Haarlem. In Haarlem in Holland haben sich einst die Frauen gegen die Spanier gestellt. Hier erzählen wir die Geschichte dahinter.
„Du bist ein Kenau!“ Diese Redewendung kann ein Lob oder eine Beleidigung sein, je nachdem, welche Perspektive gewählt wird. Doch was genau hat es mit diesem Ausspruch auf sich?
Holland während des Goldenen Zeitalters im 17. Jahrhundert. Durch den Import von Gewürzen aus Indonesien wird das kleine Land im Nordwesten Europas plötzlich superreich – und somit zum Feindbild für damals große Nationen wie Spanien. Der spanische König Philipp II. schickt seine Truppen zunächst nach Antwerpen, zu der Zeit der wichtigste Handelshafen der Welt. Bald darauf stoßen die Spanier im Auftrag des heiligen römischen Reichs weiter nach Amsterdam vor – und zwar nicht nur, um den Katholizismus in den freigeistigen, später protestantisch geprägten Gebieten zu verbreiten, sondern auch um wirtschaftlich die Vormachtstellung zurückzuerobern.
Im Jahr 1572 erreicht der Krieg Haarlem, 15 Kilometer westlich von Amsterdam. Doch es sind nicht die Männer, die sich mutig gegen die spanischen Eroberer stellen, sondern Frauen – allen voran Kenau Simonsdochter Hasselaer. Den Erzählungen nach versammelt die Tochter des Bürgermeisters bis zu 300 Frauen, um die Stadt gegen die Belagerer zu verteidigen.
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Haarlems tapfere Frauen unterliegen dem übermächtigen Gegner, sodass die Stadt vorübergehend in die Hände der Spanier fällt. Den Ruhm allerdings behält Kenau Simonsdochter Hasselaer bis heute. „Du bist ein Kenau“ wird daher mit „Du bist eine gute Frau“ übersetzt – für Frauen ein schönes Lob, doch wenn Männer so unter sich frotzeln, wird sich der als „Kenau“ bezeichnete Mann normalerweise nicht sonderlich darüber freuen.
Stein, Tabak und Getreide
Die Geschichte von der guten Frau erzählt Jan-Karel Schlichte-Bergen gerne und launig. Er bietet ehrenamtlich Führungen durch die Molen de Adriaan in Haarlem an. Die Mühle steht genau an der Stelle eines früheren Verteidigungsturms an der alten Stadtmauer am Fluss Spaarne. 1778 kaufte der Amsterdamer Unternehmer Adriaan de Boois den Turm und lässt dort eine Windmühle bauen. Am 19. Mai 1779 geht diese in Betrieb, zunächst um aus Tuffstein Trass herzustellen, ein Material, das beim Bau zur Verdichtung und zum Verfugen von Steinen eingesetzt wird. Später wechselt die Mühle mehrfach den Besitzer, mal wird in der Adriaan Schnupftabak produziert und Getreide gemahlen, ehe die Mühle am 23. April 1932 einem Feuer zum Opfer fällt.
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Das prächtige Bauwerk mit seinen gewaltigen Schwingen ist nur noch ein Haufen Schutt. Haarlems Bevölkerung aber trägt die Adriaan tief im Herzen, und sofort startet eine Spendenaktion unter den Bürgerinnen und Bürgern. Weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, dauert es schließlich 70 Jahre bis zum Neubau. Am 23. April 2002 feiert die Molen de Adriaan ihre Wiedereröffnung, und auch wenn es keine historische Mühle ist, sondern inzwischen ein Museum, erinnern viele Details an alte Zeiten.
„Alles ist so gemacht wie früher“, nickt Jan-Karel Schlichte-Bergen beim Rundgang durch das beeindruckende Bauwerk. Fünf Stockwerke gibt es, auf der vierten Ebene ist eine Aussichtsplattform, auf der Besucherinnen und Besucher einen herrlichen Blick über die Spaarne auf die mittelalterliche Stadt Haarlem genießen können.
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„Wir haben in den Niederlanden noch etwa 1.200 Windmühlen in Betrieb“, erzählt Jan-Karel Schlichte-Bergen. Natürlich sind die Mühlen ein Wahrzeichen des Landes, früher dienten sie vor allem dazu, das Land trocken zu halten. Aber auch in der Phase des Goldenen Zeitalters, als Amsterdam so unfassbar reich wurde und Haarlem nebenan vom Handel der Ostindienkompanie mit profitierte, hatten die Mühlen eine wichtige Funktion. „Durch die Erfindung der Holzsäge-Mühlen konnten wir damals Schiffe bauen“, verrät Jan-Karel Schlichte-Bergen.
Holz aus dem Schwarzwald
Das Holz kam übrigens aus dem Schwarzwald, denn die Wälder in den Niederlanden lieferten zu wenig Holz und auch die Qualität dort war nicht gut genug für die Schiffe.
Zurück zu Kenau und der guten Frau: Gerüchtehalber sollen die Eltern des bekannten Schauspielers Keanu Reeves ihren Sohn wegen der mutigen Dame aus Haarlem so genannt haben. Der Name Keanu stammt aber aus Hawaii und bedeutet so viel wie „der Kühle“. Das passt schon, denn cool war Kenau Simonsdochter Hasse aus Haarlem damals auch.