Kleve. Bevor der Film beginnt, wird schon scharf geschossen: Im Werbeblock der Klever Kinos treffen die Nationalpark-Parteien aufeinander

Normalerweise müssen die Besucher des Klever Kinos bis zum Beginn des Hauptfilms warten, um einmal mehr das Ringen zwischen Gut und Böse betrachten zu dürfen. Seit einigen Tagen jedoch haben Cineasten das Vergnügen, eine solche Auseinandersetzung schon im Vorprogramm sehen zu dürfen – wobei für viele Besucher allerdings die Fronten nicht so ganz klar definiert sein dürften. Der Grund: Sowohl die Mitstreiter der Initiative für einen Nationalpark Reichswald wie auch die Gegner des Vorhabens versuchen vor dem Bürgerentscheid die Kinogänger mit eigenen Werbespots auf ihre Seite zu ziehen. Kinobetreiber Reinhard Berens verhält sich neutral, beide Gruppierungen bekamen die Werbezeit kostenlos zur Verfügung gestellt.

Die Kino-Kurzkritik

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Wie aber fallen die beiden Kurzfilme in der Kinokritik aus?

Der Streifen der Initiative Nationalpark Reichswald ist 35 Sekunden lang und präsentiert fünf Testimonials (drei Frauen, zwei Männer), wobei die ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks als letzte ins Feld geführt wird. Ins Feld geführt ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen, denn alle Protagonisten stehen im Walde. Barbara Hendricks sagt: „Ich bin für den Nationalpark Reichswald, weil wir unsere Artenvielfalt schützen müssen.“ Zwischen den einzelnen Fürsprechern werden Bilder der Waldidylle gezeigt, unter anderem mit Spechten aber auch mit Spaziergängern und Reitern, was vermutlich unterstreichen soll, dass derlei Aktivitäten auch in einem möglichen künftigen Nationalpark Reichswald möglich sind. Insgesamt etwas bieder, aber der Sache angemessen und unaufgeregt.

Düstere Thrillerstimmung

Sport im Kino
Kinospots Nationalpark KleveTichelpark Kino KleveThema Reichswald / Bürgerbegehren © PR | Ralf Daute

Demgegenüber präsentiert der 30 Sekunden lange Film der Nationalparkgegner in düsterer Thrillerstimmung die apokalyptische Vision einer Zukunft mit einem Nationalpark, deren Klimax Bilder eines nach einem Brand verkohlten Waldstücks sind. Aus dem Off werden die Bilder von einem professionellen Sprecher kommentiert, dessen Timbre ihn auch als Kommissar in einer Fernsehserie geeignet erscheinen lässt. Er sagt: „Nationalpark – das klingt erst einmal fantastisch.“

Wo hier im Text der Gedankenstrich steht, ist im Film noch eine hämisch klingende Interjektion zu hören, fast so, als ob Robert de Niro einen Gesprächspartner süffisant niedermetzeln würde. Sodann werden Gegenargumente aufgeführt, „nur einige“, wie es heißt. „Mehrere Millionen Mehrkosten jedes Jahr“, wozu im Bild die Hände eines im Wald 200 Euro Scheine zählenden Anzugträgers gezeigt werden.

Abgebrannte Wälder, verbrannte Kohle

„Weniger Schutz für die Wildtiere“, dazu zeigt der Spot ein einsam über die Landstraße trottendes Wildschwein. „Erhöhte Brandgefahr“ (verkohlte Baumstümpfe), „stark eingeschränkte Betretungsrechte“ (zwei Frauen mit einem umhertollenden deutschen Schäferhund). Das Ganze ist unterlegt mit Musik, die auch zu einer Dokumentation über Tschernobyl passen würde. Der Text am Ende: „Der Reichswald ist bereits ein funktionierendes Ökosystem. Es ist gut so wie es ist. Sehr gut sogar.“

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Die beiden letzten Sätze klingen eins drüber, man denkt sofort, dass es sich um ein Filmzitat handeln könnte, und richtig, in der Actionkomödie „Pain & Gain“ aus dem Jahr 2013 heißt es an einer Stelle: „Zusammen spielen klingt gut, sehr gut sogar. Obwohl ich keine Ahnung habe, was du damit meinst.“

Die düstere Zukunftsvision

Der Gegner-Spot hat zwar das dramaturgische Problem, dass die Düsternis der Zukunftsvision das „Gut-sehr-gut“ am Ende überlagert, unterm Strich aber wird der Kinobesucher bei beiden Filmen bei Eiskonfekt und Popcorn schon vor dem Hauptfilm mit den Möglichkeiten cineastischer Manipulation konfrontiert, was in pädagogischer Hinsicht unbedingt zu begrüßen ist.

Fünf von fünf Sternen.