Kreis Wesel. Personalprobleme, fehlende Strukturen und keine Übergangsphase: Die Reform könnte die Krankenhäuser im Kreis Wesel vor Schwierigkeiten stellen.
Die zweite Anhörung zur Krankenhausreform ist durch, und noch immer wissen die Kliniken nicht, was die Zukunft bringt. Die wichtigsten medizinischen Leistungsbereiche sollen im Kreis Wesel beziehungsweise am Niederrhein weiter angeboten werden. Jedoch bringt der Umbau der Krankenhäuser Schwierigkeiten mit sich, die derzeit kaum abzusehen sind. Und gerade diese Ungewissheit erschwere die Planung enorm, sagt der Sprecher des Krankenhaus-Zweckverbandes Niederrhein, Conrad Middendorf, im Gespräch mit der Redaktion.
„Auf den ersten Blick könnte man vielleicht den Eindruck gewinnen, dass die Ergebnisse des aktuellen Anhörungsverfahrens zu keinen Versorgungskonflikten in der Region führen werden“, sagt Middendorf. Es sei aber fraglich, ob die vorgesehene Planung „auch auf Dauer für alle wirtschaftlich tragfähig ist“. Nur dann sei sichergestellt, dass die medizinischen Leistungen zukünftig noch in der Region erbracht werden können.
Klinkreform: Krankenhäuser im Kreis Wesel können nur spekulieren
Mitte Juni hatte das NRW-Gesundheitsministerium seine Vorstellungen zur Verteilung der verschiedenen Leistungsgruppen auf die Versorgungsgebiete und die dortigen Kliniken in Form von Anhörungsbögen mitgeteilt. Ein einheitliches Bild für alle Krankenhäuser am Niederrhein ergibt sich daraus nicht. Jedes Haus ist von den Vorschlägen unterschiedlich betroffen. Sie machen die Reform zu einem individuellen Rechenspiel.
„Alle Geschäftsführerkollegen sind gerade sehr intensiv damit beschäftigt, die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorgesehenen (Nicht-)Zuweisungen zu bewerten“, so Conrad Middendorf. Was nicht ganz einfach sei. So könne man gut ermitteln, welche Patientenzahlen durch den Wegfall einzelner Leistungsgruppen im eigenen Haus zukünftig fehlen. Schwieriger sei aber die Patientenzunahme zu ermitteln, wenn in einem benachbarten Krankenhaus ein Leistungsbereich wegfalle.
Ein großes Problem für viele Klinken ist laut Middendorf die vom Ministerium vorgesehene harte Umsetzung der Planung ab Januar 2025, obwohl die neuen Festsetzungsbescheide erst im Dezember 2024 verschickt werden sollen. Viele Häuser könnten dadurch in noch größere finanzielle Schwierigkeiten geraten, als sie ohnehin bereits sind.
„Insbesondere die Einrichtungen, bei denen komplette Leistungspakete wegfallen sollen, werden trotz der fehlenden Einnahmen ihre Kostenstruktur nicht so schnell anpassen können“, befürchtet der Zweckverbandssprecher. Eine längere Übergangsfrist sei dringend notwendig, da dieser Transformationsprozess „in keiner Weise durch das Land finanziell unterstützt“ werde.
Aber auch auf die Klinken, die zusätzliche Leistungen übernehmen sollen, sieht Middendorf Probleme zukommen – vor allem, wenn es um spezialisierte Leistungen geht. Der Ausbau entsprechender Strukturen kostet Zeit und könnte Folgen für die Versorgung haben. Es geht um Investitionen, zum Beispiel um OP-Kapazitäten, oder den Einkauf weiterer Geräte zur speziellen Diagnostik oder zur Therapie, aber auch um personelle Ressourcen, die wegen des großen Fachkräftemangels ohnehin schwierig zu füllen sein werden.
Kliniken im Kreis Wesel rechnen mit längeren Wartezeiten für Patientinnen und Patienten
„Gerade die spezialisierten Leistungen benötigen in der Regel besondere Qualifikationen, Weiterbildungen und Kenntnisse, um die Gesundheitsproblemen der Patienten qualifiziert beurteilen und behandeln zu können“, sagt Conrad Middendorf, der für Patientinnen und Patienten mit Terminschwierigkeiten rechnet. Es sei zu befürchten, „dass es durch die Verringerung der Anbieter spezialisierter Leistungen kurzfristig eher zu einer Leistungsverknappung und damit längeren Wartezeiten kommen wird“.
Allerdings: „Das Anhörungsverfahren ist noch keine abschließende Entscheidung, sondern ein Zwischenstand“, so Middendorf weiter. Aktuell könnten die Krankenhäuser zu der vom Ministerium beabsichtigten Zuweisung der Versorgungsaufträge Stellung nehmen. „Auf Basis dieser Stellungnahmen trifft das Gesundheitsministerium dann die endgültigen Entscheidungen.“ Und das Ministerium habe ausdrücklich betont, „fundierte Einwände zu prüfen und zu berücksichtigen“.
Hinsichtlich der Stellungnahmen möchten sich Krankenhaus-Zweckverband und Kreis Wesel eng abstimmen. Vor allem die Sondersitzung der Kommunalen Gesundheitskonferenz im Kreis Wesel am 31. Juli soll dazu dienen. Alle Einrichtungen sollen ihre Kritikpunkte zeitnah an den Kreis übermitteln, um in der Sondersitzung darüber beraten zu können.
Landrat kritisiert Vorgehen des Bundes
Beim Land sieht der Landrat noch Gestaltungsmöglichkeiten. Das Vorgehen des Bundes in Bezug auf die Krankenhausreform empfindet Ingo Brohl indes als deutlich kritischer: „Ich habe den Eindruck, wie viele andere auch, dass durch den Bund eine unkontrollierte und ungesteuerte Bereinigung der Krankenhauslandschaft in Deutschland erfolgen könnte oder teilweise schon im Gange ist.“ Aber gerade bei der Gesundheit brauche man ein planvolles Vorgehen, unter anderem, um nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Bevölkerung zu verunsichern und notwendige Strukturen zu erhalten.
Der Kreis sei immer offen für die Anliegen und Probleme der Krankenhäuser, „auch wenn seine Einflussmöglichkeiten oftmals begrenzt sind“, lobt Conrad Middendorf. „Die wesentlichen Entscheidungskompetenzen für die meisten Krankenhausthemen liegen beim Land und beim Bund.“ Im Hinblick auf die Krankenhausplanung habe die Kreisverwaltung aber klar signalisiert, sich für die Krankenhäuser einzusetzen.
Dieses Signal erneuert Landrat Ingo Brohl auf Anfrage der NRZ: Ihm sei sehr bewusst, „dass die Krankenhäuser einen verlässlichen Planungsrahmen und ausreichende Finanzausstattung brauchen“. Dies gelte auch für notwendige Übergangszeiten, gerade weil sich eigentlich alle im Kern einig seien, „dass es für eine zukunftsfähige Krankenhauslandschaft Anpassungen und Neuausrichtungen bei den Leistungsspektren geben muss“. Die auf der Konferenz formulierten Ziele und gemeinsamen Anliegen wolle er „über meine Kanäle nach Düsseldorf“ tragen, so Brohl.