Moers. Der Grundsteuerbescheid war für Familie Lenzen ein „böses Erwachen“. Nun legt sie Widerspruch beim Finanzamt ein – und ist damit nicht allein.

Für Jennifer und Michael Lenzen war das Öffnen ihres Grundsteuerbescheides ein „böses Erwachen“, wie sie selbst sagen. Bislang musste das Moerser Paar jährlich 266 Euro für ihr knapp 660 Quadratmeter großes Grundstück zahlen, auf dem es gemeinsam mit seinem Sohn lebt. Das Mitte Januar zugestellte Schreiben der Stadtverwaltung brachte die unerfreuliche Klarheit: 2195 Euro sollen die Lenzens im Jahr 2025 zahlen. Michael Lenzen bekennt, dass er zwar eine Steuererhöhung erwartet hatte. Aber keinen Anstieg um circa 825 Prozent. „Ich habe mit vielem gerechnet. Das Doppelte wäre schön gewesen“, sagt der 44-Jährige. „Dass es so eskaliert, hat mich überrascht.“

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Gegen die deutlich gestiegene Steuerlast möchte das Paar vorgehen und hat nun Widerspruch beim zuständigen Finanzamt in Kamp-Lintfort eingelegt. Damit sind Jennifer und Michael Lenzen nicht allein. Wie ein Sprecher des Finanzamtes auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, seien dort bis Dezember 2024 gegen rund 15.800 Grundsteuerwertfeststellungsbescheide Einsprüche eingetragen worden. Wie lange es dauern werde, den Stapel an Einsprüchen abzuarbeiten, benennt der Sprecher nicht genau. Nur so viel: „Die Bearbeitung von Einsprüchen erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen.“

Grundsteuerbescheide in Moers: Tausende Einsprüche beim Finanzamt Kamp-Lintfort

Die Zahl der Einsprüche beim Finanzamt deckt sich mit dem Eindruck, der sich aus dem Stadtgespräch ergibt. Viele Immobilieneigentümer haben sich etwa an unsere Redaktion gewandt oder ihrem Unmut über das Ergebnis ihres Grundsteuerbescheides in sozialen Netzwerken Luft gemacht. Doch selbst unter all diesen Schilderungen von Betroffenen sticht der Fall von Familie Lenzen mit seiner deutlichen Erhöhung heraus. Wie kann das sein?

Jennifer und Michael Lenzen aus Moers soll rund 825 Prozent mehr Grundsteuer zahlen. Wie viele andere Immobilieneigentümer haben sie Einspruch beim Finanzamt Kamp-Lintfort eingelegt.
Jennifer und Michael Lenzen aus Moers soll rund 825 Prozent mehr Grundsteuer zahlen. Wie viele andere Immobilieneigentümer haben sie Einspruch beim Finanzamt Kamp-Lintfort eingelegt. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Das Paar gewährt Einblicke in die gesammelten Finanzamts-Briefe. In einem Schreiben vom 20. März 2023 ist der Grundsteuerwert auf 315.000 Euro geschätzt worden. Kurz darauf habe Michael Lenzen seine Steuererklärung nachgereicht, die eigentliche Frist hierfür war bereits am 31. Januar 2023 verstrichen. Durch die Grundsteuerreform des Bundes müssen die Steuerpflichtigen Angaben über ihre Grundstücke und Gebäude machen. Andernfalls schätzt das Finanzamt den Wert selbst.

Finanzamt hat Grundsteuerwert zu hoch geschätzt: Gutachten kann beim Widerspruch helfen

Am 29. August 2023 traf ein weiteres Schreiben im Briefkasten der Lenzens ein – mitsamt einer neuen Schätzung: Plötzlich lag der Grundsteuerwert bei 541.000 Euro. Die Eigentümer des in den 1930er-Jahren erbauten Hauses fragen sich: Woher kommt eine Wertsteigerung von mehr als 200.000 Euro in nicht mal einem halben Jahr? Hängt der hohe Grundsteuerwert mit dem Alter der Immobilie zusammen? Und wenn ja: Hätte sich es sich beim Kauf vor 14 Jahren nicht doch gelohnt, einen höheren Kredit für einen Neubau aufzunehmen?

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Angesprochen auf die offenen Fragen der Moerser Familie beruft sich die Pressestelle der Kamp-Lintforter Finanzverwaltung auf das Steuergeheimnis, durch welches sie sich nicht zu Einzelfällen äußern dürfe. Dennoch gibt das Finanzamt einen allgemeinen Tipp für Betroffene: „Ist der Grundsteuerwert auf Grundlage der Angaben in der Erklärung nach Auffassung der Grundstückseigentümerin oder des Grundstückseigentümers zu hoch, besteht unter den Voraussetzungen des § 220 des Bewertungsgesetzes die Möglichkeit, durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.“

Ärger über hohe Grundsteuer – Moerser Paar: „Wir haben jetzt den Ärger, die Kosten und die Rennerei“

Ferner führt die Kamp-Lintforter Behörde aus, dass Gesetzgeber und Bundesfinanzhof von einer erheblichen Abweichung ausgehen würden, sofern der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert den durch Sachverständigengutachten nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteigt.

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Ob ein Gutachten und ihr Widerspruch Jennifer und Michael Lenzen doch noch vor der deutlich höheren Grundsteuer bewahren können, ist offen. Klar ist für das Moerser Paar nur: „Wir haben jetzt den Ärger, die Kosten und die Rennerei.“