Mülheim. Die Großeltern noch ein Mal treffen, dafür sind zwei Jugendliche aus Mülheim nach Beirut gereist. Für den Flug hat ihre Familie Schulden gemacht.

Das Gefühl von Familie, von Verbundenheit und Zugehörigkeit wollte er seinen Kindern ermöglichen. Deshalb sind seine 13-jährige Tochter und der 15 Jahre alte Sohn in den Sommerferien zu den Großeltern gereist - in den Libanon. Alleine sind die Geschwister nach Beirut geflogen, ihre Eltern konnten nicht mitreisen - zu teuer wären die Flüge für die ganze Familie gewesen. Schon dafür, dass seine Kinder fliegen konnten, hat Basam, der aus Angst vor Benachteiligung unerkannt bleiben möchte, Schulden machen müssen. Hier setzt unsere Hilfe an.

Neben den Geldsorgen hat der Mülheimer, der auf Mindestlohnbasis arbeitet, aktuell eine weitere Angst: Kommen seine Kinder unbeschadet aus dem Libanon zurück, jetzt, wo sich die Spannungen in Nahost verschärfen? Erste Flüge sind bereits gecancelt, hat er beim Reisebüro erfahren. In wenigen Tagen, am Ende der Sommerferien, sollen seine Kinder zurückkehren von der Reise, die prägend für sie sein sollte und für die sich seine Familie verschuldet hat. Er hofft inständig, dass der Junge und das Mädchen keinen Kriegsausbruch miterleben müssen.

Mülheimer Kinder sollen Großeltern im Libanon treffen

Es sollte seinen beiden Kindern genau das ermöglichen, was andere Kinder regelmäßig erleben, vielleicht jedes Wochenende oder zumindest alle paar Wochen: Ihre Großeltern zu treffen, Familie erfahren. Das ist Basam, der vor über 20 Jahren aus dem Libanon geflohen ist, ungemein wichtig.

Er selbst hat als junger Mann viel zurückgelassen in seinem Heimatland, in dem er für sich keinerlei Perspektive sah: „Krieg ist dort leider immer ein Thema, die Hisbollah ist allgegenwärtig, der Präsident kann nichts machen.“ Auch nach Jahrzehnten schmerzt ihn die Erinnerung an das Erlebte sichtlich, über seine Vergangenheit, über die Gründe seiner Flucht damals mit Mitte 20 zu sprechen, fällt Basam sichtlich schwer. Er sagt: „Dort kann man keine Hoffnung haben als Mensch.“

Mülheimer Vater wünscht sich für seine Kinder, Familie kennenzulernen

Basam (57), dessen Familie aus dem Libanon stammt, berichtet im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) über seine Finanznöte. Die Eltern haben kürzlich Schulden gemacht, damit ihre Kinder zurück in das Heimatland der Familie fliegen konnten, um die Großeltern sehen zu können.
Basam (57), dessen Familie aus dem Libanon stammt, berichtet im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) über seine Finanznöte. Die Eltern haben kürzlich Schulden gemacht, damit ihre Kinder zurück in das Heimatland der Familie fliegen konnten, um die Großeltern sehen zu können. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

So sehr er das System dort auch verachtet, die Wurzeln seiner Familie liegen doch dort. Es ist ein Wort, das der Vater immer wieder gebraucht, um zu verdeutlichen, was er seinen Kindern ermöglichen möchte: das Gefühl von Familie. „Hier haben sie niemanden außer uns“, sagt Basam mit Blick auf sich und seine Frau.

Die Großeltern wollten in all den Jahren trotz der unsicheren politischen Bedingungen und der ständig schwelenden Bedrohung nie den Libanon verlassen, erzählt er: „Der Opa ist jetzt 72 Jahre alt, er will dort sterben.“ Und auch ihnen, den Großeltern, wollten Basam und seine Frau die Gelegenheit bieten, die Kinder noch einmal zu sehen. Zuletzt waren der Junge und das Mädchen vor fünf oder sechs Jahren dort - damals waren sie noch Kinder, heute sind sie Jugendliche. Es sind die einzigen Enkelkinder der alten Leute, erzählt der Mülheimer. „Die Großeltern erkundigen sich immer nach ihnen, alle paar Tage telefonieren sie miteinander.“ Dass sie einander sehen, war den Eltern eine Herzensangelegenheit.

Vater ist Niedriglöhner - Mülheimer Familie hat keine Rücklagen

Doch die Flüge seien extrem teuer gewesen - „in den Ferien verdreifachen sich die Preise, pro Person haben sie 1000 Euro gekostet“, berichtet Basam. Rücklagen habe seine Familie nicht, sagt der Niedriglöhner, deshalb musste er Schulden machen, damit seine Kinder zu den Großeltern reisen konnten. Um der Familie zu helfen, wird unsere Benefiz-Aktion Jolanthe einen Teil der Reisekosten übernehmen. Mit unserer Benefiz-Aktion, die Klienten unterstützt, die beim Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) in der Beratung sind, und für die Mülheimerinnen und Mülheimer großzügig gespendet hatten, wollen wir Basam finanziell unter die Arme greifen.

In der Heimat ihrer Eltern besuchen die Mülheimer Jugendlichen gerade ihre Großeltern und den Onkel in der Nähe von Beirut.
In der Heimat ihrer Eltern besuchen die Mülheimer Jugendlichen gerade ihre Großeltern und den Onkel in der Nähe von Beirut. © Basam | Basam

Jetzt sitzen seine Kinder etwa 60 Kilometer außerhalb von Beirut - „sie sehen schöne Teile vom Libanon, ihre Großeltern verwöhnen sie“, weiß Basam. In Mülheim lebt die vierköpfige Familie am Dickswall, unterm Dach, ohne Balkon, erzählt er an einem der heißesten Tage des Jahres. Klagen würde Basam nie. Er zeigt sich zufrieden mit dem, was er erreicht hat. Auf Mindestlohnbasis arbeitet er seit Jahren bei einem der Wohlfahrtsverbände der Stadt.

Seine Kinder besuchen die Realschule Stadtmitte, kommenden Mittwoch, wenn die Schule wieder losgeht, soll die Tochter in die achte und sein Sohn in die zehnte Klasse wechseln - wenn ihr Rückflug reibungslos läuft. „Im Moment ist es ruhig rund um Beirut“, hat Basam von seinen Verwandten erfahren. Nun gelte es, noch das Wochenende abzuwarten: „Ich hoffe inständig, dass meine Kinder keinen Krieg erleben müssen. Sie haben Angst, diese Gefühle kennen sie nicht.“

Kontakt zum Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), Friedrichstraße 24, 0208/325 21.

Betroffene erzählen – weitere Berichte über das Malz:

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