De Cocksdorp. Das Schiff „De Vriendschap“ bringt Touristen von Texel nach Vlieland, danach rast der „Vliehors Expres“ kilometerweit über den Strand.

An der Nordspitze Texels, in der Nähe des roten Leuchtturms, ist der Strand besonders breit und feinsandig. Kein Hafen weit und breit, und doch fährt hier ein Schiff ab. Ein schmaler Steg, gezimmert aus schlanken Baumstämmen und Holzplanken, führt ein Stück hinaus ins flache Wattenmeer. Dort ankert „De Vriendschap“ (Die Freundschaft), ein alter Muschelkutter, schwarz-blau lackiert. Marcel Kooger ist der Kapitän, aber das Wort passt ihm eigentlich nicht, er nennt sich lieber „schipper“.

Es ist Donnerstagabend, 17 Uhr, in 15 Minuten legt „De Vriendschap“ ab Richtung Vlieland. Marcel Kooger ist bereits in den Steuerstand geklettert, während sich Sarah Eshuijs und ihre Schwester Freya im Büro hinter den Dünen noch um die letzten Tickets für die Passagiere kümmern. Die beiden energiegeladenen Frauen sind die Matrosinnen an Bord, in dicken Pullis gehen sie als letzte an Bord, sie sichern den Steg, lösen die Leinen und springen dann strahlend an Deck.

30 Räder passen an Bord

Etwa zehn Fahrräder haben die Passagiere mit an Bord gebracht, „bis zu 30 passen maximal“, sagt Marcel Kooger, der eine besondere Technik hat, die Räder in Reih und Glied an der Reling aufzustellen. „Wir lassen es ruhig angehen“, erzählt der Schiffsführer. Die Strecke von Texel nach Vlieland ist nicht lang, nur etwa zwei Kilometer Wattenmeer liegen zwischen den beiden Inseln. Gemächlich zieht „De Vriendschap“ unweit vom Strand entlang, Sarah verkauft in der Zwischenzeit Getränke und Süßes.

An der Nordspitze der Insel Texel wartet der hölzerne Anleger von „De Vriendschap“ auf Passagiere, die auf abenteuerliche Weise nach Vlieland übersetzen wollen.
An der Nordspitze der Insel Texel wartet der hölzerne Anleger von „De Vriendschap“ auf Passagiere, die auf abenteuerliche Weise nach Vlieland übersetzen wollen. © Funke Medien NRW | Katrin Martens

Schnell kommt der Strand von Vlieland in Sicht, es ist das südwestliche Ende der Insel. Der gesamte Westteil von Vlieland ist das Naturgebiet De Vliehors, fast 20 Quadratkilometer groß und an vielen Tagen im Jahr militärisches Sperrgebiet, hier übt die niederländische Luftwaffe. Die größte Sandfläche Europas, manche nennen sie auch die „Sahara des Nordens“.

Das Niedrigwasser kam zu schnell

Jetzt steht ein junger, hochgewachsener Mann am Ufer. Riccardo Andriol winkt und zeigt, ein Hund tänzelt um ihn herum. Sarah und Freya Eshuijs hantieren gleichzeitig an Bord geschickt mit einem langen Metallsteg, der weit über den Bug hinausragt.

„Wir gehen direkt an den Strand“, verkündet der Schiffsführer. Das Niedrigwasser ist zu schnell gekommen, Marcel Kooger hat Sorge, dass das Schiff später am Holzanleger, der ebenso provisorisch aussieht wie auf Texel, steckenbleiben könnte. Dann geht es ganz schnell. „De Vriendschap“ stoppt, die Matrosinnen fahren den Steg, der vorn zwei dicke, robuste Räder hat, aus und lassen ihn, gehalten von einem Seil, langsam und vorsichtig in den nassen Sand hinunter.

Kapitän Marcel Kooger (Mitte) steuert „De Vriendschap“ durchs Wattenmeer, Matrosin Sarah Eshuijs (links) und ihre Schwester Freya Eshuijs helfen an Bord.
Kapitän Marcel Kooger (Mitte) steuert „De Vriendschap“ durchs Wattenmeer, Matrosin Sarah Eshuijs (links) und ihre Schwester Freya Eshuijs helfen an Bord. © Funke Medien NRW | Katrin Martens

Am Strand steht in gebührendem Abstand vom Wasser der gelbe „Vliehors Expres“, ein geländegängiger großer Bus mit Anhänger, der gerade Vlieland-Tagesausflügler zurück zum Schiff gebracht hat. Bevor die Schiffspassagiere in ihn umsteigen können, müssen sie sich allerdings erst einmal ein wenig anstrengen. Über eine Treppe werden die Räder auf den nun hoch stehenden Steg gewuchtet, Freya und Sarah Eshuijs schieben und ziehen engagiert mit, bis alle an Land sind. Dann müssen die Räder durch den von der Flut nassen Sand geschoben werden. Kein leichtes Unterfangen!

Das Wasser spritzt am Bus hoch

Riccardo Andriol stellt sich als Fahrer des „Vliehors Expres“ vor, bevor er die Räder auf den Anhänger hievt. Nach einer kurzen Einweisung („Nicht aufstehen, wenn es die steile Düne hochgeht!“) startet er das abenteuerliche Gefährt und lenkt den „Vliehors Expres“ Richtung Osten. Drinnen dröhnt und rappelt es, draußen spritzt das Wasser, wenn der gut gelaunte Fahrer eine Pfütze, in der noch Meerwasser steht, nicht weit genug umfahren hat. Die Fahrgäste haben großen Spaß, sie filmen und fotografieren die ungewöhnliche Fahrt.

Einmal stoppt Riccardo Andriol überraschend und koppelt den Anhänger ab. Ein PS-starkes Auto nähert sich und übernimmt die Fahrräder, „mit Bus und Anhänger zusammen komme ich leider nicht die Düne hoch“, erklärt der Busfahrer.

Der abenteuerliche „Vliehors Expres“ hat extra einen Anhänger für die Fahrräder.
Der abenteuerliche „Vliehors Expres“ hat extra einen Anhänger für die Fahrräder. © Funke Medien NRW | Katrin Martens

Nicht immer ist die Fahrt durch die scheinbar unendliche Sandwüste so unkompliziert. An anderen Tagen bleibt der „Vliehors Expres“ auch schon mal stecken und muss dann spektakulär von einem Traktor gerettet werden.

Mit dem Schiff und dem Bus

Die Schiffsverbindung Texel-Vlieland feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Vom 9. Juli bis 1. September ist die Überfahrt täglich möglich. Ein Ticket für eine Überfahrt mit „De Vriendschap“ kostet für Erwachsene 29,50 Euro. Kinder (3 bis 10 Jahre) zahlen 17,50 Euro. Ein Fahrrad kostet 12,50 Euro. Es werden auch Tagesausflüge (39,50 Euro, Kinder 32 Euro) und Robbenfahrten angeboten. Der Preis für die Busfahrt ist inbegriffen. Infos: www.waddenveer.nl 

Wer Inselhopping machen möchte, kann von Oost-Vlieland nach Terschelling übersetzen. Infos: www.rederij-doeksen.nl

Am Hotel und Restaurant „Het Posthuys“ mitten auf Vlieland endet die Tour schließlich, die sandigen Räder auf dem Anhänger sind auch wieder angekommen. Von hier sind es noch acht Kilometer bis nach Oost-Vlieland, dem einzigen Ort auf der kleinen Insel. Es ist 18.45 Uhr, anderthalb Stunden hat das Abenteuer gedauert. Riccardo Andriol winkt zum Abschied. Dann setzt er seinen Hund auf den Beifahrersitz und rumpelt mit viel PS davon.