Oberhausen. Jörg Mazur lockt mit tierischer Schau in die Kult-Kneipe Bolleke. Warum er dafür auf den Azoren recherchierte und ein persönliches Anliegen hat.
Hier reißen Punk-Bands normalerweise die Hütte ab. Oder Bierfreunde rätseln angeregt beim Kneipenquiz. Und doch hängen in dem schmalen Raum 21 Meeresbewohner ganz unbeeindruckt ab - als auffällige Kunstdrucke. In der Kult- und Kulturkneipe Bolleke haben sich Gäste an diesen ungewöhnlichen Anblick längst gewöhnt. Schließlich hat der Oberhausener Künstler Jörg Mazur seinen illustrierten Schnabelwalen an diesem lebendigen Ort eine neue Heimat gegeben. Fein gerahmt und mit kurzen Erklärtexten versehen. In keinem sterilen Museum, sondern mitten im Leben.
„Wir können nur lieben, was wir auch kennen“, sagt Mazur. Auch ohne vorher zu wissen, warum der Künstler seine Kunstdrucke knapp über die Stadtgrenze von Oberhausen nach Duisburg schwappen lässt, lassen sich seine Beweggründe durch diesen Satz schnell erahnen. Die Ausstellung ist für den Künstler eine Herzenssache. Der Titel: „Tiere in tiefen Tönen!“
Jörg Mazur? Genau, hier klingelt es nicht nur bei Kunst-Kennern. Der Kulturschaffende ist Schöpfer der bekannten Concordia-Skulptur. Auch seine Hommage an den aus der Schwebebahn in die Wupper geplumpsten Promi-Elefanten Tuffi, deutlich zu sehen über der Hansastraße, fiel richtig tierisch aus.
Tausendsassa Mazur: Tänzerin Concordia, Elefant Tuffi und Schnabelwale
Logisch! Erst Elefanten, jetzt Wale... Mazur grätscht dazwischen. „Mit den Walen und Delfinen habe ich mich weit vorher beschäftigt - schon seit meiner Jugend.“ Sein Interesse wandelt zwischen Kunst und Naturwissenschaften. 2003 reist Mazur zum ersten Mal auf die Azoreninsel Pico, um an einem Forschungsprojekt über Schnabelwale (vier bis 13 Meter groß) teilzunehmen. Seitdem besucht der Künstler die Inselgruppe im Atlantik jedes Jahr, nennt die Azoren seine zweite Heimat.
Vor knapp 15 Jahren verändert ein Drama auf der angeschlossenen Insel Faial sein Leben. Dutzende der geräuschempfindlichen Tiere verenden bei einer Strandung am Atlantikufer. „Schiffe hatten zuvor mit niederfrequentem Sonar den Meeresgrund nach Bodenschätzen durchsucht. Dies wurde mit dem Schicksal der Tiere direkt in Verbindung gebracht.“ Mazur fasst kurz danach den Entschluss für eine Ausstellung. „Ich möchte die für viele eher unbekannte Walfamilie vorstellen - und damit zugleich auf den bedrohten Lebensraum aufmerksam machen.“
Schnabelwale an Kneipenwänden - sogar Meeresbiologen schauten schon hin
Dafür recherchierte der Künstler nicht nur vor Ort, sondern durchforstete Fotoarchive und durchkämmte Erlebnisberichte. Das Fotomaterial der Tiere sei rar, sagt er. Oftmals dienten sogar Aufnahmen von angespülten, toten Tiere dazu, die Körper nachzuzeichnen. Ein riesiger Aufwand, der sich lohnen sollte.
21 bekannte Schnabelwal-Arten sind noch bis zum Samstag, 23. März, im Bolleke an der Obermeidericher Straße 2 (Duisburg) zu sehen. Drei fehlende Arten sollen bis zum Ausstellungsende noch hinzukommen. Zusammen mit Michael Matuszak von der Kulturoffensive Bolleke (BOK) und Betreiber André Grühn haben die seltenen Tiere im Eventraum ein Gesicht bekommen. Grühn: „Unter unseren Gästen befand sich schon ein Meeresbiologe, der sich besonders gefreut hat.“
Mehr noch: Über befreundete Kontakte haben es Mazurs Illustrationen in die Wikipedia-Einträge der Schnabelwale geschafft. Da das Fotomaterial selten ist, wird der Schnabelwal in den deutschen, aber auch englischen oder japanischen Einträgen mit den Bildern des Oberhausener Künstlers erklärt. „Eine tolle Anerkennung“, sagt Mazur. Doch vielmehr wolle er auf die Einzigartigkeit der Tiere aufmerksam machen. Da passt es, dass im Gasometer bald die Meeres-Ausstellung „Planet Ozean“ eröffnet. Wir erinnern uns: Im Gasometer war im Dezember 1998 bereits Jörg Mazurs Skulpturen-Installation „Delphinidae Delphinoidae“ zu sehen.
Interessierte können sich die Mazur-Wale im Bolleke während der normalen Kneipenzeiten (mittwochs bis samstags ab 17 Uhr, sonntags ab 14 Uhr) kostenfrei anschauen. Zur Finissage am 23. März gibt es ab 17 Uhr ein kleines Programm mit etwas Musik. Außerdem koloriert der Künstler Nachdrucke seiner Werke, die für um die 50 Euro verkauft werden. Ansonsten gilt: Eintritt frei, es wird ein Hut herumgereicht.