Kranenburg-Wyler. Tausende Niederländer kommen jede Woche über die Grenze nach Deutschland, um im Kreis Kleve einzukaufen. Es gibt riesige Preisunterschiede.
Thed Maas macht sich keine Illusionen: „Bei solchen Preisunterschieden wird der Verkehr vor meiner Haustür nicht so schnell weniger“, sagt der sympathische Niederländer aus Kranenburg-Wyler. Seit gut zwei, drei Jahren hat der Verkehr auf der Hauptstraße enorm zugenommen. Der Grund: Niederländer kaufen wie verrückt Drogerieartikel und Lebensmittel in Deutschland ein.
Niederländisches Konsumentenmagazin machte Testkäufe
Warum das so ist, darüber hat das niederländische Konsumentenmagazin Kassa jüngst einen eindrucksvollen Beitrag veröffentlicht, der landesweit viel Beachtung fand. Die Journalisten haben im Kreis Kleve verschiedene Artikel bei dm gekauft und 73,75 Euro dafür ausgegeben. Die vergleichbaren Artikel in den Niederlanden beim Drogeriemarkt Kruidvat kosteten 161,69 Euro. Selbst wenn man mit dem Auto von Utrecht nach Emmerich fährt und die Benzinkosten in Höhe von 22,60 Euro abzieht, lohnt sich der Einkauf noch, hieß es in der Verbrauchersendung. Auch andere Online-Beiträge verdeutlichen die enormen Preisunterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland. Tabak ist so viel günstiger, dass in Kleve die Tabakläden wie Pilze aus dem Boden schießen.

Die Niederlande sind zwar das Land der Dauerangebote, aber selbst wenn man die Schnäppchenpreise für Drogerieartikel berücksichtigt, sind die Preisunterschiede immer noch enorm. So kostet ein bekannter Weichspüler in Deutschland 2,65 Euro, in den Niederlanden zahlt man für die gleiche Packung sechs Euro. Auch ein bekanntes Geschirrspülmittel ist in Deutschland mit 1,95 Euro deutlich günstiger als im Nachbarland mit 5,24 Euro. Selbst das Päckchen Schlagsahne kostet in Deutschland nur einen Bruchteil (60 Cent) von dem, was die Niederländer auf den Tisch legen müssen: 1,40 Euro.
Grenzorte werden seit gut zwei Jahren regelrecht überrannt
Diese enormen Preisunterschiede führen dazu, dass Grenzorte wie Elten, Emmerich, Kranenburg, Kleve und Goch seit gut zwei Jahren jede Woche regelrecht überrannt werden. „Die Leute kommen aus Rotterdam, Tiel, Utrecht oder Den Haag“, beschreibt Maas das Problem und erzählt eine Anekdote: „Auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol kam ich mit einer netten Dame ins Gespräch. Sie erzählte mir, dass sie aus Rotterdam käme und ich wollte ihr gerade erklären, wo Wyler liegt. ´Ach Wyler, das kenne ich‘, unterbrach sie mich. ´Da fahre ich jede Woche zum Einkaufen hin.´ Ist das nicht verrückt?“

Thed Maas und seine Nachbarn aus Wyler haben Verständnis für die Völkerwanderung am Wochenende, aber die Verkehrsbelastung geht ihnen langsam auf die Nerven. Denn auf der Hauptstraße verkehren an einem durchschnittlichen Freitag oder Samstag gut 2000 Autos pro Stunde. Bis abends um 17 Uhr geht samstags oft nichts mehr: „Es staut sich bis vor meiner Haustür“, erzählt Maas. Und dieses Verkehrschaos sei selbst verschuldet, findet er.
Ortsvorsteher muss sich oft Klagen der Anwohner anhören
Klaus van Horrick ist Ortsvorsteher von Wyler und muss sich oft die Klagen der Anwohner anhören. „Niemand hat damit gerechnet, dass das Einkaufszentrum am Großen Haag so gut angenommen wird“, sagt er. Er drängt darauf, dass die Verkehrsinfrastruktur endlich angepasst und an der Tiggelstraße eine Ausfahrt auf die B9 gebaut wird. Dann wären viele Probleme für Wyler, aber auch für Kranenburg selbst gelöst: Der Verkehr könnte über die Umgehungsstraße direkt zum Einkaufszentrum am Großen Haag geleitet werden. Denn nicht nur in Wyler herrscht oft Chaos, auch in Kranenburg verstopfen all die Autos mit den gelben Nummernschildern die Straßen. An den Tankstellen vor Haus Hünnekes geht ziemlich oft ziemlich wenig.
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Dass die Anbindung an die B9 so lange auf sich warten lässt, hängt mit naturschutzrechtlichen Vorgaben zusammen. Denn in dem Gebiet leben selten gewordene Wiesenvögel, die geschützt sind. Für die beiden Bewohner von Wyler fällt die Abwägung eindeutig zu Gunsten der Anwohner aus.
Anwohner von Wyler wünschen eine Ausfahrt auf die B9
„Der Verkehr hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Und wir würden uns nicht beklagen, wenn es keine Lösung gäbe. Aber es gibt sie“, sagt Thed Maas. Allerdings ist die Lösung schwierig umzusetzen. Die Tiggelstraße ist eine Kreisstraße und für die B9 ist Straßen NRW zuständig. Beide Instanzen müssen überzeugt werden. Bürgermeister Ferdinand Böhmer arbeitet gerade an einer Lösung. Er steht im Austausch mit den zuständigen Baulastträgern Straßen.NRW und Kreis Kleve. Die Gespräch seien vielversprechend. Eine Verkehrsstudie sei schon in Auftrag gegeben worden und im März stehe ein Gespräch mit dem Kreis Kleve an.
Auch Böhmer merkt, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Niederländer den Weg über die Grenze finden, um hier einzukaufen. „Das Preisgefälle hat sich sehr verändert“, so der Bürgermeister. Um die Tiggelstraße an die B9 anzubinden würde man idealerweise einen Kreisverkehr errichten, so Böhmer. Er hofft darauf, dass man Ende des Jahres Licht am Ende des Tunnels sieht.
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Weder Thed Maas noch Klaus van Horrick glauben, dass sich die Situation bald ändern wird. Denn in den Niederlanden wird die Mehrwertsteuer von 21 auf 21,4 Prozent erhöht und für Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken. Damit der Einkauf im Supermarkt wieder billiger wird.... Alles eine Frage der Perspektive.