An Rhein und Ruhr. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern will sich NRW bei der Kontaktnachverfolgung nicht auf eine App beschränken. Das hat Vor- und Nachteile.
Lästige Zettelwirtschaft, genervte Kunden und fehlender Datenschutz: Als nach dem ersten Lockdown erst Friseure und später der gesamte Einzelhandel öffnen durften, wurden Kontaktlisten zum ständigen Begleiter. In den Betrieben häuften sich die Papierberge. Sensible Kundendaten waren offen einsehbar. Und ein Jahr später? Mittlerweile gibt es über 50 Apps, die eine digitale Lösung versprechen. Um die Kontaktnachverfolgung zu beschleunigen, setzt das Land NRW auf die Schnittstelle „Iris Gateway“. Wir erklären, was es damit auf sich hat.
Wie funktionieren die Apps?
Kontaktnachverfolgungs-Apps sollen die Aufgabe von ausgedruckten Kontaktlisten übernehmen. Statt handgeschriebener Informationen ermöglichen die Anbieter eine digitale Datenübermittlung – zum Beispiel in Form eines QR-Codes. Der Kunde kann sich bequem mithilfe seines Smartphones registrieren.
Welche Vorteile bietet Iris?
Die Schnittstelle funktioniert als eine Art „Datenbrücke“ zwischen den Gesundheitsämtern und dem jeweiligen App-Anbieter. Anstelle von aufwendigen Anfragen per Mail oder Telefon können Kontaktdaten gezielt und datenschutzkonform über die Schnittstelle übermittelt werden. Das hat mehrere Vorteile: Die Gesundheitsämter erhalten die gewünschten Informationen gebündelt und in einem verwertbaren Format, die sensiblen Kontaktdaten werden über einen sicheren, digitalen Weg übermittelt und die Betriebe haben bei der Suche nach einer geeigneten App freie Wahl.
Wem hilft Iris am meisten?
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„Die Verbesserungen durch die App kommen vor allem bei den Betreibern und Veranstaltern zum Tragen, da dort viele Informationen schnell und einfach vorgehalten werden können, ohne viele Papiere sortieren und vorhalten zu müssen“, sagt Martin Berger, Sprecher der Stadt Oberhausen. Auch die Kreise Wesel und Kleve sehen die Geschäfte als größten Profiteur, zumal der Kreis Kleve laut Sprecher Benedikt Giesbers „bislang nur in seltenen Einzelfällen überhaupt Daten aus privaten Betrieben anfordern musste“. Für Kunden könnte die Schnittstelle hingegen ein Nachteil sein, befürchtet die Stadt Essen. Falls bald jedes Geschäft eine andere App verwende, sei das „nicht besonders nutzerfreundlich“.
Wie planen andere Bundesländer bei der Kontaktnachverfolgung?
Während NRW auf Wettbewerb zwischen den Anbietern setzt, haben mehrere Bundesländer Lizenzen für die Luca-App erworben. Der Vorteil: Kunden müssen nur eine einzige App herunterladen. Es gibt aber auch Gegenstimmen. So klagten bereits mehrere Konkurrenzfirmen gegen die Vergabe. Auch die Kosten in Millionenhöhe werden kritisiert. Zudem müsse die Auswahl der App den Betrieben überlassen werden, heißt es aus dem NRW-Wirtschaftsministerium: „Nur auf diesem Weg kann sichergestellt werden, dass das eingesetzte digitale System zur Einrichtung passt.“
Bis wann ist Iris einsatzbereit?
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Die Einführung der Iris-Schnittstelle war ursprünglich für Ende Mai vorgesehen. Auch der für vergangene Woche angesetzte Starttermin im Kreis Kleve sei laut Giesbers seitens des Landes „kurzfristig verschoben“ worden. Innerhalb von vier Wochen sollen alle Kommunen an die neue Schnittstelle angebunden sein, heißt es auf NRZ-Anfrage aus dem NRW-Wirtschaftsministerium. Einigen Kommunen – darunter Düsseldorf und der Kreis Wesel – geht das nicht schnell genug. „Eine schnellere Einsatzfähigkeit wäre wünschenswert gewesen“, so Kreissprecherin Greta Rohde. Verständnis kommt hingegen von der Stadt Essen: „In dieser Pandemie arbeiten alle Bereiche am offenen Herzen, auch solche Anwendungen lassen sich nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen.“
Wie weit sind die Städte und Kreise in der Region?
Während die Kreise Wesel und Kleve sowie die Stadt Essen nach eigenen Angaben nur noch auf den offiziellen Startschuss warten, wird die Schnittstelle in den Gesundheitsämtern in Duisburg und Oberhausen derzeit noch eingerichtet. Auch in Düsseldorf ist Iris aktuell nicht einsatzbereit.
Wie viele Apps sind bereits an die Schnittstelle angeschlossen?
Laut NRW-Wirtschaftsministerium sind aktuell 16 Apps im Prozess der technischen Anbindung – darunter Recover, GastIdent und Darfichrein. Fünf weitere befänden sich in der Planung für eine Anbindung. Mit Nexenio, den Entwicklern der Luca-App, stehe die mit dem NRW-Wirtschaftsministerium kooperierende Björn Steiger Stiftung im Austausch.
Wie viele Betriebe nutzen eine Kontaktnachverfolgungs-App?
Dazu liegen weder dem Land NRW noch den sechs angefragten Städten und Kommunen verlässliche Informationen vor. „Es besteht keine Meldepflicht für die Art des verwendeten Verfahrens, daher kann keine Einschätzung abgegeben werden“, so Berger. Ähnlich ist die Lage im Kreis Kleve: „Da bislang nur sehr selten Kontaktdaten angefordert werden mussten, gibt es auch keine Erfahrungswerte, wie oft Kontaktlisten oder Apps von Organisationen benutzt wurden und werden“, erklärt Kreissprecher Giesbers.