Mülheim. Immer wieder sorgen Eltern-Taxis für Ärger und Diskussionen. An einer Mülheimer Grundschule bildeten protestierende Eltern eine Menschenkette.
Es könnte wohl an jeder anderen Mülheimer Grundschule so passieren, doch kurz vor dem Schulläuten ist das Chaos auch hier perfekt: Von links und rechts der Albertstraße strömen die „Elterntaxis“ in die südliche Marktstraße, dort allerdings hängen bereits Autos fest, die von Norden aus in die schmale Straße drängen. Von Porsche bis SUV ist hier alles dabei. Die andere Straßenhälfte ist mit parkenden Fahrzeugen dicht. Nichts geht mehr vor der Brüder-Grimm-Schule in Styrum.
Weder vor noch zurück, weil bereits Mütter und Väter in ihren Fahrzeugen dahinter stehen: „Ich kann nicht zurücksetzen“, beschwert sich einer, der schon auf den Gehweg als „Ausweichstrecke“ linst. Doch da stemmen sich Frauen mit Flatterband entgegen, denn hinter ihnen sollen Kinder auf dem Weg zur Grundschule laufen können. Ein anderer lässt sein Kind mitten im unübersichtlichen Gedränge der Boliden schon mal aussteigen. Gefährlich. Aber die Schule startet ja gleich. Da muss es schnell gehen.
Sechser-Verteidigungskette gegen den Autoansturm vor Mülheimer Schule
Nur kommt hier gar nichts voran. An den entschlossenen Frauen, die zwischen sich das rot-weiße Absperrband gespannt haben, kommen die Elterntaxis am Montagmorgen zumindest nicht vorbei. Von der Straßenecke im Süden entlang der ganzen Schulfassade bis zur Ecke Zastrowstraße steckt ihre „Sechser-Verteidigungskette“ den Bürgersteig und den Schuleingang ab. Eine Art „Notwehr“ für die Sicherheit der Schulkinder und gegen den chaotischen Auto-Ansturm.
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„Die stehen sonst bis vor dem Eingang“, zeigt Jörg Bormann, der als einziger Mann heute das Ende der Absperrung sichert, zu der Tür. Die liegt aber gut zehn Meter hinter ihm und dem Bürgersteig - bis dahin? Ja, bestätigt er.
Sein Sohn ist in diesem Sommer erst eingeschult worden, Bormann hat ihn deswegen auf dem Schulweg begleitet und gemerkt: „Die Situation ist ja ein absolutes Chaos!“ Vor einer Woche hatten sich daraufhin einige Eltern, Lehrer und die Schulleitung bewusst vor die Schule gestellt, quasi als lebende Poller. Doch das war riskant.
Mutter gegen Elterntaxis: „Manche sehen es einfach nicht ein“
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„Mancher ist bis vor unsere Füße gefahren, andere sind einfach zwischen uns durch“, schildert Bormann. Erst das Flatterband - eine Idee der Schulleiterin Vera Glunz - und dann noch zwei Auftritte der Polizei haben etwas Kontrolle in die Lage gebracht. Teilweise aggressiv soll es aber immer noch zugehen, schildern andere Eltern aus der menschlichen ‚Absperrkette‘.
„Ich will nur mal eben das Kind rauslassen“ - das sei noch die höflichere Reaktion, die aus den Autos schallt. „Manche sehen es einfach nicht ein, andere werden frech. Man braucht viel Überredungskunst“, sagt Sandra Antwerpen. Die Lage sei allerdings nicht erst seit einer Woche so chaotisch, sagt die Mutter, sondern „von Anfang an“, seit ihr Kind vor vier Jahren zur Schule ging.
Dass es an diesem Montagmorgen noch halbwegs gesittet zugehe, habe seine Gründe, klärt die Mutter auf. Denn der Pressebesuch sei in Elterngruppen über Whatsapp angekündigt worden. Das habe viele offenbar abgeschreckt, die üblicherweise forsch vor die Schule fahren. „Das ist heute gerade mal ein Zehntel von dem, was sonst hier passiert“, meint sie.
Mülheimer Schulleiterin appelliert: „Wir brauchen dringend eine gute Lösung“
Das Chaos der Elterntaxis potenziert wohl nicht nur die Gefahr für diejenigen, die sich bewusst zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule aufmachen. Es treibt auch gefährliche Blüten: Denn einige steuern die Elterntaxi-Haltestelle, die 50 Meter weiter an der Albertstraße liegt, inzwischen nicht mehr an, weil ja vor dem Eingang Autos wild herumkurven, erläutert Schulleiterin Vera Glunz, die mit in der Absperrkette steht.
Stattdessen reihen sich diese mit in die Schlange ein, die bis vor den Eingang führt. So potenziert sich die Gefahr. „Egal wie, Hauptsache mein Kind kommt sicher an?“, kommentiert eine engagierte Mutter kopfschüttelnd das Geschehen. „Die meisten Eltern meinen es nicht böse“, wendet Schulleiterin Glunz dagegen ein und appelliert: „Wir brauchen dringend eine gute Lösung für die Sicherheit der Kinder.“
Lang andauernde Baustelle in Styrum ist ein Teil des Problems
Eine mögliche wäre es, das Schulgelände direkt bei der Elternhaltestelle an der Albertstraße zu öffnen. Doch das gehe derzeit nicht, sagt die Schulleitung, weil ein Teil der Schule gerade abgerissen werde. So steht hinter dem Neubau ein Labyrinth von Bauzäunen, die solche alternativen Zugänge wohl verhindern würden.
So ist die schon länger andauernde Baustelle auch ein Teil des Problems vor dem neuen Schuleingang an der Marktstraße. Denn früher lag der Eingang der Schule ums Eck in der Zastrowstraße. Nur jetzt müssen Bauwagen dort durch, um den Schutt vom Abriss und Anderes zu transportieren. Das wäre eben auch gefährlich für Kinder.
Dass der Eingang an die Marktstraße wegen der Baustelle verlegt werden müsse - und wie es dort bestellt ist, habe die Stadt aber schon seit 2016 gewusst, sagt Schulleiterin Glunz. Warum man dann nicht alternative Wege miteingeplant habe? Glunz verweist schulterzuckend an den für solche Planungen zuständigen Immobilienservice der Stadt. Kein Kommentar.
Viele Ansätze, aber was ist die Lösung?
Was also ist die Lösung? Daran sollen inzwischen alle arbeiten, zählt die Schulleiterin auf: Ordnungsamt, Polizei, Stadtverwaltung, Eltern. Die einen wägen eine Schulstraße ab, also eine temporäre Sperrung morgens und mittags. Die anderen glauben, dass eine Einbahnstraßenregelung schon die Lage entspannen würde.
Wieder andere schlagen flexible Poller vor dem Eingang vor. Nur scheint das kompliziert, weil entlang der Front auch Lehrerparkplätze liegen, die zugänglich bleiben müssten. So droht sich eine Lösung auch im Hin und Her der Ansätze zu verlieren.
Um acht Uhr leert sich die Marktstraße. Schulleiterin Vera Glunz wickelt das Absperrband auf zwischen Hand und Ellenbogen, bedankt sich bei den engagieren Eltern. „Bis morgen“, scheint ihr Blick dabei zu sagen. „Ich zieh‘ das durch, auch wenn es noch ein Jahr dauert“, sagt Sandra Antwerpen entschlossen. Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicken. Es bleibt wohl vorerst bei der ‚pragmatischen‘ Variante der engagierten Eltern und Lehrer.
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