Kamp-Lintfort/Kreis Wesel. Auch in Kamp-Lintfort fährt die SPD Verluste ein, die AfD legt deutlich zu. Kevin Waldeck (SPD): „Niederlage ist bitter, war aber zu erwarten“.
Bis zum letzten Tag war Kevin Waldeck im Wahlkampfmodus. Am Ende reichte es für den Kamp-Lintforter SPD-Politiker aber nicht: CDU-Kandidat Sascha van Beek entschied die Wahl mit 34,82 Prozent der Erststimmen deutlich für sich und zieht für den Wahlkreis Wesel 1 und damit auch für Kamp-Lintfort in den Bundestag ein. Kevin Waldeck erreichte für die SPD 28,06 Prozent, die AfD fuhr einen neuen Rekordwert ein und erzielte mit 17,38 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis im Wahlkreis bei einer Bundestagswahl. Mit 8,16 Prozent holten die Grünen die viertmeisten Stimmen, die Linken kamen auf 6,08 Prozent, die FDP auf 3,62 Prozent.
Es sei ob der Kürze der Zeit ein schwieriger Wahlkampf gewesen, bilanzierte Waldeck. Bis zuletzt habe er nicht gedacht, dass die Ampel-Koalition platzen würde. Nicht nur, dass ein Winterwahlkampf per se schwieriger sei, auch die „thematische Enge“ habe den Wahlkampf geprägt: „Miete, Renten oder die finanzielle Ausstattung der Kommunen - all das hat keine Rolle gespielt“, sagte der SPD-Kandidat noch am Morgen, als er seine Stimme abgab. Es sei die für die SPD „erwartbare Niederlage“ geworden und die sei sehr bitter, sagte er am Abend: „Wir haben es nicht geschafft, die Nachwirkungen der Ampel abzuschütteln.“ Noch bevor alle Wahlbezirke ausgezählt waren, gratulierte er seinem CDU-Konkurrenten Sascha van Beek zum Wahlsieg.
Kamp-Lintforts SPD-Bundestagskandidat Kevin Waldeck will es noch mal versuchen
Waldeck machte seine Niederlage vor allem an zwei Punkten fest: Zum einen habe man die Bilanz der Ampel-Koalition nicht abschütteln können und zum anderen sei „ein eindimensionaler Wahlkampf“ geführt worden, in dem es vornehmlich um das Thema Migration und in diesem Zusammenhang um Kernbotschaften der AfD gegangen sei. Gleichzeitig seien viele Themen auf der Strecke geblieben. Politisch aktiv bleibt der SPD-Ratsherr weiterhin. „Ich bin angetreten in einer Zeit, in der abzusehen war, dass es für die SPD nicht einfach werden wird. Wenn mich meine Partei lässt, versuche ich es in vier Jahren wieder.“
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Am Ende des langen Wahlabends lag van Beek deutlich vorne. Was aus seiner Sicht den Ausschlag für seinen Wahlsieg gemacht habe? Van Beek: „Die Leute haben gesehen, dass mit mir jemand da ist, der sich in Berlin für den ländlichen Raum einsetzt.“ Das sei offensichtlich gut angekommen. Insgesamt gesehen habe er sich aber auf Bundesebene ein stärkeres Ergebnis für die CDU gewünscht. Schon am Montag geht es für van Beek nach Berlin.
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Auch Bürgermeister Christoph Landscheidt war am Wahlabend in die SPD-Mitmachzentrale gekommen. Das Ergebnis für die SPD sei „wie erwartet“, kommentierte der Bürgermeister nach der ersten Hochrechnung, „aber das Schlimmste sind die bundesweit fast 20 Prozent für die AfD, das muss uns zu denken geben.“ Erfreulich sei hingegen die Wahlbeteiligung: die lag in Kamp-Lintfort am Ende bei 77,6 Prozent, bei der letzten Bundestagswahl 2021 nur bei 70,37 Prozent.
Wie in vielen anderen Orten im Kreis Wesel lag auch in Kamp-Lintfort die AfD am Ende mit 22,1 Prozent der Erststimmen und 21,97 Prozent bei den Zweitstimmen so weit vorne wie noch nie und erreichte am linken Niederrhein hier mit ihrem Ergebnis einen Spitzenwert unter den Kommunen. Das bundesweite Ergebnis für die AfD sei „ein historisches Ergebnis“, sagte der AfD-Bundestagskandidat Adam Balten bereits nach der ersten Prognose am Abend.
Kamp-Lintfort: Für die FDP begann am Abend das große Zittern
Für die FDP begann direkt nach Schließung der Wahllokale das große Zittern: Werden die Freien Demokraten an die fünf Prozent oder darüber kommen? „Ich bin optimistisch, dass wir das noch schaffen“, zeigt sich Bernd Reuther, der die Hochrechnungen zu Hause verfolgte, zuversichtlich. Seit mehr als sieben Jahren sitzt der Weseler für die FDP im Bundestag, dem neuen Parlament wird er angesichts der hohen Verluste seiner Partei nicht mehr angehören. „Mir geht es jetzt erst einmal um die Partei“, sagte Reuther, räumte aber ein, dass er schon enttäuscht sei. „Die Ampel hat uns nicht gutgetan“, resümiert er. „Das spiegelt sich natürlich im Ergebnis wider.“ Dass die Ampel die wichtigen Themen wie Wirtschaft und Migration nicht effektiv angegangen ist, lag aus Reuthers Sicht an den Grünen.
Das Fazit des Grünen-Kandidaten Charly Freckmann ob des Ergebnisses für die Grünen fiel nüchtern aus: „Es entspricht dem, was ich erwartet habe.“ Er sieht seine Partei im Bundestag künftig in der Opposition sitzen und rechnet für die kommenden vier Jahre mit einer großen Koalition. Natürlich habe man auf mehr grüne Wähler gehofft, räumte er ein. „Aber die Themen im Wahlkampf sind in eine Richtung gegangen, wo man nicht gewinnen kann - außer der AfD.“ Das waren Migration und Wirtschaft, „da ist den Wählern viel Angst gemacht worden. Das ist bedauerlich.“
Manuela Bechert, Direktkandidatin der Linken im Wahlkreis Wesel I, feierte mit zahlreichen jungen Leuten bei der Wahlparty der Kreis-Linken in Dinslaken. 8,6 Prozent - das sei „ein ganz starkes Zeichen, gegen diesen ganzen unsäglichen Rechtsruck, der gerade passiert“. In den vergangenen Wochen haben sich die Mitgliederzahlen verdoppelt - rund 300 Mitglieder hat die Partei nun kreisweit: „Ganz viele junge Menschen haben uns in diesem Wahlkampf getragen und uns jeden Tag motiviert.“