Kreis Wesel. Bislang hat Myxomatose nur Kaninchen befallen. Doch nun sind Feldhasen betroffen und das Pockenvirus war für viele Tiere im Kreis Wesel tödlich.
Für die meisten heimischen Feldhasen war der Sommer 2024 tödlich. Erstmals in Deutschland hat die Myxomatose, eigentlich „Kaninchenpest“, auf die Hasenpopulation übergegriffen, und das Virus war gründlich. So sehr, dass man kaum noch einen Hasen zu sehen bekommt, die Population ist drastisch reduziert, sagt Kreisveterinär Dr. Antonius Dickel auf Anfrage der Redaktion.
Das Leid der Tiere ist groß, ihre Augen, Schnauzen, Ohren und Genitalien sind entzündet. „Häufig meint man, die Hasen seien zutraulich“, sagt Dicke. Weil sie nicht fliehen, wenn ein Mensch sich nähert, obwohl Feldhasen von Natur aus sehr scheu sind. „Sie sind einfach todkrank und desorientiert und sterben dann.“ Helfen kann ihnen gegen das Virus niemand. Bei all der Qual gibt es nur eine gute Nachricht: Anders als die Hasenpest, ist Myxomatose für Menschen nicht ansteckend, auch Hunden kann sie nicht gefährlich werden. Und das, obwohl es sich um einen Erreger aus der Familie der Pockenviren handelt.
Aufgefallen, so Dicke, sind die kranken Hasen im Frühjahr, als erstmals verendete Tiere gefunden und gemeldet wurden. „Im Kreis Wesel lassen wir immer wieder mal Totfunde untersuchen, im Frühjahr waren es drei positive Hasen in Alpen und Xanten.“ Das sagt nichts über die tatsächliche Zahl der verendeten Feldhasen aus, „die meisten Tiere findet man nicht“. Dennoch mehrten sich diese Meldungen, Jäger fanden verendete Hasen, Spaziergänger meldeten weitere an die Ordnungsämter. „Es gibt ein massives Seuchengeschehen mit einer erheblichen Dezimierung der Population“, erläutert der Amtsveterinär.
Mehr Hasen als Kaninchen im Labor
Obwohl diese Krankheit nicht unter das Tierseuchengesetz fällt, sie also nicht meldepflichtig ist, waren und sind Jäger angehalten, tote Tiere einzusenden. Sie gelangten zum CVUA-RWW in Krefeld, dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper. „Aktuell haben wir mehr Feldhasen als Kaninchen mit Myxomatose bei uns“, sagt Dr. Heidi Swyen, dortige Geschäftsbereichsleitung Tiergesundheit, „das Virus kommt aus Spanien und Portugal“.
Das Thema bewegt deutschlandweit und ist sehr aktuell, Swyen verweist auf einen erst am Donnerstag erschienenen Bericht von Friedrich-Löffler-Institut und Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung des Lanuv NRW in Bonn, die mitteilen: „Iberische Myxomavirus-Variante erstmals in Deutschland nachgewiesen.“ Mit einer Portion Galgenhumor konstatiert Dr. Antonius Dicke: „Wie immer, liegt der Kreis Wesel hier weit vorn.“ Besonders betroffen sei der linksrheinische Bereich, verschont blieb das Rechtsrheinische aber nicht.
Lanuv und Forschungsstelle teilen in Wissenschaftsdeutsch mit, dass es mit modernen Mitteln gelungen ist herauszufinden, dass das Myxomavirus einen neuen Wirt gefunden hat, den deutschen Feldhasen. „Diese Variante des Myxomavirus wurde erstmals 2018 in Spanien und Portugal bei Iberischen Hasen (Lepus granatensis) nachgewiesen und stellt eine natürliche Rekombination des klassischen Myxomavirus mit einem bisher unbekannten Pockenvirus dar“, so der Bericht. Man forsche weiter.
Hasenpest ist für Menschen ansteckend
Aktuell bedroht die Myxomatose die Hasenpopulation, diese „Kaninchenpest“ ist bei Hasen neu, für den Menschen aber laut Friedrich-Löffler-Institut ungefährlich. Zudem ist es den Tieren deutlich anzusehen, dass sie krank sind oder waren.
Anders ist das mit der üblicherweise im Frühjahr unter Feldhasen auftretenden Hasenpest, der Tularämie, „die sehen Sie gar nicht“, so Kreisveterinär Dr. Antonius Dicke. Sie wird durch ein Bakterium (Francisella tularensis) hervorgerufen und kann Menschen durchaus gefährlich werden.
Der Haut- oder Schleimhautkontakt mit befallenen Tieren kann krank machen, auch der Verzehr nicht ausreichend erhitzen Fleisches. Hunde zeigen meist nur milde Symptome.
Wilde Tiere, ob tot oder lebendig, sollte man aus den unterschiedlichsten Gründen nicht anfassen, eventuelle Krankheiten sind einer davon.
Derweil wurden nicht alle tot aufgefundenen Hasen eingeschickt, „wenn die Symptome eindeutig waren, sind sie einfach begraben worden“, so Dicke. Die Labore hätten die Mengen nicht bewältigen können. Übertragen wird das neue Virus durch direkten Kontakt zwischen den Tieren, kontaminiertes Futter sowie durch Stechmücken oder Flöhe, so das Friedrich-Löffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit.
Ist der Feldhase im Kreis Wesel nun ausgestorben?
Inzwischen ist etwas Ruhe eingekehrt beim Thema tote Feldhasen im Kreis Wesel. Zwei Gründe nennt Dr. Antonius Dicke dafür, einer ist traurig: Die Saison der Stechmücken neigt sich dem Ende entgegen. „Es sind aber auch nur noch wenige Hasen übrig, die infiziert werden könnten.“ Nur noch vereinzelt würden Totfunde gemeldet. Ist der Feldhase damit im Kreis Wesel ausgestorben? Ihre Art war auch vor der Seuche gefährdet. Doch Dickel zeigt sich optimistisch, „zum Glück sind diese Tiere sehr fortpflanzungsfreudig.“