Kreis Wesel. Drei junge Handwerker aus dem Kreis Wesel finden ihre Berufung abseits konventioneller Pfade. Ihre Geschichten zeigen, wie vielfältig Handwerkskarrieren sein können.
Drei junge Leute aus dem Kreis Wesel und ganz individuelle Wege zum Ziel: Jana John, Fabian Schröer und Ioannes Milousis haben ihren Platz im Handwerk gefunden. Fabian und Ioannes durften ihre Lossprechung schon feiern, Jana freut sich auf ihr zweites Lehrjahr.
Warum ausgerechnet das Handwerk? Ioannes ist von dem Trio wohl den verschlungensten Weg gegangen, hat es nun zum frisch gebackenen Gesellen gebracht, er ist Maler und Lackierer. Der 29-jährige Moerser liebt, was er tut, das nimmt man ihm ab. In Griechenland geboren, als Baby nach Deutschland, mit drei Jahren wieder zurück. Mit 19 war er wieder hier, diesmal allein. „Ich wollte nach Deutschland, für eine bessere Zukunft.“ Die Sprache zu lernen, war die erste Hürde und sie war hoch. Dann in der Gastronomie gearbeitet. „Irgendwann war mir klar: Das kann so nicht weiter gehen.“ Sechstagewoche, Weihnachten, Ostern, spätabends, immer nur arbeiten. Dass er etwas mit seinen eigenen Händen tun wollte, war klar. „Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, da war immer etwas zu tun“, sagt er. Auch immer etwas anzustreichen. Ioannis hat sich ein Herz gefasst und bei der Marschmann Gruppe in Moers angefragt, fand interessierte und engagierte Menschen, der Anfang war gemacht, Ioannis bekam seine Lehrstelle.
Fabian Schröer hat ebenfalls einen Umweg genommen, ist dann aber direkt auf die Überholspur gewechselt. Er ist 23, lebt und arbeitet in Wesel. Eigentlich sollte es ein Ingenieurstudium werden, inzwischen ist er Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik bei der Firma Rühl. Er begann an der FH Hagen Medizintechnik zu studieren, zog zu Hause aus. Dann kam Corona. „Meine Mutter bat mich, zurückzukehren“, erinnert er sich. Wieder daheim, baute er seine eigene Wohnung aus, fand heraus, dass es Spaß macht, anzupacken. „Die Uni wurde für mich immer unattraktiver. Viel Theorie, wenig Praxis. Irgendwann habe ich die Perspektive verloren.“ Auf der Suche nach seinem Beruf erinnerte er sich an ein Schülerpraktikum bei Rühl und sprach dort vor. „Der Chef kannte mich noch ein wenig“, sagt er. Inhaber Achim Raab habe es auch möglich gemacht, dass er sofort in die Ausbildung einsteigen konnte.
Das Praktium im Handwerk blieb in Erinnerung
Und da ist Jana John, eine junge Frau im Männerberuf, sie lernt Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik, im Volksmund „Gas, Wasser, Scheiße“. Die 20-jährige Moerserin hat damit kein Problem, „es kam nie ein doofer Kommentar. Es heißt häufig nur: ‚Oh, ein Mädchen‘“, sie lacht. Zuerst sei sie unsicher gewesen, was sie machen wollte. Da war dieses Praktikum in der neunten Klasse, da durfte sie mal schnuppern, entschied sich aber zunächst fürs Abitur an der Hermann-Runge-Gesamtschule in Moers. Und nun? Ein Biologiestudium? „Ich hatte Zweifel, ob das etwas für mich ist, immer nur sitzen und lernen.“ Jana nutzte die Chance, fragte, ob sie in den Ferien im Sanitärbetrieb Johann Düngen als Helferin arbeiten dürfe, wo sie ihr Praktikum absolviert hatte. Sie durfte und es hat ihr gefallen. Heute ist sie dort Auszubildende, arbeitet auf Baustellen, oder beim Kunden schonmal in einer dreckigen Kellerecke. Und es macht ihr Spaß, sie hat dort ihr berufliches Zuhause gefunden.
Drei angehende Handwerker, drei Herangehensweisen. Bereut haben sie ihre Entscheidung nicht. Ioannis konnte seine Sprachprobleme überwinden, „das erste Lehrjahr war hart, die Fachsprache war schon anders als das Alltagsdeutsch“, erinnert er sich. Mit der Zeit fiel es ihm leichter, mitzuhalten, vor einem Monat wurde er Geselle. Warum ihm das gefällt? „Ich freue mich, etwas mit meinen eigenen Händen zu machen“, sagt er. In einen Raum zu kommen, dort zu arbeiten und nach einer Woche zu sehen, was er daraus gemacht hat, das erfüllt ihn.
„Das ist auf eine gute Weise anstrengend, man sieht, was man getan hat“
Fabian Schröer weiß inzwischen genau, was er will: Wegen seiner Vorqualifikation durfte er gleich ins zweite Lehrjahr einsteigen, danach um ein weiteres halbes Jahr verkürzen. Sein Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr, „mal geht es zu einem Kunden, das ist entspannter. Manchmal ist es aber auch ein Rohbau mit Schlitzen, Stemmen und viele Kabelmeter“, erzählt er von seinem Alltag. „Das ist auf eine gute Weise anstrengend, man sieht, was man getan hat.“ Besonders schätzt er das Arbeitsklima auf Augenhöhe, „die Vorstellung: Da ist ein Meister über mir und schreit dich an, ist Blödsinn“, sagt der Elektroniker, Jana und Ioannis sehen es genauso. Man dürfe lernen und unterstützte einander, was der eine nicht weiß, kann die andere möglicherweise beisteuern und umgekehrt. Alle drei schätzen spürbar ihre Lehrherren und Kollegen.
Viele Vorurteile sind an das Handwerk gebunden
Warum viele junge Menschen das Handwerk trotz seiner Vorteile scheuen? „Man muss körperlich arbeiten, das ist nicht so entspannt wie eine sitzende Tätigkeit“, vermutet Jana, obwohl ihr gerade das gefällt. „Und es heißt, man könne nicht viel Geld verdienen.“ Letzteres, das wissen alle drei, ist Blödsinn, das Handwerk eröffne ihnen viele Wege. Man muss nicht bleiben, was man ist. Jana will erstmal Gesellin werden, ein wenig Erfahrung im Beruf sammeln. Dann die Meisterschule, auch Ioannis denkt an diesen Weg. Fabian hat sich für den Techniker entschieden. Meister stehen für die Praxis, Ingenieure für die Theorie und Techniker sind in der Mitte angesiedelt, erläutert er, die hohe Verantwortung sei gleich. Techniker im Außendienst, das ist sein Plan. Vier Jahre dauert es bis zum Techniker und er arbeitet bereits an seinem Ziel, drückt nach der Arbeit die Schulbank. Ioannis steht aktuell vor einer schönen Herausforderung: Bei seiner Frau ist das erste Baby unterwegs.