Leusden. Wölfe greifen ein Kind an, verschleppen Hunde und fressen ganze Schafherden auf. Schuld sind offenbar Touristen auf Motivjagd.

Schon wieder ein Schockmoment. Diesmal schlägt er in den Medien besonders hohe Wellen. Das Opfer: ein kleines Mädchen. Die Behörden reagierten umgehend und sperrten einen weitläufigen Naturpark teilweise ab. Zu groß erscheint die Gefahr weiterer Angriffe. Spaziergänger, Freizeitsportler und Landwirte haben die Nase voll. Sie fordern, einige der sich vermehrenden Raubtiere abzuschießen, bevor sie weiteren Ärger verursachen. Bevor, so sagen manche, ein Wolf erstmals einen Menschen tötet.

Die Sperrung des Areals Den Treek in der Provinz Utrecht gilt vorerst bis zum 15. August. Nach Angaben der Eltern wurde dort in der vergangenen Woche ein Mädchen bei einem Ausflug mit seiner Kindertagesstätte in den Oberschenkel gebissen. Das Kind habe nur „leichte Verletzungen“ davongetragen, beruhigt die Kitaleitung, es gehe ihm gut. Das Mädchen sei aber „geschockt“.

Wölfe wanderten von Deutschland in die Niederlande ein

Viele Niederländer sind in Sorge. Vor allem rund um das 30.000-Einwohner-Städtchen Leusden bei Amersfoort ist die Stimmung angespannt. In jüngster Zeit habe es „mehrere Vorfälle mit einem Wolf“ in der Gegend gegeben, räumt Bürgermeister Gerolf Bouwmeester ein. „Ich verstehe, dass es für diejenigen, die dies erlebt haben, sehr beängstigend sein kann.“ Erst vor knapp zwei Wochen hatte dort ein Wolf einen angeleinten Hund mitgerissen, während dieser mit seinem Herrchen spazieren ging. Eine Analyse von Videoaufnahmen habe gezeigt, dass der Wolf Welpen gehabt und den Hund instinktiv als Bedrohung angesehen habe, teilte die Provinz mit. Der Hund wurde seitdem nicht mehr gesehen.

In Deutschland haben sich Wölfe schon vor einem Vierteljahrhundert angesiedelt. Für die Niederländer ist der Gedanke, im Wald einem Raubtierrudel zu begegnen, hingegen neu und besonders beängstigend. Wölfe sind nach Angaben der Naturschutzorganisation Nabu erst 2018/2019 zwischen Maas und Nordsee ansässig geworden. Die meisten seien aus Deutschland eingewandert. Und sie breiten sich rasant aus.

Wölfe löschen ganze Wildschaf-Herden aus

Die Neuankömmlinge aus Duitsland haben bereits blutige Spuren hinterlassen. Bis vor kurzem streiften etwa 60 Mufflons durch das Naturschutzgebiet Wekeromse Zand bei Arnheim, berichtet die Zeitung „De Gelderlander“. Dann aber seien die Wildschafe von Wölfen aufgespürt und nach und nach gefressen worden. Ähnliches sei auch im nahe gelegenen, von Wald- und Heideflächen geprägten Naturschutzpark Hoge Veluwe geschehen.

Die Mufflon-Herden in zwei Naturschutzgebieten fielen Wölfen zum Opfer.
Die Mufflon-Herden in zwei Naturschutzgebieten fielen Wölfen zum Opfer. © dpa | Frank Rumpenhorst

Die jüngsten Angriffe in der Provinz Utrecht seien ungewöhnlich, sagt der Regionalpolitiker Huib van Essen. Sie deuteten darauf hin, dass die Wölfe in Den Treek ihre Scheu vor Menschen verlören. Naturschützer lehnen den Abschuss problematischer Exemplare ab - und geben Touristen eine Mitschuld an den Attacken. Urlauber lockten die Tiere nämlich mit Futter an, um sie besser fotografieren zu können. Das führe dazu, dass sich die Wölfe an die Nähe zu Menschen gewöhnten.

Was also tun? Der Wolfsexperte Diederik van Liere schlägt im Gespräch mit dem Sender NOS die Einrichtung eines speziellen Abschreckdienstes vor. Freiwillige sollten Wölfe nach einer Sichtung verjagen. „Das würde den Wölfen beibringen, sich Menschen nicht zu nähern.“ Er halte das für „die beste langfristige Lösung“. Ohne dass ein Schuss fiele.