Oberhausen. Diese Entwicklung ist laut Experten gefährlich: Oberhausen benötigt viel mehr neue Wohnungen als derzeit gebaut werden. „Gift für Miteinander.“
- Im vergangenen Jahr sind in Oberhausen 107 neue Wohnungen entstanden
- Laut Experten benötigt die Stadt bis 2028 aber 570 neue Wohnungen pro Jahr
- Lösungsvorschläge: Baustandards senken, Bürokratie abbauen, Auflagen aufheben
In Oberhausen muss mehr gebaut werden. Zu diesem Schluss kommen die Wohnungsmarkt-Expertinnen und -Experten des renommierten Pestel-Instituts. In einer aktuellen Analyse haben die Fachleute ermittelt, dass Oberhausen bis 2028 pro Jahr 570 neue Wohnungen benötigt. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 sind in der Stadt gerade einmal 107 neue Wohnungen entstanden, wie die Statistiker des Landesamtes IT NRW im Juni dieses Jahres mitgeteilt hatten.
„Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen in Oberhausen aktuell rund 1.020 Wohnungen – abzubauen“, sagt Pestel-Geschäftsführer Matthias Günther. Der Neubau sei zudem aber auch nötig, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. „Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt.“ Das Pestel-Institut mit Sitz in Hannover ist ein Forschungsinstitut, das für Kommunen, Unternehmen und Verbände Analysen und Modellrechnungen anfertigt. Die Themen reichen vom Klimaschutz bis eben zum Wohnungsmarkt.
Wohnungsmarkt Oberhausen: Sanierung ist für viele Eigentümer ein Wagnis
In Oberhausen gibt es sehr wohl Wohnungen, die derzeit nicht genutzt werden – laut aktuellem Zensus immerhin rund 4000. Doch dies ändere nichts am Bedarf, so das Forschungsteam. Denn ein Großteil davon – nämlich rund 1900 Wohnungen – stehe schon seit einem Jahr oder länger leer. „Das sind immerhin rund 45 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther.
„Am Neubau von Wohnungen führt in Oberhausen kein Weg vorbei.“
Wohnungen, die lange leer stehen, würden leider zu selten wieder aktiviert und an den Markt gebracht. Dafür gebe es mehrere Gründe. Eine Sanierung sei für viele Hauseigentümer ein großes Wagnis, sagt Günther. Aus Sicht des Diplom-Ökonomen sorgen etwa unkalkulierbare Klima-Auflagen für Verunsicherung. Es fehle an politischer Verlässlichkeit. „Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben.“ In anderen Fällen fehle den Eigentümern aber auch schlicht das Geld. Es gebe auch Hauseigentümer, die sich keine Mieter ins eigene Haus holen wollen, mit denen man sich am Ende nicht versteht. „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch in Oberhausen kein Weg vorbei.“
Oberhausen braucht Wohnungen: Sollen Baustandards gesenkt werden?
Das Pestel-Institut hat die vorliegende Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, wird Katharina Metzger in einer Pressemitteilung zitiert.
„Der Wohnungsbau ist auch in Oberhausen das Bohren dicker Bretter“, erklärt die Verbandschefin – und fordert, Baustandards zu senken. Normen und Auflagen müssen aus ihrer Sicht „stark abgespeckt“ werden. „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“
Wohnungsmarkt: Kosten für Bauherren wieder in den Griff bekommen
So hatte auch bereits im Juni der ehemalige Oberhausener CDU-Chef und Architekt Wilhelm Hausmann argumentiert. Seine Ideen für den Kampf gegen Wohnungsnot: weniger Bürokratie, schneller arbeitende Ämter, weniger und dafür gezieltes Dämmen, abgesenkte Baustandards. So soll man die Kosten für Bauherren und Großinvestoren für Mietwohnungen wieder in den Griff bekommen.
„Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden.“
Sowohl die Baustoff-Branche als auch die Forscher des Pestel-Instituts nutzen die aktuelle Analyse für scharfe Kritik an der Bundesregierung. So fehlen aus ihrer Sicht im geplanten Haushalt für 2025 dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.
Die Wohnungsbau-Branche erlebe derzeit einen „regelrechten Absturz“. So hätten Mauerstein-Hersteller bereits Werke geschlossen, es rolle eine Entlassungswelle und es drohe eine „Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau“. Diese „toxische Entwicklung“ müsse dringend gestoppt werden. Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger.
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