Kreis Wesel. Nachdem eine Emmericher Klinik in die Insolvenz gerutscht ist, fordern die Krankenhäuser im Kreis Wesel mehr Geld und Tempo bei der Reform.

Die finanzielle Anspannung in den Kliniken am Niederrhein ist schon lange groß. Doch nachdem das St.Willibrord-Spital Emmerich-Rees vergangenen Freitag einen Antrag auf Insolvenz gestellt hat, mehren sich die Sorgenfalten. Von Insolvenz redet hier niemand, doch alle Krankenhäuser und Klinikverbünde fordern eine deutlich verbesserte Finanzierung und mehr Tempo bei den Reformvorhaben auf Bundes- und Landesebene. „Ansonsten ist auch weiterhin mit einer ungeordneten Strukturbereinigung durch Insolvenzen zu rechnen“, sagt der Sprecher des Krankenhaus-Zweckverbandes Niederrhein und Geschäftsführer der St.-Franziskus-Stiftung im Rheinland, Conrad Middendorf, auf Anfrage der NRZ.

Krankenhaus-Chefs im Kreis Wesel: Wenn sich nichts ändert, wird es noch mehr Insolvenzen geben

So wie in Emmerich. Dass mit dem Willibrord-Spital ein Pro-Homine-Haus und damit ein größerer Krankenhausträger betroffen ist, gibt Ralf H. Nennhaus zu denken. Das allein sei ein Indiz dafür, wie schwierig die Situation überall derzeit sei, sagt der Regionaldirektor der GFO-Kliniken Niederrhein mit Häusern in Moers, Dinslaken und Duisburg. Das Problem: „Alle wissen es, aber es ändert sich nichts.“ Der Vorstand der Stiftung Bethanien und Krankenhausdirektor des gleichnamigen Krankenhauses in Moers, Ralf Engels, verdeutlicht die Situation mit einem altbekannten Konflikt: Seit mehr als zwei Jahren habe man durch Inflation, Energiekosten und Tarifsteigerungen mit deutlichen Kostenanstiegen zu kämpfen, die man nicht abgedeckt bekomme. Politisch werde das Problem aber nicht gelöst.

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Laut Conrad Middendorf ist gerade dieses Zögern Gift für die Krankenhäuser. Bundesweit habe die Anzahl an Klinikinsolvenzen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. „Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und die Krankenhäuser selbst warnen seit langem vor einer entsprechenden Entwicklung“, so Middendorf weiter, der keine große Hoffnung hat, dass sich an der Situation schnell etwas ändert. Da auch die aktuellen Gesetzesvorhaben auf Bundesebene keine kurzfristigen finanziellen Entlastungen der Kliniken vorsähen, „ist eine Trendumkehr derzeit nicht absehbar“.

Allerdings ist eine auskömmliche Finanzierung laut Middendorf die Grundlage für eine erfolgreiche Krankenhausreform auf Bundes- und Landesebene. „Die Krankenhäuser benötigen kurzfristig eine nachhaltige finanzielle Entlastung, insbesondere einen vollständigen Ausgleich der bislang nicht refinanzierten inflationsgetriebenen Betriebskostensteigerungen der Jahre 2022 und 2023“, fordert der Zweckverbandssprecher. „Nur dann können die geplanten Reformvorhaben auf Bundes- und Landesebene auch zielgerichtet vorangebracht werden, um eine zukunftsfähige Krankenhauslandschaft zu schaffen.“

Krankenhausreform: „Es wird sicherlich eine Flur- und Strukturbereinigung geben“

Die Krankenhäuser sperren sich nicht gegen Reformen. Das haben sie in der Vergangenheit häufig betont. Es sei klar, dass „am Ende nicht jedes Krankenhaus auch alles machen kann“, sagt GFO-Regionaldirektor Ralf Nennhaus. Es werde sicherlich auch „eine gewisse Flur- und Strukturbereinigung geben“, diese müsse aber gezielt gesteuert sein, „anstatt einfach abzuwarten, wer pleitegeht“. Gerade auf Bundesebene habe er das Gefühl, „dass Insolvenzen gezielt in Kauf genommen werden“, so Nennhaus weiter.

Auf Landesebene werde zumindest versucht, die konkrete Situation abzubilden. Nennhaus rechnet damit, dass jede Klinik gewisse Einschränkungen im Rahmen der Reform in Kauf nehmen muss. „Im Kreis Wesel gehe ich davon aus, dass alle Krankenhäuser mit veränderten Leistungsangeboten in die Zukunft gehen werden.“ Es werde persönliche Enttäuschungen geben. Bedeutet: Jede Klinik wird sich von verschiedenen medizinischen Bereichen trennen müssen. Welche das sind, ist noch nicht final geklärt.

Kliniken im Kreis Wesel sind noch nicht besorgt

Auf Nachfrage nennen die Krankenhäuser im Kreis Wesel die Situation zwar herausfordernd und angespannt, sie sehen sich aber noch vergleichsweise gut aufgestellt. Alles sei sehr anstrengend, sagt Bethanien-Vorstand Ralf Engels. „Aber wenn es so weitergeht, sind wir guter Hoffnung, dass wir gut durch den Sommer und den Herbst kommen.“ Ralf Nennhaus nennt die wirtschaftliche Lage ebenfalls angespannt. Er sei froh, dass man mit dem St.Josef-Krankenhaus im GFO-Verbund sei. Auch das St.Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort und das Evangelische Krankenhaus Wesel (EVK) sprechen von einer vergleichsweise stabilen Lage. „Grundsätzlich blicken auch wir mit Sorge auf die Entwicklungen in der deutschen Kliniklandschaft“, schreibt EVK-Geschäftsführer Heino ten Brink auf Nachfrage. „Allerdings besteht nach heutigem Stand für den Gesundheitscampus Wesel derzeit und auch für die nächsten Jahre bezüglich einer drohenden Insolvenz keine Gefahr. Zwar ist das EVK weiterhin auch von den nicht refinanzierten Personalkosten betroffen. Allerdings konnte die Weseler Gesundheitseinrichtung aufgrund einer derzeit erfreulicherweise sehr hohen Nachfrage des Leistungsangebotes sowie Einmaleffekten aus Nachzahlungen der Pflegesatzverhandlungen ihre wirtschaftliche Prognose für das laufende Jahr stabilisieren.“ Auch im St. Bernhard-Hospital hat sich die Belegung laut eigener Aussage seit dem vergangenen Sommer spürbar verbessert, „unsere Behandlungs-/Fallzahlen haben wieder das Niveau vor der Coronapandemie erreicht“. Das führe zu einer aktuell noch stabilen Situation. „Gleichzeitig lagen aber die Inflationsraten und Personalkostensteigerungen in den letzten Jahren deutlich über den Steigerungen des Landesbasisfallwerts. Diese kumulierte Inflationslücke belastet alle Krankenhäuser zunehmend und wird auf Dauer nicht zu kompensieren sein“, warnt das Krankenhaus.

Kürzlich hat das Gesundheitsministerium seine ersten Stellungnahmen für die vier Leistungsgruppen Innere Medizin, Chirurgie, Geriatrie und Intensivmedizin für die einzelnen Regionen veröffentlicht. Gerade in der Intensivmedizin komme der Kreis Wesel gut weg, so Nennhaus. Ebenso werde in Zukunft angesichts des demografischen Wandels vor allem die Geriatrie immer wichtiger. Mit Spannung warten die Krankenhäuser nun auf die Veröffentlichung der weiteren Leistungsbereiche Mitte Juni.

Wichtig sei, so Nennhaus, „dass die Krankenhausreform endlich zum Abschluss gebracht wird“ und die Finanzierung langfristig gesichert werde. Andernfalls drohen noch mehr Insolvenzen, sagt Zweckverbandssprecher Conrad Middendorf. „Diese werden dann sicherlich auch Einrichtungen treffen, die eigentlich notwendig sind, um eine wohnortnahe medizinische Versorgung sicherzustellen.“