Essen. Doch noch beschäftigen die Sozialgerichte an Rhein und Ruhr andere Themen. Vor allem der Abrechnungsstreit zwischen Kliniken und Krankenkassen.

Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen um Abrechnungen beschäftigen die Sozialgerichte in NRW weiterhin auf hohem Niveau – und sie kosten die Beitragszahler enorme Summen.

Ein solches Verfahren mit einem Streitwert von 5000 Euro produziert Kosten von rund 4500 Euro, rechnet Martin Löns, Präsident des Landessozialgerichts in Essen bei der Vorstellung der Jahresbilanz, vor. Und diese Kosten muss entweder die Krankenkasse oder das Krankenhaus bezahlen. So oder so aber bleiben sie im System und werden durch den Beitragszahler getragen.

Rund 20.000 Krankenversicherungsverfahren beschäftigten die Sozialgerichte in NRW im vergangenen Jahr, 15.000 Verfahren davon drehen sich allein um Abrechnungsstreitigkeiten; zum Beispiel um die Frage, wie viele Tage ein Patient im Krankenhaus bleiben musste.

„Da werden Beiträge in Milliardenhöhe verbrannt“

„Muss das eigentlich sein?“, fragt Löns. „Da werden Beiträge in Milliardenhöhe verbrannt“, sagt er und fordert den Gesetzgeber zu einer Revision auf. „Wir werden hier zum Reparaturbetrieb des Gesetzgebers.“

Vorstellbar sei, so Löns auf Nachfrage der NRZ, dass nur noch Verfahren ab einem gewissen Streitwert vor Gericht ausgetragen und Schiedsverfahren vorgeschaltet werden. 50 Richter würden sich allein mit diesen Streitigkeiten beschäftigen. Den Höhepunkt dieser Klagewelle verzeichneten die Gerichte in den Jahren 2018 und 2019. Im vergangenen Jahr nahmen die Verfahren um 360 Fälle auf nunmehr 19.711 zu.

Long-Covid wird Gerichte umtreiben

Viele Rechtsstreitigkeiten drehen sich zudem um die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Eingänge hier zwar um knapp 19 Prozent (4528 Verfahren) rückläufig, doch das Landessozialgericht erwartet auch hier wieder steigende Zahlen, wenn es eine Rückkehr zu normalen Arbeitsbedingungen geben wird. Zuletzt habe es pandemiebedingt einen vereinfachten Zugang zur Grundsicherung gegeben, erläutert Löns.

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Auch die Prüfung der Ansprüche auf die Grundrente, Kurzarbeitergeld oder Leistungsansprüche aus der Rentenversicherung bei Long-Covid wird die Sozialgerichte künftig beschäftigen, prognostiziert er. Noch seien die Corona-Fälle nicht in großem Ausmaß angekommen, meint Löns, verweist aber auf die Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Demnach verzeichnete sie 132.000 Verdachtsmeldungen auf eine beruflich bedingte Covid-19-Erkrankung zum Ende des vergangenen Jahres. Knapp 87.000 Fälle davon hat die Berufsgenossenschaft nach eigenen Angaben bis dato als Berufskrankheit (BK) anerkannt.