Kleve. Das WDR-5-Stadtgespräch beschäftigte sich mit der katastrophalen Verkehrsunfall-Bilanz im Kreis Kleve. Es gab überraschende Antworten.

Immerhin gibt es zumindest während der Sendung keinen Alarm. Donnerstagabend kam das WDR5-Stadtgespräch live aus der Klever Feuerwache, die zahlreichen Besucher saßen zwischen den Einsatzfahrzeugen, Thema war die fürchterliche Bilanz des Kreises Kleve im Hinblick auf Opfer im Straßenverkehr. Kleve ist Schlusslicht in NRW. Oder, wie Achim Jaspers, Leiter Direktion Verkehr bei der Polizei Kleve, es ausdrückte: „Um auf den vorletzten Platz zu kommen, müssten wir sechs Tote und 36 Verletzte im Jahr weniger haben.“

Alkohol und Drogen spielen eine wichtige Rolle

Dabei hatte es schon am Vormittag wieder einen schweren Verkehrsunfall mit zwei lebensgefährlich Verletzten im Südkreis gegeben. Warum ist das so? Dafür, so wurde rasch klar, gibt es mehrere Gründe. Neben der Raserei fällt vor allem der rasante Anstieg von Unfällen auf, bei denen Alkohol und Drogen im Spiel waren. Vor drei Jahren gab es noch 23 Fälle, letztes Jahr waren es 69. Jaspers: „Inzwischen fahren Leute zu allen Tageszeiten mit Alkohol oder Drogen im Blut.“ Erst kürzlich haben sie jemanden mit fast vier Promille erwischt – unfassbar.

Stadtgespräch
Moderator Ralph Erdenberger, betroffener Vater Thorsten Strohschän, Roman Suthold vom ADAC Nordrhein, Achim Jaspers von der Polizei Kleve. © NRZ | Andreas Daams

Wenn der Opferschutz klingelt

„Die Menschen überholen mit hohem Risiko und schätzen die Geschwindigkeiten falsch ein.“

Roman Suthold,
vom ADAC Nordrhein.

Am Ende klingeln dann nachts um ein Uhr die Opferschützer der Kreis Klever Polizei an der Tür und teilen mit, dass der Sohn schwer verunglückt ist. So erging es Thorsten Strohschän im letzten Oktober. Da hatte es seinen Sohn als Beifahrer getroffen. „In dem Moment hörte die Welt auf, sich zu drehen“, erzählt er. Zwar hat der Sohn überlebt, aber muss nun ganz neu ins Leben finden. Und noch eine Botschaft hatte Strohschän: Wenn so etwas eintritt, kann man als Eltern keinerlei Entscheidungen über das Kind treffen, es sei denn, man hat eine Vorsorgevollmacht. Auch so ein Thema, über das niemand gerne nachdenkt.

Niederlande als Vorbild

Roman Suthold, Leiter Fachbereich Verkehr und Umwelt beim ADAC Nordrhein, konnte einige Fakten über die Unfälle benennen: So passieren 60 Prozent aller tödlichen Unfälle auf Landstraßen – und davon hat der Kreis Kleve nun einmal besonders viele. „Die Menschen überholen mit hohem Risiko und schätzen die Geschwindigkeiten falsch ein.“ Gut wären etwa ausgewiesene Überholstreifen oder bauliche Veränderungen wie in den Niederlanden. Überhaupt, die Niederlande: Dort hatten einige Besucher positive Erfahrungen gesammelt, gerade im Hinblick auf häufige Radarkontrollen, ruhigeren Verkehrsfluss und befestigte Mittelstreifen, sodass Überholen unmöglich wird. Auf einigen Strecken dort wird durch mehrere Radarmessungen auch die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt. „Das ist in Deutschland aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich“, so Jaspers.

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Und so blieb Moderator Ralph Erdenberger nur noch die Frage nach anderen Maßnahmen, um den Alptraum Straßenverkehr im Kreis Kleve

Was sollte man tun?

Grundsätzlich Tempo 80? Davon hielt auch der Landrat nichts. Mehr Kontrollen? Finden alle gut, nur fehlt dafür leider das Personal. Bauliche Maßnahmen? Da ist Straßen NRW beteiligt, das kostet Geld, dauert lange, also passiert da wohl nichts. Prävention? Das macht man schon, Polizei und Verkehrswacht gehen an Schulen, Eltern von Opfern berichten, auch ein Filmchen hat man produziert. „Vielleicht erreicht man damit von 20 Jugendlichen drei“, erhofft sich Strohschän. Besser als nichts.

Nicht nur Angehörige leiden unter den Unfällen, sondern auch die Helfer. „Am Anfang ist es schlimm“, berichtet ein freiwilliger Feuerwehrmann, der schon bei verschiedenen Verkehrsunfällen im Einsatz war. „Aber man härtet innerlich ab.“ Wenn jedoch Kinder involviert sind – das wird man so schnell nicht wieder los.