Neukirchen-Vluyn. Kinder der zweiten Klasse lesen regelmäßig Hunden in der Stadtbücherei Neukirchen-Vluyn Geschichten vor. Das steckt hinter dem Projekt.

Geschichten zuhören, selbst vorlesen und gedanklich mit den Romancharakteren Abenteuer erleben – diese Beschäftigung mit Texten fällt vielen Kindern nicht leicht. Das tierische Projekt „Wuff – Meine Lesezeit“ in der Stadtbücherei Neukirchen-Vluyn hilft, Begeisterung für Literatur und Sprache zu entfachen. Die Teilnahme ist kostenlos und wird durch die Bürgerstiftung Neukirchen-Vluyn finanziert und durch den Förderverein der Stadtbücherei unterstützt. „Als Bürgerstiftung fördern wir Kultur, geben jährlich in Kitas Bücherpakete aus und organisieren Vorleseaktionen“, erklärt Kurt Best, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung.

Durchgeführt wird die Lesezeit von der Sozialpädagogin und systemischen Beraterin Jana Bordat und ihrem Mann, Kindheitspädagoge Jan Bordat. „2014 gründeten wir unser Unternehmen ‚Dein Wendepunkt‘ und begannen in Wachtendonk mit Sozialkompetenz-Trainings im offenen Ganztag an Schulen“, erklärt die 33-Jährige. Die Nachfrage stieg und damit die Idee, die eigenen drei Vierbeiner zwei Jahre als Therapiehunde auszubilden. „Unser ältester Hund ist in Rente, zwei Hunde im Einsatz“, sagte Straelerin Jana.

Lesezeit in Neukirchen-Vluyn richtet sich an Kinder aus der zweiten Klasse

Besonders berühre sie, wenn Schüler mit Sprachstörungen wie Stottern durch die tierischen Begleiter Mut zum Sprechen fassten. Mut schenken die Bordats seit 2021 in der Stadtbücherei: „Die Lesezeit ist Zweitklässlern gewidmet. Dazu kooperieren wir mit der Vluyner Antoniusschule“, erklärte Bibliotheksleiterin Gisela Zwiener-Busch. „Lehrer wählen Schüler aus, die Leseförderung neben dem regulären Schulunterricht benötigen. Lehrer und Eltern sind begeistert vom Lernfortschritt.“ Maximal sechs Kinder machen einmal wöchentlich bei der einstündigen Lesesitzung mit und können so lange teilnehmen wie Förderbedarf besteht. 15 weitere Treffen seien geplant. Mit dabei: Mina, ein Australian Shepherd, und Wolke, ein Samojede.

Weiß, groß und flauschig ist Therapiehund Wolke. Ihm lesen Kinder der zweiten Klasse regelmäßig in der Neukirchen-Vluyner Stadtbücherei Geschichten vor.
Weiß, groß und flauschig ist Therapiehund Wolke. Ihm lesen Kinder der zweiten Klasse regelmäßig in der Neukirchen-Vluyner Stadtbücherei Geschichten vor. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Weiß, groß und flauschig sorgte Wolke für gute Laune – „typisch Samojede, eine familienbezogene, manchmal dickköpfige Hunderasse, die lehrt, dass nicht alles planbar sein muss“, erklärt Jana lächelnd. Bei Temperaturen über 25 Grad haben die Vierbeiner hitzefrei: „Dann kommt ein Stoffhund mit.“ Im Kreis nahmen die Kinder auf Sitzkissen Platz und würfelten aus, wer vorliest. „Die Kinder suchen Bücher aus dem Sortiment der Bücherei aus. So erkunden sie die Bücherei und können mit ihren Familien Medien ausleihen“, erklärt Jan. „Jedes Kind bringt eigene Erfahrungen und Lesegeschwindigkeiten mit. Wir nehmen Leistungsdruck, fragen wie es den Kindern geht und machen Atemübungen.“ Der Clou: Bei jedem Vorlesen sammeln die Kinder Holzknochen, die sie am Sitzungsende in Hundefutter eintauschen und dem Hund geben können. Der siebenjährige Arvid freut sich mit Wolke, als sie mit ihren braunen Kulleraugen ihre ebenso wohlverdienten Leckerli und Streicheleinheiten empfängt. „Ich bin so gerne hier“, sagte Arvid stolz.