sich aus mit der Wolfspopulation in seiner Heimat. Er sagt, er wisse, welches Tier für die Vorfälle verantwortlich sei. Als Jungtier sei es zusammen mit zwei Geschwistern von Fotografen angefüttert worden, die auf schöne Fotos gehofft hätten. So habe es sich ergeben, dass diese Welpen die Scheu vor Menschen verloren hätten. Hunger sei nicht der Grund für die jüngsten Attacken gewesen. Der Wolf habe vielmehr sein Revier abgesteckt.

Wolfsexperte Jos de Bruin sagt, er kenne das Exemplar, das für die Zwischenfälle verantwortlich sein soll.
Wolfsexperte Jos de Bruin sagt, er kenne das Exemplar, das für die Zwischenfälle verantwortlich sein soll. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Was auch immer den Wolf zu seinem Verhalten treibt: In der Provinz Utrecht ist die Stimmung angespannt. Zuletzt hatte der Bürgermeister des 30.000-Einwohner-Städtchens Leusden, Gerolf Bouwmeester, „mehrere Vorfälle mit einem Wolf“ in der Gegend bestätigt. „Ich verstehe, dass es für diejenigen, die dies erlebt haben, sehr beängstigend sein kann.“

Die Geschichte der Wölfe in den Niederlanden ist kurz. Exemplar Nummer eins siedelte sich erst vor wenigen Jahren in einem Waldgebiet in der Provinz Gelderland an. „Der erste Wolf ließ sich 2018 in der Nordveluwe nieder. Anfang 2019 kam ein zweiter Wolf hinzu“, teilt die überregionale Behörde BIJ12 mit. „Dieses Paar bekommt seit 2019 jedes Jahr Junge. In den letzten Jahren sind immer mehr Wolfsrudel und -paare entstanden. Derzeit leben in unserem Land zehn Wolfsrudel. Dabei handelt es sich um Wolfspaare, die Junge bekommen haben.“

Wieviele Tiere in den Niederlanden ansässig sind, ist demnach nicht zu bemessen. Denn einige Tiere sind Pendler und halten sich mal in den Niederlanden, mal in Deutschland auf.

Wölfe fressen keine Menschen

Die Neuankömmlinge haben bereits blutige Spuren hinterlassen. Bis vor kurzem streiften etwa 60 Mufflons durch das Naturschutzgebiet Wekeromse Zand bei Arnheim, berichtet die Zeitung „De Gelderlander“. Dann aber seien die Wildschafe von Wölfen aufgespürt und nach und nach gefressen worden. Ähnliches sei auch im nahe gelegenen, von Wald- und Heideflächen geprägten Naturschutzpark Hoge Veluwe geschehen.

Jos de Bruin glaubt nicht, dass Wölfe bald einen Menschen töten. Wer einem Raubtier begegne, solle nicht in Panik verfallen und erst recht nicht wegrennen. Sondern aufrecht stehen bleiben und es anschreien. De Bruin beruhigt: „Menschen stehen nicht auf dem Speiseplan von Wölfen.“