Kreis Wesel. Das Auto wird für 72 Prozent aller Wege genutzt. Das soll sich ändern. Ein Mobilitätskonzept listet die Ziele und Maßnahmen bis 2030 auf.
Weniger Autos auf den Straßen, dafür mehr mehr ÖPNV und Radverkehr – das ist das Ziel der Mobilitätskonzeptes des Kreises Wesel. „Ein Konzept für zukunftsorientierte und nachhaltige Mobilität“, wie Landrat Ansgar Müller betonte. Viele Vorschläge und Maßnahmen sind in dem gut 100 Seiten starken Papier aufgelistet. Die wichtigsten Ergebnisse wurden jetzt im Kreishaus den Kreistagsfraktionen präsentiert. Ein zentrales Anliegen: Der Anteil des Autoverkehrs in Kreis Wesel soll bis 2030 deutlich sinken, von jetzt 72 auf 64 Prozent.
Allerdings kann der Kreis nur da tätig werden, wo er auch zuständig ist. Beispiel Öffentlicher Nahverkehr: Der heutige Anteil am Modal Split (Aufteilung der Wege auf die Verkehrsmittel) im Kreis Wesel liegt bei gerade einmal zwei Prozent. In zehn Jahren sollen es drei Prozent sein. Das klingt nicht viel.
Verkehr im Kreis Wesel: Bei der Online-Befragung machten 1300 Menschen mit
Auch Kai Pachan vom Verkehrs- und Stadtplanungsbüro Rödel & Pachan, der die Ergebnisse vorstellte, weiß: „Wir brauchen viel mehr Bahnverkehr“. Doch das zu organisieren liegt nicht in der Zuständigkeit des Kreises. Daher beschränkt sich das Konzept auf Bereiche, auf die der Kreis Einfluss nehmen oder in denen er die Kommunen unterstützen kann, erläuterte Pachan. Eingeflossen sind Vorschläge aus einer Online-Befragung unter 1300 Menschen.
Den Radverkehr zu fördern, ist wichtiger Teil des Konzeptes. Der Anteil liegt aktuell bei mageren 12 Prozent. Angestrebt ist eine Erhöhung auf 17 Prozent. Das Auto ist mit 72 Prozent mit Abstand das beliebteste Verkehrsmittel.
115 Mobilitätsstationen im Kreis Wesel
Wie lässt sich das ändern? Dabei spielt der Ausbau des Radwegenetzes eine wichtige Rolle, der eine schnellere Verbindung zwischen den Kommunen ermöglicht. Aber auch die Verknüpfung von Rad und Auto mit dem öffentlichen Nahverkehr. Durch Mobilstationen können die Verkehrsmittel besser kombiniert werden: Fahrradabstellboxen und -anlagen an Bahnhöfen, die auch durch Park & Ride-Anlagen und Car Sharing-Punkte ergänzt werden. Das Konzept schlägt ein Netz von 115 Mobilstationen in allen Kreiskommunen vor.
Von der kleinen Fahrradabstellanlage bis hin zu großen Stationen mit Pkw-Stellplätzen, witterungsgeschützten und gesicherten Radabstellanlagen, Sitzgelegenheiten. Große Stationen – die bei einem kompletten Neubau jeweils knapp eine Million Euro kosten würden – schlägt das Konzept in den drei großen Kommunen Moers, Dinslaken und Wesel vor. Insgesamt würde die Einrichtung aller Stationen mit 9,5 Millionen Euro zu Buche schlagen, rechnete Kai Pachan vor. Durch Fördermittel würde der Eigenanteil für die Kommunen auf insgesamt eine Million Euro sinken.
Busverkehr abends nur nach Bedarf
Das Thema Nummer eins bei den Menschen, die sich an der Online-Befragung beteiligt haben, ist der ÖPNV im Kreis Wesel. Mehrere hundert Anregungen und Kritikpunkte betrafen diesen Bereich, so Kai Pachan. Insbesondere abends und am Wochenende fühlen sich viele Menschen abgehängt, weil kein Bus fährt. Eine Lösung könnte der so genannte „On Demand“-Verkehr sein. Das bedeutet, dass (Klein-)Busse oder Taxen auf Abruf und ohne fixen Fahrplan oder Linien per App bestellt werden.
Das System könnte in Zeiten und Orten mit schwacher Nachfrage den Linienbus ablösen. Möglich sei beispielsweise auf weniger genutzten Strecken die Einstellung des Linienverkehrs ab 19.30 oder 20.30 Uhr, ebenso an Samstagen und Sonntagen, so Pachan. Statt dessen würde ein Bedarfsbus stündlich Personen etwa von den Bahnhöfen aus in die Wohngebiete bringen. Die Linie richtet sich in einem Korridor nach dem Ziel der Fahrgäste. Dafür müsste eine Reihe zusätzlicher Haltestellen eingerichtet werden.
„On Demand“-Verkehr im Kreis Wesel ist teuer
Die Busse starten an „Ankerpunkten“, in den meisten Kommunen werden Bahnhöfe oder zentrale Plätze empfohlen. Nachteil des Systems: Es ist teuer. „Dadurch entstehen entweder Fahrpreise im angenäherten Taxi-Bereich oder ein hoher Zuschussbedarf“, heißt es im Konzept. Auf viel genutzten Linien empfehle sich weiter der Linienverkehr.
Die Weiterentwicklung und Umsetzung des Konzeptes, das noch viele weitere Vorschläge enthält, soll nun gemeinsam die Kommunen erfolgen. Auf Wunsch der Städte und Gemeinden, die regelmäßige Abstimmungsrunden vorgeschlagen haben, hat schon ein „Koordinierungskreis Mobilität“ seine Arbeit aufgenommen.
>>Kreistag entscheidet am 25. Juni
Der Kreisausschuss (23. Juni) und der Kreistag (25. Juni) beraten über das Mobilitätskonzept für den Kreis Wesel in ihren nächsten Sitzungen.
Sie beschließen über die Umsetzung des Verkehrskonzeptes, die allerdings, so lautet der Beschlussvorschlag, „mit der Maßgabe der weiteren Vermeidung einer ÖPNV-Umlage unter Mitwirkung der kreisangehörigen Kommunen und der Verkehrsunternehmen“ einvernehmlich erfolgen soll.