Wesel. Bestimmte Geflüchtete, die das bisher nicht durften, sollen in Wesel bald arbeiten – das hat der Stadtrat beschlossen. Um welche Jobs es geht.
- In Wesel werden jetzt Jobs für bestimmte Flüchtlinge geschaffen, die bisher nicht arbeiteten durften.
- Der Stadtrat sprach sich am Dienstag dafür aus, diese „Arbeitsgelegenheiten“ für Geflüchtete zu schaffen.
- Zur Not könnte die Stadt Wesel die Menschen dazu verpflichten.
Die Aufregung im Februar war groß: Der Landrat des thüringischen Saale-Orla-Kreises kündigte an, dass bestimmte Geflüchtete zur Arbeit verpflichtet werden sollen. Auch in der Stadt Essen gab es einen ähnlichen Vorstoß. Ausgelöst hatte die Debatte um die umstrittene Maßnahme der Präsident des Deutschen Landkreistages, der mehrfach eine Arbeitspflicht für Asylbewerber forderte. Kritik daran äußerte unter anderem die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
In Wesel hatte SPD-Fraktionschef Ludger Hovest dieses Thema in die politischen Gremien gebracht, er forderte die Verwaltung in einem Antrag auf, Modelle zu entwickeln, „wie man freiwillig oder verpflichtend den Asylsuchenden Arbeit anbieten kann“. Weil Hovest in seinem Schreiben das Wort „Asylanten“ benutzte, gab es parteiinternen Widerstand gegen diesen Vorschlag, allen voran von den Jusos, die den Fraktionschef öffentlich aufforderten, den Antrag zurückzunehmen.
Doch das ist nicht passiert und mittlerweile hat sich die Stadtverwaltung mit dem Antrag befasst – sie legte dem Stadtrat am Dienstag ein Konzept zur Abstimmung vor. Es sollen künftig „Arbeitsgelegenheiten“ für bestimmte Geflüchtete geschaffen werden, die bisher weitgehend nicht arbeiten dürfen. Der Stadtrat entschied sich mehrheitlich dafür, dass Konzept schnellstmöglich umzusetzen, lediglich Einzelmitglied Marcel Schoierer (Die Partei) stimmte dagegen.
Wie viele Flüchtlinge in Wesel kommen infrage?
Dabei geht es zum einen um Arbeiten, die direkt in den Unterkünften erledigt werden können, zum Beispiel das Putzen der Gemeinschaftsräume, die Kontrolle der Mülltrennung, die Verwaltung von Spielgeräten oder Dolmetschertätigkeiten. Der Stadtrat entschied sich mehrheitlich dafür, dass Konzept schnellstmöglich umzusetzen, lediglich Einzelmitglied Marcel Schoierer (Die Partei) stimmte dagegen.
Zum anderen mache die Gesetzeslage es möglich, dass auch „externe Arbeitsgelegenheiten“ bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern geschaffen werden können. Wie die Stadtverwaltung in ihrer Vorlage für die Ratssitzung erklärt, kommt dafür insbesondere der städtische Entsorgungsbetrieb ASG infrage. So sollen Geflüchtete bei der Stadtreinigung helfen, indem sie zum Beispiel die Containerstandorte sauber halten oder auf dem Wertstoffhof arbeiten. Eine weitere Möglichkeit ist die Unterhaltung der Grünflächen, etwa auf Spielplätzen, Friedhöfen oder in den Glacis.
Zielgruppe sind Geflüchtete, die eine Leistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sich also in der Regel im Asylverfahren befinden. Außerdem müssen sie mindestens 18 Jahre alt und gesund sein, dürfen weder anderweitig arbeiten noch zur Schule gehen oder studieren. Zudem gehen Sprach- und Integrationskurse immer vor. Rund 140 Asylsuchende sind nach Angaben der Stadt potenzielle Kandidaten, davon müssten jedoch noch Schüler/Studenten, Minijobber und Sprachkurs-Teilnehmer abgezogen werden.
In der Ratssitzung erklärte Sozialdezernent Rainer Benien am Dienstag, dass wohl rund 50 Personen solche Arbeit aufnehmen könnten. Nach ersten Gesprächen mit dem ASG sei klar geworden, dass beim kommunalen Entsorgungsbetrieb zunächst zwölf Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden können. Wichtig ist: Sie dürfen keinen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten entsprechen oder den Arbeitsmarkt belasten – es geht also um reine Hilfstätigkeiten.
Weseler Rat diskutiert über Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete
Geregelt wird der Arbeitseinsatz im Asylbewerberleistungsgesetz. Darin wird auch die viel diskutierte Möglichkeit zur Verpflichtung eingeräumt: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.“
Wie Sozialdezernent Rainer Benien auf Nachfrage der NRZ klarmachte, soll das Angebot der Stadt in erster Linie auf Freiwilligkeit beruhen – im Zweifel könnten Asylsuchende jedoch zur Arbeit verpflichtet werden. Ob das wirklich passiert, ist allerdings zumindest fraglich: Denn dafür müssten auch ausreichend passende Jobs zur Verfügung stehen, die ersten Zahlen legen nun nahe, dass es nicht genügend Arbeitsmöglichkeiten gibt, um jemanden zu verpflichten.
Das Gesetz schreibt darüber hinaus eine Bezahlung vor: Die pauschale Aufwandsentschädigung liegt bei 80 Cent pro Stunde, mehr als 20 Stunden pro Wochen dürfen von einer Person nicht geleistet werden. Die Stadt rechnet deshalb für das Jahr 2025 mit Kosten von 40.000 Euro für den Arbeitseinsatz sowie je 5000 Euro unter anderem für die persönliche Schutzausrüstung und die Materialbeschaffung.
„Wir sehen darin eine Chance, die Integration zu fördern“, sagte Jürgen Linz, Fraktionschef der CDU, während der Diskussion im Rat am Dienstagnachmittag. Das sah auch Ludger Hovest so, der das Thema angestoßen hatte. „Die beste Integration ist es, wenn die Menschen mit Arbeitskollegen zusammen sind“, betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Wirkliche Kritik an dem Vorhaben äußerte lediglich Marcel Schoierer von Die Partei. „Das bedeutet quasi Zwangsarbeit“, meinte er im Zuge der Diskussion. „Ich wünsche mir, dass diese Angebote freiwillig angenommen werden können.“ Der Einschätzung, dass es sich um „Zwangsarbeit“ handele, widersprach insbesondere Hovest deutlich. Sein Parteikollege Norbert Schulz-Wemhoff befand: „Wir helfen den Menschen damit, in die Gesellschaft zu kommen.“