Essen-Bergerhausen. Vor 15 Jahren hat eine Ärztin aus Essen ihre Leidenschaft für Spitze entdeckt. Seitdem geht es trubelig zu in ihrem Leben. Ein Besuch.
Alexandra Kucharski ist in ihrem Stadtteil bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Oder besser gesagt: wie 13 bunte Hunde. Wenn die Ärztin aus Essen-Bergerhausen mit ihren Tieren Gassi geht, ist das wuselig. Ihr gehören mehr als ein Dutzend flauschige Spitze, dazu gibt es derzeit vier Welpen.
Mit Animal-Hoarding, also dem krankhaften Sammeln von Tieren, hat das alles nichts zu tun. Alexandra Kucharski ist Züchterin. „Ich habe eine ausgeprägte Form von Spitzitis“, sagt die Ärztin und lacht dabei. Das sei eine unheilbare, ansteckende, aber zum Glück nicht tödliche „Krankheit“, beschreibt sie ihre Leidenschaft mit einer Portion Selbstironie.
Die Ärztin aus Essen genießt den Trubel mit 13 Hunden
Die 58-Jährige ist Hausärztin mit eigener Praxis in Duisburg. „Drei oder vier Hunde, meist die Halbstarken, nehme ich mit zur Arbeit. Die meisten Patienten mögen meine Medi-Dogs im Sprechzimmer. Wer sie nicht dabei haben möchte, geht in das andere Sprechzimmer, das aber bei weitem nicht so beliebt ist wie das Hundezimmer“, erzählt Kucharski. Einmal musste sie schon einer 80-jährigen Patientin vom Boden aufhelfen, weil diese sich die Wartezeit mit dem Kraulen der Hunde verkürzt hatte und nicht mehr allein hochkam.
Kucharskis Leidenschaft für Spitze hat sich zu einem aufwändigen Hobby entwickelt. Alles begann 2009 mit Joschi, mit über 15 Jahren heute Senior in ihrem kleinen Rudel. Ihn habe ihre damals achtjährige Tochter wegen der Trennung der Eltern als „Trosthund“ bekommen – von einer Freundin, die Spitze züchtete.
Joschi kam so gut an, dass die Familie seine Halbschwester dazunahm. Mit einem dritten Tier aus Schweden habe sie schließlich 2014 mit der Zucht begonnen, berichtet die Bergerhauserin, die sich im Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) engagiert.
Die Leidenschaft für Spitze entwickelte die Essenerin vor 15 Jahren
„Vom ersten Wurf habe ich ein Mädchen behalten“, erinnert sie sich. Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl der Hunde. Nicht jeder ihrer Spitze sei selbstgezüchtet. „Ich muss zur Blutauffrischung immer wieder neue Tiere dazunehmen und behalte die ,Rentner‘ bis zu ihrem natürlichen Lebensende, was nicht alle Züchter so handhaben“, erklärt sie.
Und so tummeln sich inzwischen vier Generationen von Spitzen in ihrem Wohnzimmer. Verstorben ist bisher nur Frodo, der einen Herzfehler hatte. Seine Urne steht auf dem Schrank, neben zahlreichen Pokalen und Auszeichnungen, die die Züchterin für ihre Tiere schon erhalten hat. „Ich fahre gern zu Ausstellungen, auch weil man sich dort mit anderen Züchtern austauschen kann. So sind schon Freundschaften entstanden.“
Ihre Zuchtstätte läuft unter dem Namen „Von den drei hohen Birken“. Ein bis zwei Würfe mit je vier bis fünf Welpen gibt es pro Jahr. Für die Kleinen hat Alexandra Kucharski im Wohnzimmer ein Welpengehege aufgestellt, das wie ein großer Laufstall aussieht.
Die Essenerin hat ihren Alltag neu organisiert, um den Hunden gerecht zu werden
Die Züchterin gibt nach eigener Aussage ihre Tiere nur an Menschen ab, zu denen sie Vertrauen hat: „Ich habe zu allen noch Kontakt.“ Manchmal entscheide das Muttertier, wohin ihr Junges abgegeben werde oder eben auch nicht. Wenn die Mutter dem Menschen ausweiche oder sich der Welpe verstecke, ergebe die Vermittlung keinen Sinn. „Tiere haben ein gutes Gespür für so etwas“, ist sie überzeugt.
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Über 100 Welpen hat sie schon vermittelt. Reich werde man mit der Hundezucht nicht. Bisher gebe sie die jungen Tiere für 1700 Euro ab, werde aber aufgrund gestiegener Kosten, zum Beispiel für genetische Tests, mehr nehmen müssen, so die Züchterin. Sie besitzt aktuell vier männliche und neun weibliche Spitze. „Ich züchte ausschließlich Mittelspitze“, sagt sie. Das sei die mittlere von fünf Spitzgrößen.
Für die 58-Jährige sind die Hunde Familienmitglieder. Sie schauen bei Online-Fortbildungen der Ärztin neugierig in die Kamera, dürfen mit ins Schlafzimmer und auch schon mal ins Bett. Alle haben Namen. „Ich kann Bella, Joy, Picasso, Walter und Co. nicht nur optisch, sondern auch an der Stimme unterscheiden“, sagt Alexandra Kucharski, die nicht nur als Zuchtwartin, sondern auch deutschlandweit als Rassebeauftragte für Mittelspitze für den Verband unterwegs ist.
Die Nachbarin hilft aus, wenn es zeitlich eng wird
Die Ärztin versucht, sich die Arbeitszeit so einzuteilen, dass genug Zeit fürs Gassigehen bleibt. „Wenn es mal eng wird, hilft meine Nachbarin und lässt die Hunde kurz in den Garten.“ Mit den Nachbarn komme sie gut klar, achte aber auch darauf, dass die Tiere wenig bellen. Wenn Besuch kommt, lässt sich das nicht ganz vermeiden, denn Spitze sind nicht nur Familien-, sondern auch Wachhunde.
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Ihr Hobby lasse sich mit entsprechender Organisation und Routine gut bewältigen. Zum Glück seien die Tiere in der Regel gesund, sodass beim Tierarzt vorwiegend Impfkosten anfielen. „Und so viel fressen die gar nicht“, sagt die 58-Jährige, die die Spitze mit Frischfleisch, Dosen- und Trockenfutter ernährt, damit sie an alle Varianten gewöhnt sind. Hundesteuer müsse sie nicht pro Tier zahlen. „Als Züchterin muss ich eine Zwingersteuer entrichten und dafür alle zwei Jahre einen Wurf nachweisen.“ Auch ihre Fachkenntnisse würden in regelmäßigen Abständen überprüft.
Wenn sie das flauschige Fell der Tiere ausgekämmt, fallen jede Menge Haare an, die sie sammelt. „Die lassen sich zu Wolle verspinnen“, erklärt die Züchterin, die früher nur Vögel gehalten hat.
Der 58-Jährigen ist durchaus bewusst, dass nicht jeder ihren besonderen „Lifestyle“ nachvollziehen kann: Der Garten ist eine Matschlandschaft, es riecht nach Hund in der Wohnung, es gibt Staub und Dreck und auch die Möbel haben schon sichtbar unter den spitzen Zähnen der Hunde gelitten. „Da sucht sich jeder Wurf seine Bachelor-Arbeit“, sagt die Züchterin lachend und zeigt auf die geklebten Stellen ihres Sofas.
„Putzeimer und Papiertücher sind hier die wichtigsten Utensilien“, sagt die Züchterin, die mit ihren Tieren auch für den Hundebesuchsdienst der Malteser in Seniorenheimen unterwegs ist. Es sei berührend, wie zum Beispiel Demenzpatienten darauf reagierten. „Ich habe auch schon erlebt, wie eine Wachkoma-Patientin nach dem Kontakt mit einem Hund die Augen wieder geöffnet hat.“
In den Urlaub startet die Ärztin aus Essen-Bergerhausen mit den Spitzen im VW-Bus
Der Alltag der Bergerhauserin ist auf die Tiere ausgerichtet. Fernreisen und Hotelurlaube seien unmöglich. „Da lag mir aber auch früher nichts dran. Dafür habe ich einen VW-Bus. Damit bin ich unabhängig, kann es mir mit den Tieren gemütlich machen, Städtereisen oder Fahrten nach Skandinavien unternehmen, wo ich Freunde habe, die auch züchten“, berichtet Kucharski. Zwei Dinge fehlen ihr aber doch: „Skifahren und Segeln. Beides habe ich früher gern gemacht.“
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