Essen. Bei Notrufmissbrauch droht eine Strafanzeige. Auch Fehlalarme können richtig teuer werden. Was Feuerwehr und Polizei in Essen täglich erleben.
Der junge Mann und der Mast: Etwa zwölf Meter hoch kam ein Essener vor einigen Wochen im Emscherpark, ehe ihn der Mut verließ. Die Feuerwehr holte ihn in jener Januarnacht vom Hochspannungsmast herunter. Die Aktion hätte den Jungen das Leben kosten können, nun geht sie nur ins Geld. „Grobe Fahrlässigkeit“ heißt das Schlüsselwort, welches die Stadt Essen berechtigt, sich die Kosten für den Feuerwehreinsatz erstatten zu lassen. Der junge Mann hat sich durch die riskante Aktion selber in Gefahr gebracht.
Wie hoch die Rechnung ausfällt, muss die Verwaltung in seinem Fall noch ermitteln. Es ist eine kleinteilige Angelegenheit, auf Grundlage der Essener Feuerwehrsatzung und des Einsatzberichtes. Ein ganzer Löschzug war ja da, besetzt mit 16 Einsatzkräften. Später kamen Höhenretter zur Verstärkung. 176 Euro pro Stunde beträgt beispielsweise die Gebühr für eine Drehleiter, 45 Euro für eine Feuerwehrkraft, 104 Euro für den Einsatzleitwagen. Es wird für den Kletterer sicher satt vierstellig.
Viele „Hosentaschenanrufe“: Essens Feuerwehrsprecher im Video
Feuerwehr Essen lässt sich bestimmte Einsätze von Bürgern bezahlen
Wie viel Geld sich die Essener Feuerwehr jährlich von Bürgern und Bürgerinnen zurückholt, dazu gebe es keine Zahlen, sagt deren Sprecher Christian Schmücker. Es sei aber keine Seltenheit. Viel häufiger als grober Leichtsinn oder Absicht seien Fälle, in denen die Feuerwehr in Konkurrenz zu einem Wirtschaftsunternehmen tritt. Er nennt ein typisches Beispiel: Ein umgestürzter Baum muss beseitigt werden, was auch ein Fachbetrieb erledigen könnte, wenn keine akute Gefahr besteht. In solchen Fällen lege die Feuerwehr den Auftraggebern einen formellen Vertrag vor und beziffere auch die Kosten. 52 Euro pro Stunde kostet etwa der Einsatz einer Motorsäge. Plus Fahrzeugeinsatz, plus Personal.
Oder: Jemandem ist das Seil der Handbremse gerissen, das Auto steht nahe an einer Böschung. Wenn keine Gefahr in Verzug ist, niemand verletzt zu werden droht, kann auch ein Abschleppunternehmen gerufen werden. Der Feuerwehreinsatz wird kostenpflichtig. Mit 120 Euro pro Stunde schlägt beispielsweise der Einsatz eines Kranwagens zu Buche. Plus Personal.
Brandmeldealarme: Rechnung über 2108 Euro für Fehlalarme
Auch zur Zahl der Fehlalarme, die ebenfalls kostenpflichtig sein können, hat die Essener Feuerwehr keine konkreten Daten. Ob ein Einsatz auf diesem Grund abgebrochen wird oder ins Leere läuft, werde statistisch nicht erfasst. Laut Feuerwehrsatzung der Stadt Essen müssen die Eigentümer von Brandmeldeanlagen die Einsatzkosten zahlen, wenn diese „nicht bestimmungsgemäß“ oder missbräuchlich ausgelöst werden. Häufig passiere das etwa in zentralen Essener U-Bahn-Stationen, so der Feuerwehrsprecher.
„Wir fahren jeden Notruf mit vollem Elan an.“
Die Rechnung gehe dann an die Ruhrbahn, in der Regel werden 2108 Euro fällig. Es ist dann Sache des Verkehrsunternehmens, sich das Geld wiederzuholen, etwa von übermütigen Jugendlichen. Sehr häufig ist die Essener Feuerwehr in den letzten Monaten zum neu eröffneten Königshof in der City ausgerückt, wo es vielerlei technische Tücken gibt. So waren anfangs Brandmeldeanlagen zu nahe an Backshop im neuen Aldi-Discounter installiert. Jedes Mal wird der stets aufwändige Feuerwehreinsatz den Eigentümern in Rechnung gestellt. Die Feuerwehr sieht im Königshof weiterhin Nachbesserungsbedarf, macht den Hausherren aber keinen Vorwurf: „Bei einer so grundlegenden Sanierung kann man nicht alles bedenken.“
Böswillige Alarmierung: Geld- oder Freiheitsstrafe droht
Und dann gibt es die böswilligen Fälle, ebenfalls geregelt in der Feuerwehrsatzung der Stadt Essen (§ 2 Abs. 2). Wer vorsätzlich grundlos die Feuerwehr alarmiert, muss nicht nur den Einsatz bezahlen, sondern es droht eine Strafanzeige wegen Notrufmissbrauchs: Laut § 145 StGB kann dafür eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden. Auch die Polizei wird gelegentlich ohne Not gerufen, das beginnt beim Kinderscherz und geht bis zur kriminellen Absicht.
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Vor rund zwei Jahren hatten Klimaaktivisten die Essener Polizei und Feuerwehr mehrmals unnötig alarmiert – über eine Notruf-App. Unter anderem wurde ein angeblicher Gasaustritt gemeldet und ein bewaffneter Einbruch. Die Verursacher schrieben damals über die Chat-Funktion der App: Der „wahre Notfall“ sei die drohende Klimakatastrophe. Ähnliches geschah in anderen Städten und wurde ein Fall für den Staatsschutz.
Notrufmissbrauch: Laut Polizei mehr als 150 Strafanzeigen jährlich in Essen
Im Jahr 2023 seien in Essen 154 Strafanzeigen wegen des Missbrauchs von Notrufen erstattet worden, teilt die Polizei auf Anfrage mit. Im Vorjahr waren es 151 solcher Fälle – betreffend sowohl die 110 als auch die 112. Neuere Zahlen für 2024 lägen noch nicht vor, da die Kriminalstatistik für 2024 noch nicht abschließend ausgewertet sei. Ob es Absicht war, sei im konkreten Fall oft schwer zu sagen, ergänzt Polizeisprecher Matthias Werk: „Da die Grenze zwischen ,Spaßanruf‘ und ,verwählt‘ teilweise fließend ist, wird nicht zwingend in jedem Fall eine Strafanzeige gefertigt.“
Dass Menschen versehentlich die 112 wählen, komme recht häufig vor, sagt Feuerwehrsprecher Christian Schmücker: „Hosentaschenanrufe“, bei denen die Notruffunktion des Handy unmerklich aktiviert werde. Dafür gebe es die klassischen, besonders bei Kindern beliebten Mutproben aus der Telefonzelle heraus nicht mehr.
Ein immenses Problem der Feuerwehr, nicht nur in Essen, sind die zahlreichen Einsätze des Rettungsdienstes aus nichtigem Anlass. Die Kosten werden dennoch von den Krankenversicherungen getragen und nicht in Rechnung gestellt, da die Helfer in der Regel keine böse Absicht unterstellen. „Wir fahren jeden Notruf mit vollem Elan an“, versichert Feuerwehrsprecher Christian Schmücker. Denn ob wirklich ein Notfall besteht oder nicht, sei oft erst vor Ort zu entscheiden.
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