Moers. Die Entfernung zum Impfzentrum und die schleppende Impfpraxis beschäftigt auch die Moerser Politik. Alle sehen Änderungsbedarf. Nur wie?
Alle sind unzufrieden, doch niemand hat eine Lösung. Termine im Impfzentrum können nur zögerlich vergeben werden, und die Anreise nach Wesel ist für viele entweder lang oder zu teuer. Kritik an der Impflogistik im Kreis gibt es von Beginn an, doch an wen wendet man sich genau? Ans Land, den Kreis Wesel, die Stadt Moers oder die Kassenärztliche Vereinigung?
Das Problem hatte auch der Hauptausschuss am Mittwoch. Basierend auf der Anfrage des Bündnisses aus SPD, Grünen, Grafschaftern, Fraktion und Linke, die Stadt möge gemeinsam mit dem Kreis einen Hol- und Bringdienst für mobilitätseingeschränkte Seniorinnen und Senioren einrichten, übte vor allem SPD-Ratsfrau Anja Reutlinger Kritik.
Reutlinger hatte gemeinsam mit ihrem Mann und weiteren Mitstreitern unbürokratisch im Januar in Meerbeck zum einen eine Impfterminbuchungshilfe eingerichtet. Zum anderen bietet sie gemeinsam mit den Maltesern einen Fahrdienst für über 80-jährige Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils zum Impfzentrum in Wesel an. Gleiches wünscht sie sich auch von der Stadt.
Schließlich sei der Bedarf enorm. 40 Personen hätten die Hilfe in Meerbeck bislang angenommen. Und Reutlinger geht davon aus, dass sich die meisten auf das Transportangebot einlassen werden. Neben der Hilflosigkeit bei der Buchung sei auch die Verzweiflung groß, wenn es um die Strecke zum Impfzentrum gehe. Viele Menschen seien nicht mobil genug, um per ÖPNV allein dorthin zu kommen, und für das Taxi fehle einigen das Geld. „Bei uns stehen Leute weinend vor der Tür“, sagte Anja Reutlinger am Mittwoch und warf der Verwaltung vor, sich der Verantwortung zu entziehen. Sie wünsche sich von der Stadt mehr Mut und auch eine Fehlerkultur, aus der man lernen könne, sagte Reutlinger.
Der Bürgermeister hatte ausschließlich Lob für das Engagement in Meerbeck übrig. Allerdings tut sich die Verwaltung schwer, eine unbürokratische Hilfe nach Reutlingers Vorbild einzurichten, weil vor allem die Haftungsfrage nicht zureichend geklärt sei. Man werde die Entwicklung aber im Blick behalten, sagte Christoph Fleischhauer und wies in dem Zusammenhang auch auf die städtische Hotline für Seniorinnen und Senioren hin, die Hilfe bei der Transportbeschaffung brauchen. Dort werde sicherlich auch niemandem Hilfe verweigert.
Grünen-Fraktionschef Christopher Schmidtke kritisiert mangelnde Kreativität bei der Impflogistik
Der Transport zum Impfzentrum war dabei nur das eine. Grünen-Fraktionschef Christopher Schmidtke störte sich in der Hauptausschusssitzung vor allem an der starren Formalität, mit der die Impflogistik derzeit durchgesetzt werde. Er vermisse Kreativität, wenn es darum gehe, die Impfungen effektiver durchzusetzen, sagte Schmidtke. Als Beispiel nannte er das Impfzentrum in Duisburg, das nicht ausgelastet sei, während das Impfzentrum in Wesel keine Kapazitäten habe. Warum könne man Moerser Bürgerinnen und Bürger nicht auch nach Duisburg schicken, zumal der Weg für viele ohnehin kürzer sei als der Weg auf die andere Rheinseite.
Dies werde bereits in Teilen praktiziert, sagte der zuständige Beigeordnete, Claus Arndt, nach Rücksprache mit einer Ärztin im Duisburger Impfzentrum. Demnach sind bereits Mitglieder aus Berufsgattungen der höheren Priorität aus anderen Städten in Duisburg geimpft worden, darunter auch Personen aus Moers.
Allerdings hänge solch eine flexible Impflogistik auch mit einer cleveren Kontingentierung zusammen, sagte Arndt. Und für die Terminvergabe sei die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zuständig, warf der Bürgermeister ein. Doch im Grunde sei es letztlich egal, wer die Verantwortung dafür trage. „Et läuft einfach nich“, sagte Christoph Fleischhauer.
Durch die vorgezogene Impfung von Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erzieher hofft die Verwaltung nun auf eine neue Dynamik, auch was das Impfen außerhalb der Weseler Niederrheinhalle anbetrifft.
Unterdessen bestätigte der Kreis Wesel auf Nachfrage, dass er eine weitere Impfstofflieferung am Anfang der Woche storniert habe. Dadurch, dass sich sieben statt sechs Impfdosen aus jeder Ampulle gewinnen ließen, sei man mit den bisherigen Lagerbeständen länger ausgekommen. Und da der Impfstoff des Fabrikats Biontech/Pfizer nicht unbegrenzt haltbar und noch dazu aufwendig zu lagern sei, habe man die Wirkstofflieferung zunächst storniert, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Liefermenge verfalle aber nicht und sei für den Kreis Wesel auch später noch abrufbar.