Wesel. Die Deutsche Bahn hat eine 1100 Tonnen schwere Eisenbahnbrücke über die Lippe gehoben. Nach knapp zehn Stunden war der Kraftakt erledigt.
Dauerregen, drumherum jede Menge Matsch. Typisches Baustellenwetter eben. Und doch hat Maurice Wolf an diesem frühen Dienstagmorgen richtig gute Sonnenschein-Laune. „Heute wird die Brücke über den Fluss schweben“, verspricht der zuständige Projektingenieur mit einem Lächeln. Das Projekt der Deutschen Bahn auf der Schillwiese ist ein durchaus ambitioniertes: Für das neue dritte Gleis auf der Bahnstrecke zwischen Emmerich und Oberhausen erweitert die Deutsche Bahn (DB) derzeit auch die Stahlbrücke über die Lippe in Wesel.
Die nackten Zahlen kommen beeindruckend daher: 155 Meter lang, achteinhalb Meter hoch, 6,20 Meter breit und 1100 Tonnen schwer. Solch ein Koloss muss erst einmal bewegt werden. Und deshalb dauerte es am Dienstagmorgen doch ein wenig länger als ursprünglich eingeplant. Weil die vier Spezialfahrzeuge - die so genannten Tausendfüßler - zunächst einmal in die richtige Position gebracht werden müssen. Bevor sie dann den Brückenkoloss anheben und in Schrittgeschwindigkeit Richtung Süden befördern können.
Die ersten Arbeiten hier unweit der Lippe an den Bahngleisen haben bereits Anfang 2023 begonnen, seit dem Herbst vergangenen Jahres wurden dann auch die ersten Einzelteile zusammengeschweißt. Ab Anfang November werden dann auch die Schwellen und Gleise angepasst. Und bis Ende November kommenden Jahres sollen die kompletten Arbeiten am Gleisbett beendet sein - bevor dann die etwa 80wöchige Bauphase mit zwischenzeitlichen Totalsperrungen startet. Endgültig fertig sind die drei Gleise der Linie Emmerich - Oberhausen samt der drei neuen Brücken dann am 17. Mai 2026. In den letzten Monaten ist hier Stück für Stück eine neue, über 1.000 Tonnen schwere Stahlbrücke entstanden, über die die Züge zukünftig rollen werden.
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Seitliche Ränder der Lippe mit Baumaterial verstärkt
Die vorbereitenden Arbeiten erwiesen sich am Dienstagmorgen aufgrund des aufgeweichten Bodens als schwierig. Zunächst mussten Stahlplatten ausgelegt werden, damit das Schwergewicht auf die Tausendfüßler abgesenkt werden konnte. Übrigens waren da die gleichen Spezialfahrzeuge im Einsatz, die auch vor einem Jahr Ende August die Straßenbrücke an der Willy-Brandt-Straße eingeschoben hatten. Über eine Joystick wurden die Spezialfahrzeuge, so genannte Self-Propelled-Modular-Transporter, dann Richtung Lippe in Bewegung gesetzt und millimetergenau ausjustiert. Damit die Fahrzeuge beim Transport nicht in der Lippe einsacken, wurden die seitlichen Ränder eigens mit Bauschutt verstärkt. Auf der anderen Seite der Lippe wartete eines der vier Spezialfahrzeuge, um die Stahlbrücke in Empfang zu nehmen.
In der zweiten Phase am Mittwoch soll die Eisenbahnbrücke dann Richtung der Gleise geschoben werden. Anschließend wird der Koloss auf zwei Widerlager aufgesetzt. „Die Lager mussten für eine entsprechende Last ausgelegt werden“, erklärte Maurice Wolf. „Zudem haben wir die Böschung an den Gleisen mit einer Spundwand absichern müssen.“ Vor nunmehr sechs Jahren hat der Ingenieur die Leitung für das Groß-Projekt übernommen. Die neue Eisenbahnbrücke ist übrigens doppelt so lang wie die alte. Grund dafür ist die besondere Lage: Der Bereich liegt in einem Überschwemmungsgebiet.
Am Nachmittag zogen sich die Arbeiten noch ein wenig hin. „Wir stecken hier aber auch nicht einfach den Schlüssel ins Auto und dann geht‘s los“, erklärte Maurice Wolf. „Die einzelnen Transporter müssen genau miteinander kommunizieren - und justiert werden.“ Um 17.35 Uhr und nach knapp zehn Stunden war es aber dann so weit: Die neue Brücke saß auf den Stützen der gegenüberliegenden Seite der Lippe. Am frühen Mittwochmorgen aber geht es hier an der Schillwiese schon weiter.