Hünxe/Schermbeck. Die juristische Aufarbeitung des Ölpellets-Skandals in Schermbeck scheint vorbei. Nun erklärt die Firma Nottenkämper ihr weiteres Vorgehen.

Vor rund zehn Jahren sind in der Deponie Mühlenberg der Firma Nottenkämper in Schermbeck gut 25.000 Tonnen giftige Ölpellets entdeckt worden – vor Gericht scheint der Skandal vor wenigen Wochen ein Ende gefunden zu haben: Der Hauptangeklagte, Müllmakler Ingo. L., ist vom Bochumer Landgericht schuldig gesprochen worden. Die Geschäftsführung von Nottenkämper weist weiterhin jede Mitverantwortung zurück und sieht sich selbst als Opfer einer kriminellen Bande.

Nun hat das Unternehmen mit Sitz in Hünxe einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Kreis Wesel über die langfristige Sicherung des Mühlenbergs abgeschlossen. Im Interview mit Robin Brand sprechen Pia Nottenkämper, die geschäftsführende Gesellschafterin des Familienunternehmens, und der technische Geschäftsführer Thomas Eckerth über das Gerichtsurteil, Lehren aus dem Skandal, die Verpflichtungen des Vertrags und die Pläne für die Zukunft.

Die juristische Aufarbeitung des Ölpellet-Skandals scheint nun erstmal abgeschlossen zu sein. Wie froh sind Sie darüber, dass mit dem Urteil gegen den Müllmakler Ingo L. jetzt zumindest vor Gericht ein Schlussstrich unter die Sache gezogen wurde?

Pia Nottenkämper: Ob sie final abgeschlossen ist, wird sich noch zeigen. Da werden sicher noch einige Wochen ins Land gehen, aber wir sind sehr froh, wenn wir endlich einen Schlussstrich ziehen können. Unsere Position wurde durch das Urteil noch einmal bestätigt: Wir sind selbst Geschädigte in dieser Geschichte, wurden getäuscht und hintergangen. Eine Strafanzeige der Grünen gegen Nottenkämper wurde eingestellt. Es wurde weder straf- noch ordnungswidrigkeitenrechtlich gegen uns vorgegangen, nicht mal ein sogenanntes Organisationsverschulden. Nottenkämper hat, seit wir von der Einlagerung der Ölpellets wissen, kooperativ mit den Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden zusammengearbeitet.

Thomas Eckerth: Inzwischen sind mehrere Gutachten erstellt worden und nicht eines sagt, dass eine Gefährdung vom Mühlenberg ausgeht. Meiner Meinung nach ist der Standort mit etwa 30 bis 40 Meter Ton unter der Tagebausohle im Vergleich zu anderen bestens für die Ablagerung mineralischer Abfälle geeignet, was im Übrigen die Gutachten bestätigen.

Was bedeutet der Vertrag mit dem Kreis Wesel konkret? Was sind die Aufgaben Ihrer Firma?

Thomas Eckerth: Unsere Aufgabe ist es, aus diesem Berg das belastete Sickerwasser herauszuholen und zu reinigen. Wir haben am Standort eine Sickerwasseraufbereitungsanlage für die Reinigung der Sickerwässer der Deponie Eichenallee mit ausreichender Kapazität, die wir jetzt auch für die Nachsorge am Mühlenberg nutzen können. In der Umsetzung bedeutet das konkret: Wir haben jetzt zusätzlich noch sechs Sickerwassererfassungsbrunnen zu errichten. Diese Brunnen sind circa 40 bis 50 Meter tief. Von dort wird das Wasser über Rohrleitungen zur Aufbereitungslage transportiert und dort gereinigt. Das funktioniert jetzt schon perfekt. Dieses Vorgehen ist durch das Ministerium und alle beteiligten Behörden abgesegnet worden.  Zum einen regelt der Vertrag also das, was wir bautechnisch umsetzen sollen, zum anderen geht es um die sogenannte Nachsorge. Wenn wir den Sickerwasserspiegel auf einem gewissen Niveau reguliert haben, kann vom Mühlenberg auch in Zukunft keine Gefahr ausgehen. Das kann einige Jahre dauern und irgendwann kann man eine Entlassung aus der Nachsorge beantragen. Wir können aber nicht einfach sagen, wann Schluss ist. Das muss ein Gutachter entscheiden. Zudem haben wir vereinbart, dass der Kreis Wesel als Aufsichtsbehörde transparent informiert wird und jährlich eine schriftliche Dokumentation der aktuellen Situation am Mühlenberg erhält.  

Pia Nottenkämper: Die Wahl dieses konsensualen Weges hat für die Beteiligten und die Bevölkerung den großen Vorteil der sofortigen Rechtssicherheit im Gegensatz zu einem streitanfälligen Verwaltungsverfahren. Zudem sichert unser Unternehmen die künftig zu erfüllenden Verpflichtungen zugunsten des Kreises Wesel über Vertragssicherheiten ab. Das wäre der Behörde in einem Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen. Die in der Machbarkeitsstudie 2024 empfohlenen Maßnahmen werden von uns in den nächsten Jahren vertragsgemäß erfüllt.

Welche Lehren haben Sie aus der illegalen Einlagerung der Ölpellets gezogen? Werden die Lastwagen nun strenger kontrolliert oder mehr Proben genommen?

Pia Nottenkämper: Die zwei Personen aus unserem Unternehmen, die neben weiteren Personen entlang der Lieferkette dafür verantwortlich gemacht wurden, haben ja bewusst gehandelt. Sie wussten genau, an welchem Tag keine Probe gezogen wird. Menschlich bin ich sehr enttäuscht darüber, wie das Unternehmen und vor allem mein inzwischen verstorbener Vater hintergangen und während der Ermittlungen weiter belogen wurden. Während des Ermittlungsverfahrens abgehörte Telefongespräche der Täter belegen dies. Jetzt kontrollieren wir noch viel engmaschiger, als wir eigentlich müssten. Wir haben Kameras an der Ein- und Ausgangswaage, von jeder Anlieferung wird ein Foto gemacht. Wir beproben, aber auch unsere Anlieferer müssen uns regelmäßig ihre Proben schicken, damit wir wirklich jeden Fehler ausschließen können. Beim Abkippen wird das Material dann noch einmal kontrolliert. Wir sind sehr darauf bedacht, dass so etwas nie wieder vorkommt. Wenn Ihnen eine Gruppe mit hoher krimineller Energie aber einen Saboteur ins Unternehmen setzt, können alle Sicherheitsmechanismen ausgehebelt werden.

Bei einer Urteilsbegründung hat der zuständige Richter am Landgericht in Bochum gesagt, „es sei schwer zu glauben, dass das alles ohne Wissen der Firma Nottenkämper erfolgt sein soll“. Wie beurteilen Sie diese Aussage?

Pia Nottenkämper: Das wurde leider sehr verkürzt wiedergegeben, auch in Ihrer Zeitung. Gemeint waren damit unsere ehemaligen Angestellten, die zu unserem Nachteil hier zusammengewirkt hatten. Was der Richter und der Staatsanwalt danach gesagt haben, war bedauerlicherweise nicht mehr zu lesen: Es wurde klar gesagt, dass niemand aus unserer Geschäftsführung damit etwas zu tun hatte.

Thomas Eckerth ist der technische Geschäftsführer der Hünxer Firma Nottenkämper.
Thomas Eckerth ist der technische Geschäftsführer der Hünxer Firma Nottenkämper. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Thomas Eckerth: In gewisser Weise hatte er insofern recht, als es in der gesamten Lieferkette auch zwei Beteiligte bei uns gab. Der eine ist verurteilt worden, der andere hat sich durch einen juristischen Deal freikaufen können. Die Geschäftsführung von Nottenkämper hatte keine Kenntnis von deren Machenschaften. Das haben die schon angesprochenen Gesprächsprotokolle im Zuge der Ermittlungen zweifelsfrei ergeben. Der Richter weiß auch, dass die Grünen uns unterstellt haben, wir als Unternehmen hätten dabei mitgemacht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg wurden aber eingestellt, weil das alles Blödsinn ist. 

Kommen wir von der Vergangenheit zur Zukunft. Welche Pläne haben Sie als Unternehmen in Hünxe?

Thomas Eckerth: Wir planen die Austonung und die Deponie Buchenallee, stehen hier aber noch ganz am Anfang. Die Buchenallee wollen wir umsetzen, sobald die Eichenallee abgeschlossen ist. Damit werden wir noch Jahrzehnte am Standort bleiben und unsere derzeit 40 Mitarbeiter beschäftigen. So erwirtschaften wir langfristig Einnahmen, die auch in die Nachsorge für den Mühlenberg fließen. Die ersten Skizzen haben wir den Behörden bereits vorgestellt, was aus meiner Sicht absolut positiv gelaufen ist. Das zweite Projekt ist der Hafen Egbert-Constantin am Wesel-Datteln-Kanal. Die Unterlagen sollen nach den Sommerferien von der Bezirksregierung ausgelegt werden. Das dritte Projekt ist der sogenannte kalzinierte Ton: Als Ersatz für Flugasche und Kalkstein ist er in der Zementproduktion ein echter CO₂-Senker, als natürlicher Rohstoff reduziert er die Belastung um bis zu 25 Prozent. Für den Bau eines Kalzinierofens suchen wir derzeit Partner.