Kreis Wesel. Apotheker im Impfzentrum gewinnen mehr Dosen aus den Ampullen als kalkuliert. Doch dadurch kommt es nicht zu mehr Impfungen. Das ist der Grund.

Für mächtig Verärgerung sorgt derzeit der Umgang mit übrig gebliebenem Impfstoff im Weseler Impfzentrum. Dort könnten offenbar täglich mehr Menschen geimpft werden als die 360 Personen die einen Termin erhalten haben. Denn wie die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) bestätigt, lassen sich aus den Fläschchen – Vial genannt – nicht nur die zugrunde gelegten sechs, sondern sogar sieben Impfdosen gewinnen. Täglich blieben viele Portionen des begehrten Stoffs übrig. Das führte dazu, dass am vergangenen Montag eine Lieferung von 60 Vials abbestellt wurde, um erst einmal das in den Tagen zuvor übrig gebliebene Vakzin zu verbrauchen. Die Tatsache, dass es nicht gelingt, kurzfristig ausreichend Impfwillige zu benachrichtigen, um so mehr Personen täglich immunisieren zu können, sorgt für Empörung.

Und wenn ab dem kommenden Montag das Impfzentrum in der Niederrheinhalle seine Betriebszeiten ausweitet auf die Zeit von 8 bis 20 Uhr, stellt sich die Frage, ob noch mehr Impfstoff übrig bleiben wird. Bisher startete der Betrieb erst um 14 Uhr. Grund für die erweiterte Öffnung ist laut Kreis die Tatsache, dass auch die Zweitimpfungen anstehen. Aber warum gelingt es nicht, die überzähligen Dosen für zusätzliche Impfungen zu verwenden anstatt Bestellungen zu stornieren?

KNVo: Kurzfristige Terminvergaben nicht möglich

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Eine Antwort ist nicht leicht zu finden. Sowohl der Kreis Wesel als auch die KVNo sehen den jeweils anderen in der Pflicht. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein erklärt das so: Die Zahl der vergebenen Termine – bisher 360 am Tag – richtet sich nach der Zahl von sechs Impfportionen, die laut Kalkulation aus jedem der Fläschchen gezogen werden können. Laut KVNo wird die siebte Dosis durch „individuelles Geschick des Apothekers“ gewonnen. Kalkulieren dürfe man bei der Terminvergabe auf Weisung des NRW-Gesundheitsministeriums aber nur mit sechs Dosen – denn so viele sind garantiert. Das Ministerium gehe NRW-weit nicht davon aus, dass regelmäßig sieben Dosen aus einer Ampulle gewonnen werden können, eine siebte Dosis ist also eine Art Zugabe. „Und kurzfristige Terminvergaben auf Zuruf sind uns organisatorisch nicht möglich“, so die KVNo in einer Stellungnahme.

Um künftig einen möglichen Verfall überzähliger Impfstoffmengen zu vermeiden, schlägt die KVNO vor, dass der Kreis Wesel als Betreiber des Zentrums zusammen mit den örtlichen Impfärzten über die Verteilung der zusätzlichen Dosen entscheidet, auch um künftig Stornierungen von Impfstoff-Bestellungen zu vermeiden.

Kreis Wesel: Impfdosen sind nicht verloren

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Der Kreis Wesel betont indes, dass die entstandenen Impfstoff-Rücklagen nun zusätzlich zur Verfügung stehen, aber noch nicht verimpft wurden. Der Krisenstab habe eine Liste mit Personen aus Berufsgruppen der höchsten Priorität erstellen lassen, die innerhalb kürzester Zeit zum Impfzentrum kommen können, um sich mit Impfstoff aus angebrochenen Vials impfen zu lassen.

Für die Terminierung der Menschen ab 80 müsse jedoch das Vergabesystem der KVNo genutzt werden. Nur so könne beispielsweise auch der Termin zur Zweitimpfung sichergestellt werden. Krisenstabsleiter Dr. Lars Rentmeister sieht daher die KVNo in der Verantwortung: „Durch die Kompetenz des Apothekenteams und die Verwendung qualitativ hochwertiger Materialien wird im Kreis Wesel überdurchschnittlich viel Impfstoff aus den Vials gewonnen. Dies ist auch der Grund dafür, dass der Kreis – bisher allerdings erfolglos – mit der Bitte auf die KVNo zugegangen ist, mehr Impftermine für ü-80-Jährige im Buchungssystem bereitzustellen.“ Die Erlasslage des Landes NRW ist aus Sicht des Kreises Wesel übrigens kein Hindernis, die Termine auszuweiten, um die Menschen schnellstmöglich zu impfen.

Mehr Impfkapazität ab Montag im Impfzentrum

Ab Montag wird die Impfkapazität durch den Start der Zweitimpfungen übrigens nicht nur verdoppelt, es gibt noch weitere Impfungen aufgrund größerer Mengen an vorhandenem Stoff, teilt die KVNo mit. In der ersten Betriebswoche vom 8. bis 14. Februar wurden rund 1.770 Termine im Impfzentrum Wesel vergeben, in der ersten Märzwoche werden es gut 4.320 Erst- und Zweitimpfungen sein.

In der Politik stößt die jüngste Impfpraxis auf Kritik. Mehrere Abgeordnete und Parteien sind empört.