Oberhausen. In Oberhausen kann man sehen, was Industrie für die Zukunft leisten kann: Die Technik des MAN-Werks sorgt für Fortschritte beim Klimaschutz.
- In zentralen Branchen, wie in der Zementproduktion, lässt sich der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids durch die etablierten Verfahren praktisch nicht vermeiden,
- Deshalb will Deutschland diesen Branchen erlauben, Kohlendioxid zu beseitigen, in dem das Gas in Hohlräume unter der Erde oder unter dem Meer gepumpt wird.
- Die Oberhausener MAN-Arbeiter bauen an der Steinbrinkstraße in Sterkrade für diese neue Technologie entscheidende Bestandteile. Das neue Geschäftsfeld kann Arbeitsplätze in der Zukunft sichern.
Zement zählt rund um den Globus zu den wichtigsten Baustoffen, zugleich gelten die Zementfabriken als große Verursacher von Kohlendioxid. Im norwegischen Brevik startet nun weltweit das erste Werk, das mit einem neuen Verfahren den C02-Ausstoß erheblich mindert. Ein wesentlicher Teil der Technik stammt aus Oberhausen. Die erforderlichen Kompressoren liefert der heimische Standort von MAN Energy Solutions gemeinsam mit dem Berliner Betrieb des Konzerns.
Oberhausener Werk setzt auf eine neue Technologie
Auf das Konto des Industriezweigs gehen nach Zahlen von Experten rund acht bis zehn Prozent der weltweiten Klimagase. Welche Mengen allein eine Zementfabrik in Brevik produziert, zeigt folgender Vergleich: Der Ausstoß soll um die Hälfte verringert werden, das sind jährlich 400.000 Tonnen. So viel C02 setzen umgerechnet 200.000 Pkw frei.
Da sich im Produktionsprozess das Entstehen von Kohlendioxid kaum vermeiden lässt, setzen Unternehmen auf die Technologie mit der Abkürzung CCS. Die drei Buchstaben stehen für Carbone, Capture und Storage. Das Verfahren sieht vor, die klimaschädlichen Gase einzufangen und anschließend unterirdisch zu lagern.
Jahrzehntelange Erfahrung in der Kompressorentechnik kommen Oberhausener Firma zugute
MAN bringt jahrzehntelange Erfahrung in der Kompressorentechnik mit, die hier zum Einsatz kommt, erklärt Fachmann Marco Ernst. Statt das klimaschädliche Kohlendioxid entweichen zu lassen, werde es in einem chemischen Prozess zunächst mit anderen Materialien gebunden und dann verflüssigt.
Dadurch verringert sich das Volumen auf ein Kleinstformat, kann auf die Größe einer Streichholzschachtel zusammenschrumpfen. Von einer weitverzweigten Anlage aus - auf einer Fläche eines mittelgroßen Grundstücks (etwa 400 Quadratmeter) - wird das flüssige Kohlendioxid zu seinem Bestimmungsort weitergeleitet.
Im konkreten Fall von Brevik gelangt das verflüssigte Kohlendioxid über ein Schiff zu einem Terminal und von dort per Pipeline in den Meeresboden der Nordsee. Zur Wahrheit gehört, dass Umweltschützer durchaus Kritik anmelden. Aufgrund zahlreicher Erdgasbohrlöcher im Boden könnte Kohlendioxid wieder entweichen, monieren sie. Diese Gefahr können Befürworter nicht ganz von der Hand weisen, meinen aber, ein möglicher Schaden bleibe auf einen Umkreis von 50 Metern begrenzt.
Anlagen für Projekt in den Niederlanden stammen ebenfalls aus Oberhausen
Einige hundert Kilometer weiter südlich - an der Küste vor Rotterdam – sollen ebenfalls Kompressoren von MAN ihre Dienste leisten, erläutert Marco Ernst weiter. Das Hafengebiet verursacht allein 16 Prozent der niederländischen Klimagase. Nun sollen 2,5 Millionen Tonnen in ein ehemaliges Erdgaslager unter der Nordsee gepumpt werden.
Norwegen, Niederlande: Wie sieht es mit dem Verfahren in Deutschland aus? Schließlich betreibt das Werk in Brevik eine Tochter von Heidelberger Materials, in der Bundesrepublik ansässig und global führender Hersteller. Nachdem sich die Bundesregierung lange Zeit CCS abgelehnt hatte, gab Wirtschaftsminister Robert Habeck im Mai die Kehrtwende bekannt: Man werde das Verfahren erlauben, wobei der Fokus auf Bereichen liege, in denen sich die Emissionen kaum vermeiden lassen.
Damit ist insbesondere die Zementindustrie gemeint. Als einige Monate vorher, im November 2023, Lars Klingbeil, Chef des Koalitionspartners SPD, auf seiner Unternehmenstour durchs Land im MAN-Werk Station machte, drangen Manager und Betriebsrat darauf, CCS endlich zuzulassen. Die Partei solle ihre ablehnende Haltung aufgeben.
Werk in Oberhausen erhält jetzt zahlreiche Anfragen aus der Zementindustrie
Seitdem nun die Zementbranche die schon seit langem favorisierte Technologie anwenden darf, häufen sich bei MAN die Anfragen, ob das Unternehmen die erforderlichen Bauteile liefern könne. Dabei wird es einige Jahre dauern, bis die Firmen selbst so weit sind und Voraussetzungen für die Umstellung geschaffen haben.
In Deutschland soll das erste Projekt 2029 am Standort Geseke von Heidelberger Zement entstehen. Daher rechnet MAN, wie Marco Ernst erläutert, mit einem neuen Marktsegment. Aus den Pilotanlagen sollen Standardmodelle werden, die das Unternehmen je nach Bedarf anpasst.
Weil trotz Zulassung die Kritik an der Speicherung von CO2 nicht so ganz verstummt und Kohlendioxid in Kombination mit anderen Stoffen nutzbringend eingesetzt werden kann, will das Unternehmen in Zukunft auch durchaus neue Wege gehen. Kombiniert man beispielsweise CO2 mit Wasserstoff, lässt sich daraus synthetischer Kraftstoff erzeugen, „grünes Methanol“, wie Ernst formuliert. Beteiligt ist MAN an einem Projekt von Porsche, bei dem in Chile aus Wasser, Wind und Kohlendioxid der umweltschonende Kraftstoff E-Fuels entsteht. Solche Nutzung hält MAN auch in Deutschland für machbar.
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