Moers. Die italienische Mission in Moers hat drei ukrainische Familien aufgenommen. Sie versuchen ihren Alltag zu meistern. Welche Hürden es dabei gibt.
Ihre Handys haben Oksana, Karyna Katheryna, Vitaliy und Alesya immer dabei: Sie lesen Nachrichten über den Krieg in ihrer Heimat, halten Kontakt zu Angehörigen, die in der Ukraine geblieben sind und verständigen sich mit Übersetzungsapps. Denn in ihrer Unterkunft treffen die italienische, deutsche, zum Teil englische und eben ukrainische Sprache aufeinander. „Und wenn gar nichts geht, verständigen wir uns mit Händen und Füßen. Das klappt immer“, sagt Bachisio Fois lächelnd.
Seit knapp fünf Wochen leben die ukrainischen Geflüchteten im Pfarramt der katholischen italienischen Mission am Niederrhein an der Bonifatiusstraße in Asberg. Priester Don León Velez Granada stellte die obere Etage mit vier Zimmern, Bad und Küche zur Verfügung. „Wir wollten in dieser Ausnahmesituation einfach helfen“, sagt Italiener und Gemeindemitglied Bachisio Fois, der gemeinsam mit Don León Velez Granada die Initiative ergriff und die möblierte Wohnung zur Verfügung stellte. Die Ukrainer in der italienischen Gemeine aufzunehmen, sei selbstverständlich und keine Frage des Glaubens, sagt Fois.
Die Menschen aus der Ukraine waren zuerst in Dresden
Über Bekannte erhielt er den Kontakt zu den Geflüchteten, die bis dato in Dresden untergekommen waren. Hinter ihnen lag eine mehrtägige Flucht aus Luhansk, Charkiw und Kiew. Mit zwei Autos machten sie sich auf den Weg nach Polen. 2500 Kilometer legten sie insgesamt zurück. Vitaliy erzählt von zuvor sechs furchtbaren Tagen, an denen seine Frau Katheryna und die drei kleinen Kinder im Keller des Wohnhauses ausharrten, um sich vor den Angriffen der russischen Soldaten zu schützen.
„Ich habe noch versucht, den Verletzten auf den Straßen zu helfen“, sagt der Familienvater. In diesen sechs Tagen beschloss das Paar mit den Kindern zu fliehen. Der Ukrainerin Alesya blieb noch weniger Zeit. „Nachdem ich die Bomben über mir gesehen habe, habe ich innerhalb von 15 Minuten die nötigsten Sachen zusammengepackt. Es gab keinen anderen Ausweg“, erklärt sie.
Mit gerade einmal vier Taschen kamen die fünf Erwachsenen und fünf Kinder in Moers an. Bis auf ein paar Kleidungsstücke und Ausweispapiere hatten sie nichts mehr. Bachisio Fois startete daher einen Spendenaufruf. In kürzester Zeit kamen Kleidung, Lebensmittel, Hygieneartikel oder Spielsachen zusammen. „Diese Welle der Solidarität war unglaublich“, sagt der Altenpfleger.
Viel Geld haben die Familien nicht mehr bei sich. „Das brauchten wir für den Sprit“, erklärt Vitaliy. Und von ihren Konten können sie in Deutschland noch kein Geld abheben. Auch Hrywnja, die ukrainische Währung, lasse sich hier noch nicht wechseln. Der Alltag in Moers falle ihnen nicht nur deswegen schwer. Auch der Gang ins Rathaus, um sich anzumelden, sorgte für eine kleine Herausforderung. „Wir brauchten Dokumente und auf Englisch war das gar nicht so leicht“, erzählt Oksana.
Die Ukrainer wollen schnell Deutsch lernen
Die Geflüchteten wollen daher so schnell wie möglich Deutsch lernen, um hier Kontakte zu knüpfen und einen Job zu finden. Doch das ist gar nicht so einfach. „Die Deutschkurse sind schon voll“, berichtet die pfarramtliche Sekretärin Gisella Adam, die den Ukrainern bei Anträgen und Dokumenten unter die Arme greift.
Bis es freie Plätze gibt, versuchen sich die jungen Ukrainer mit Selbstlernvideos auf YouTube die Sprache beizubringen. „Hallo“ und „Tschüss“ sowie die ersten Sätze klingen schon gut. Trotz der schlimmen Erlebnisse versuchen die fünf Erwachsenen nicht ihren Humor zu verlieren. „Deutsch ist nicht leicht aber einfacher als Chinesisch“, sagt Vitaliy mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
„Wir versuchen für so viel Ablenkung wie möglich zu sorgen“, erklärt der Moerser Bachisio Fois. Dazu gehörte schon ein Ausflug ins Eiscafé oder ein gemeinsames Abendessen im Pfarramt. Das Zusammenleben auf den 100 Quadratmetern funktioniere gut. Die unterschiedlichen Kulturen? Die sind kein Problem, ganz im Gegenteil: „In dieser kurzen Zeit sind schon richtige Freundschaften entstanden“, betont Fois.
Sie seien dankbar für die Hilfe, betonen die Geflüchteten immer wieder. Auch Moers gefalle ihnen, doch die Familien wollen eigentlich zurück in die Ukraine, zurück in ihre Heimat. „Wir wissen aber nicht wohin. Die Bombardierungen in Charkiw hören nicht auf“, sagt Alesya traurig. Ihr Haus sei mittlerweile vollkommen zerstört.