Wesel. Trotz verschärfter Coronaregeln durften etwa 100 Personen durch Wesel laufen und sich am Kornmarkt versammeln. Die Polizei erklärt warum.

Vor zwei Wochen waren es noch gut 30 Menschen, am Dienstagabend hatten sich rund 100 Menschen vor dem Martinistift versammelt, um mit Kerzen und teils mit umgehängten Lichterketten zu ihrem „Corona-Spaziergang“ aufzubrechen. Wie zuletzt in den Nachbarkommunen trugen die Teilnehmer keine Plakate, es wurden keine Parolen gerufen – denn die Impf- und Coronaregelkritiker verstehen sich als private Zusammenkunft und hatten ihre Aktion auch nicht vorab angemeldet.

Die Polizei erstattete einmal mehr Anzeige gegen Unbekannt, denn niemand gab sich als Organisator zu erkennen – auflösen durften die Ordnungshüter die Versammlung jedoch nicht, betont die Pressestelle der Kreispolizei. Denn obwohl die Teilnehmer sich selbst als private Runde verstehen, muss die Polizei die Aktion nach eigener Aussage als vom Gesetz geschützte Versammlung einordnen.

Der Zug, der durch die Hohe Straße zum Berliner Tor und über die Esplanade zum Kornmarkt lief und sich dort zum Abschluss versammelte, wurde von Polizeikräften und der Stadtwacht aus ihren Fahrzeugen lediglich beobachtet. Viele der jüngeren und älteren Teilnehmer, einige hatten auch ihre Kinder mitgebracht, wollten nicht mit der Presse über die Beweggründe für ihren „Spaziergang“ sprechen.

Corona-Spaziergang in Wesel: Zweifel am Sinn der Impfung

Einige berichteten jedoch, warum sie gekommen waren: Die mögliche Impfpflicht etwa gab ein Paar als Grund an. Nach der mittlerweile dritten notwendigen Impfung drohe nun „ein Abo“. Die Frau erklärte: „Das kann man nicht zulassen.“ Sie vertraue der Impfung nicht. Es werde viel Panik geschürt, so ein anderer Teilnehmer. Er glaube, das Virus werde mit der Zeit zwar ansteckender, aber auch weniger gefährlich.

Dass die Impfungen keinen Sinn machen, behaupteten mehrere Teilnehmer. Sonst wäre die Inzidenz derzeit niedriger und nicht höher als vor einem Jahr, als es noch keine Impfung gab, so eine Frau, die sich im Alltag „ausgegrenzt“ fühlt. Dass auf den Intensivstationen größtenteils ungeimpfte Patienten liegen, will so mancher nicht glauben. Er kenne Ärzte und Pfleger, die andere Informationen haben, sagte ein Mann.

So mancher Beobachter dürfte sich angesichts des Zuges und der abschließenden Versammlung auf dem Kornmarkt gewundert haben: Denn seit Dienstag sind die Coronaregeln nochmals verschärft worden. Für private Zusammenkünfte im öffentlichen Raum gilt, dass sich selbst Geimpfte und Genesene nur mit maximal zehn Personen treffen dürfen.

Spaziergang in Wesel ist laut Polizei keine private Veranstaltung

Laut Kreispolizei muss die Behörde die Veranstaltung aber als eine per Gesetz erlaubte Versammlung betrachten. Für diese gilt: Bis zu 750 Personen dürfen sich sogar ohne Maske treffen. Und dazu zählen per Definition die Spaziergänge, wie Andrea Margraf von der Kreispolizei bestätigt und begründet dies so: „Weil objektiv erkennbar eine öffentliche Meinungskundgabe in Form dieses stillen Protestes zu erkennen ist.“ Diese Auffassung sei durch das Innenministerium bestätigt.

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Allerdings fordert das Versammlungsgesetz auch, dass die Veranstaltung angemeldet wird. Dabei muss ein Organisator, die Personenzahl und die Wegstrecke genannt werden. Auch für Ordner müsste gesorgt werden. Weil das alles nicht passiert ist, hat die Polizei Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet. Laut Paragraf 26 ist eine Versammlung ohne Anmeldung strafbar. Der Staatsschutz ermittelt nun, heißt es.

Eine Auflösung des Spazierganges sei trotz des Verstoßes nicht erlaubt. „Wir müssen die Verhältnismäßigkeit wahren.“ Erst bei gewalttätigen Ausschreitungen sei das möglich „Auch für die Polizei ist das keine gute Situation“, versichert die Polizeisprecherin. Die Teilnehmer des „Spazierganges“ interessiert das wenig. Auf die Frage, warum die Aktion nicht angemeldet wurde, antwortete ein Mann: „Wenn man eine Veranstaltung anmeldet, muss man Auflagen erfüllen.“

Hintergrund: Das sagt das Versammlungsgesetz

Nach Auskunft des NRW-Gesundheitsministeriums gilt für eine Versammlung nach Paragraf 8 des Versammlungsgesetzes, dass ab 750 Personen die 3G-Regel in Kraft tritt und zudem eine Maskenpflicht, wenn die Abstände nicht eingehalten werden.

Die unterschiedlichen Personengrenzen zwischen Privattreffen und organisierten Veranstaltungen begründen sich laut Ministerium dadurch, dass es bei organisierten Veranstaltungen einen mit Bußgeldern sanktionierbaren Verantwortlichen für die Einhaltung der Regeln gibt. Obwohl im Falle der Weseler Aktion keine Anmeldung erfolgt war, durfte sie laut Kreispolizei nicht aufgelöst werden.